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Hallo liebe Expertenteam,
das folgende ist zunächst im Wesentlichen der Text, mit dem ich mich vor einigen Wochen im Forum vorgestellt habe:
Ich bin 45 Jahre alt, verheiratet immerhin, aber ansonsten völlig sozial isoliert. Meine Ehe klappte bisher so leidlich, im Grunde macht jeder von uns sein eigenes Ding. Ich war von Kind an sehr ruhig, introvertiert und schüchtern und die meiste Zeit alleine. Wenn überhaupt, hatte ich seinerzeit immer allenfalls einen Freund, kaum jemals mehrere oder gar eine ganze Clicque. Wobei mir allerdings viele Menschen bzw. Gruppen Angst machen und ich mich noch heute (z.B. Weihnachtsfeiern ) extrem unwohl fühle. Ich empfinde mich als sehr empfindsamen und tiefgründigen Menschen, der sich auch immer schon irgendwie anders fühlte als die breite Masse. Dabei bin ich durchaus nicht arrogant oder irgendwie abgehoben bzw. habe riesige Ansprüche an meine Umwelt - glaube ich zumindest. Ich habe keine ganz tollen oder besonderen Interessen, einfach nur ein bißchen lesen, Musik hören oder am PC sitzen. Das sind nun natürlich auch keine Hobbies, die unbedingt nach sozialen Kontakten schreien. Mit Partys, Discos und Vereinsleben im Sinne von Sport oder freiwillige Feuerwehr kann ich nichts anfangen. Mit meiner Frau kann ich mich manchmal durchaus gut unterhalten und wir gehen gern spazieren oder wandern, auch im Urlaub, aber sie ist oft nicht da, hat ihre eigenen Freundinnen und beruflichen Kontakte und ich habe sonst nichts. Leider auch familiär nichts, es existieren nur noch meine Mutter, deren Tage wegen Krebs gezählt sind und mein Bruder, der seit 5 Jahren im Wachkoma liegt.
Ich wirke auf andere (dies vermute ich nicht nur, sondern wurde mir auch oft genug bestätigt) uninteressant und langweilig. Ruhig und still wird gern mit arrogant, uninteressiert oder blöd gleichgestellt; und schon hat man keine Chance. Die Leute haben keine Lust, einen zweiten Blick zu riskieren - es gibt genügend andere, die auf den ersten Blick wohl die bessere Wirkung erzielen.
Ja ich weiß, man muß sich erstmal selber so, wie man ist, mögen und akzeptieren, dann wird das schon... Wirklich? So unrecht finde ich mich gar nicht, aber das hilft in der Praxis wenig, allein bleibt man egal wie. Und wenn ich gefragt werde: ja, für was interessierst du dich denn und worüber möchtest du mit Leuten reden? - Meine Antwort: naja, da ist halt nicht so viel, ein bißchen lesen etc., ich erwähnte es schon. Und ich möchte über gar nichts Besonderes reden, nur einfach ein paar Freunde bzw. Bekannte haben, die mich so mögen, wie ich bin. Aber wie geht das denn nun in der Praxis, wie stell ichs an? Ich setze mich allein ins Cafe und frage nach der Uhrzeit? Und dann? Kriege die Zeit gesagt und dann? Wie machen das die Leute bloß, alle ihre Bekanntschaften oder Freundschaften herzukriegen?
Ich habe kürzlich einen Gitarrenspielkurs besucht; auch z.B. meine Frau sagte mir: dann mach doch auch mal irgend was... Schön, da war ich jetzt soundsoviel Abende im Kreise von entsprechend Gleichgesinnten, ja und nun ist der Kurs vorbei und nix mit Kontakte. Ist ja auch o.k. und normal, immerhin wollte man da ja nur ein bißchen Gitarre lernen...
So und jetzt das Aktuelle: Meine Frau wird beruflich 300 km weg ziehen und ich bin hier ganz alleine. Ich denke auch, für sie ist es o.k., wenn sie von dem chronisch Depressiven mal weg kommt, ich war sicher schon länger eine Belastung für sie. Aber was fange ich an? Wie soll ich das durchstehen? Ich bin gerne allein und mag auch keine Horden von oberflächlichen Bekanntschaften bzw. viel Action, eigentlich wünsche ich mir hauptsächliche eine harmonische Zweierbeziehung. Aber jetzt denke ich immer an die schöne Zeiten, die wir ja auch hatten und könnte nur noch heulen. Nichts mehr. Ich will mich eigentlich nicht umbringen, aber ich weiß nicht, wie ich ohne jede Kontakte existieren soll. Ich sehe keine Zukunft für mich. Nebenbei: ich bin seit bestimmt 20 Jahren in nervenärztlicher Behandlung und hatte schon mehrere Therapien.
Jens

30.09.2008 15:01 • 09.10.2008 #1


1 Antwort ↓

Hallo Jens,

so wie Du Dich schilderst und was ich glaube, zwischen den Zeilen heraus zu lesen, kann ich mir ehrlich gesagt nicht ganz genau vorstellen, weshalb Du schon mehrere Therapien gemacht hast. War es wirklich Dein Wunsch oder hast Du Dich mehr oder minder von der Erwartungshaltung Deiner Umwelt zu einer Veränderung drängen lassen. Ist Dein Leidensdruck wirklich so groß, dass Du alle Anstrengungen unternehmen würdest, die notwendig sind, um für Dich Veränderungen zu erreichen.

Ich erlebe Dich viel mehr als jemanden, der an sich ganz gut in sich ruht, mit sich einigermaßen zufrieden ist, nicht unbedingt immer nur das Tollste sucht und will, keine ständigen Kicks braucht, bungee jumping für Blödsinn und überflüssig hält usw. Nur Deine Umwelt hat anscheinend andere Erwartungen an Dich (man muss Freunde haben, man muss einen großen Bekanntenkreis haben; alleine sein und zufrieden sein ist krank ....) - weshalb eigentlich ? weshalb darfst Du nicht sein, wie Du bist ? Deine Persönlichkeit hat sich nun mal über viele Jahre so entwickelt und das hatte seinen guten Grund - na und? Es gibt Naturfotografen, die liegen 9 von 12 Monaten in einsamen Gegenden allein herum und fotografieren und sind glücklich und froh. Es gibt andere Menschen, die machen etwas, was wenig soziale Kontakte zulässt, sie aber begeistert und zufrieden macht - warum nicht?

Ich glaube nicht, dass Dein Leidensdruck im Wesentlichen Dir selbst gilt. Du versuchst halbherzig die Erwartungen anderer zu erfüllen, und bist dabei weder Du selbst noch wie die anderen meinen, wie Du sein müsstest. Es zerreißt Dich dazwischen.

Natürlich könnte ich Dir empfehlen: gehe in ein Selbstsicherheitstraining, lerne in Kommunikationstrainings small talk zu machen, um leichter Kontakte zu finden. Aber wäre das wirklich das, was DU willst? oder doch nur Anpassung an die Erwartungen anderer? Dein Gitarrenkurs war auch so etwas - begeistert klingt das nicht, was Du schreibst.
Wenn Du Deine Hobbys mit nachdenklichen Menschen teilen willst - gehe in einen regelmäßigen Literaturkreis oder spiele Schach mit anderen. Da würde Dir sicherlich was einfallen, da bin ich mir ganz sicher. Aber willst Du das wirklich ? wenn ja - dann mache es einfach ! wenn nein, dann lass es einfach und sei, wie Du bist und nicht anders, aber akzeptiere auch die Konsequenzen ! Und wenn Du es nicht weißt, dann probier es aus und entscheide dann ! Aber hör auf, einen anderen aus Dir machen zu wollen, der Du gar nicht sein willst.

Vielleicht habe ich ja was Falsches aus Deinen Zeilen heraus gelesen - dann kann ich das nicht ändern. Wenn ich Dich zum Nachdenken gebracht habe, dann war das beabsichtigt. Du wirst entscheiden, was Du mit dem anfangen willst, was ich Dir geantwortet habe.

Ich grüße Dich ganz herzlich und bin froh, dass es nicht nur Menschen auf dieser Welt gibt, die sich nur wohl fühlen, wenn sie mit möglichst vielen anderen in der Masse untergehen.

Bernd Remelius




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