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Lieber Bernd!

Danke für deine ausführliche Antwort. Ich hätte jetzt eine allerletzte Frage. Zuerst noch kurz wie ich mich selbst aus dem Schlamassel gezogen habe bevor ich mir keine Therapie leisten konnte. Und zwar ich bin irgendwann während einer Panikattacke mit meinen negativen Gedanken abgeglitten zu einer Party die in den nächsten Tagen hätte stattfinden sollen und auf die ich mich schon gefreut habe. Auf einmal war die PA weg. Es wurde warm im Bauch und alles Nervenbrennen war verflogen. Der Trick funktionierte einwandfrei. Wenn die Angst kam, habe ich an schöne Dinge gedacht und die Panikattacke war weg. Somit schätze ich auch wieder die kleinen Schönheiten am Leben. Irgendwann mal hat sich das automatisiert und ist aber dann irgendwie in einen anderen Weg abgeglitten der mich in die jetzige Situation gebracht hat. Ich habe nach ein paar Jahren als die Panikattacken gar nicht mehr kamen und ich nur durch meine tägliche Einnahme der Seroxat daran erinnert wurde das da „irgendwas mal war“ angefangen Hochs und Tiefs der Gefühle zu vermeiden. Kontrolliertes verliebt sein war da ebenso dabei wie kontrolliertes traurig sein. Nur nicht zu viel Gefühlsschwankungen denn es könnte ja wieder zu einem Rückfall kommen. Und mein einziges Ziel im Leben war so unauffällig wie möglich ans natürliche Ende zu kommen. Ist das nicht traurig? So richtig schön emotionslos dahinleben bis alles vorbei ist. Ich war aber nicht unglücklich damit denn diese Erkenntnis habe ich erst durch meine Therapie erlangt. Und bekanntlich ist Rache süß. Meine Gefühle haben mir dann doch gezeigt wer Herr der Gedanken und des Körpers ist und mich in meine jetzige Lage gebracht.
Jetzt ist es so dass ich ja 5 Tage in ANGSTATTACKEN (keine Panikattacken da mein Atmen/Pulsschlag immer ruhig war und ich auch keinen Bewegungsdrang oder Fluchtgedanken habe) geschwelgt bin (hab auch kaum mehr gegessen und wenn dann nur weil ich musste und danach war mir todschlecht). Ich hab nicht mehr gewusst was tun. Ich hab nicht gekämpft sondern zugelassen mich fast akribisch hingegeben und wenn ich „verbrannt“ bin mir gesagt:“ Ja mein liebes Gefühl, schön dass du da bist. Du gehörst zu mir, du bist meins, wir zwei werden jetzt gemeinsam weiterleben,..“ Uiiii da hat es dann aber ordentlich gebrannt. Ich hab tief durchgeatmet meine Augen geschlossen und versucht es zu „genießen“. Manchmal hab ich dann meinen negativen Gedanken voll die Kontrolle übergeben und mich richtig durchfluten lassen von meiner Angst. Ich hab regelrecht aufgegeben und mir gesagt:“ Da kommst du nie mehr raus“: Ich habe die Angst ganz brav gefüttert mit allem was sie gebraucht hat – konnte auch nicht anders. Ich hab mich hingegeben aber nicht aufgegeben denn ich bin trotzdem jeden Tag in die Arbeit gegangen und hab dort mit schwersten Angstzuständen und alle halbe Stunde Heulerei (weil es so grausam war) gearbeitet.
Und am Donnerstag dann so mitten in der Arbeit zieht es und zieht es im Bauch wie ich es gewohnt war ABER………..es war so kraftlos! Es kam mir vor als wäre der Angst die Puste ausgegangen, die Kraft, das Feuer. Es brannte noch und tat weh aber irgendwie gedämpfter. 10 Minuten später war dann alles vorbei und ich hab mir sofort was zum Essen kaufen müssen weil ich das erste mal nach 5 Tagen wieder Hunger hatte. Dann bin ich dagesessen und hab nach dem Gefühl gesucht aber nur mehr schwache Ausläufer gefunden. Jetzt ist es ganz weg und alles wieder hell in meinem Kopf. Die Zeit solange es so bleibt nutze ich gerade um meinen Körper wieder fit zu machen (Fitnessstudio, gesunde Ernährung, schöne Tagesgestaltung, auf mich schaun, mir gutes tun,…). Ich erwarte mir keinen Rückfall aber ich schließe ihn nicht aus und dann brauch ich zumindest die körperliche Kraft damit meine Seele während der Folter sich irgendwo festhalten kann. Ich mache übrigens Existenzanalyse und keine Verhaltenstherapie.

FRAGE: War das so eine Art Konfrontationstherapie? War es das „berühmte“ „flooding“? Geht das auch wenn man keinen reellen Auslöser wie Spinnen, Flugzeug hat den man sich hingeben und aussetzten kann?

Zitat Wikipedia zum Thema Konfrontationtherapie:“ Angststärke nicht, wie er es erwartet, ins Unendliche steigen kann, sondern durch Habituation mit der Zeit zwangsläufig absinkt, wenn die Angst nicht vermieden wird….
Vor allem das Wort Habituation freut mich in diesem Satz.

FRAGE: Wenn nun die Angststärke nicht mehr steigt aber andauernd bleibt, kann man dann trotzdem nicht drinnen hängen bleiben sondern erkennt die Angst dann, dass nichts passiert was sie sich erwartet und das Gefühl dann zwangsläufig nachlassen muss?

Das wäre meine allerletzte Frage. Versprochen. Und ich glaube eine Antwort würde vielleicht auch vielen anderen hier helfen.

LG Happy

14.12.2008 10:17 • 18.12.2008 #1


1 Antwort ↓

Hallo Happy,

zu Deiner ersten Frage: dies könnte man schon als eine Art Konfrontationstherapie sehen, weil Du innerlich und in Deiner Vorstellung die Angst zugelassen hast, ihr nicht ausgewichen bist - und sie hat ihre Kraft verloren. Was Du damit in erster Linie bearbeitet hast, ist die Angst vor der Angst (zweite Ebene der Angst). Sie ist zwar unangenehm, aber auszuhalten.

Auf der ersten Ebene sind die eigentlichen Auslöser der Angst angesiedelt. Was macht mir konkret Angst? welche Situationen? welche Gedanken und Bewertungen? was vermeide ich wegen Angst? - Konfrontation heißt hier, sich diesen Situationen am besten massiv auszusetzen (also gerade das, wovor ich Angst habe, bewusst herbeizuführen (wenn dies geht) und es zu bewältigen.

Zu Deiner zweiten Frage: Wenn man sich konfrontiert, wirklich in der Situation bleibt, sie bewältigt bis die Angst weniger werden müsste und die Angst nicht abnimmt, dann hält man sie meist intern durch bestimmte Vorstellungen und Bewertungen oder auch innere Ablenkungen aufrecht, die einem nicht immer bewusst sein müssen. Oder die Angst zeigt als Signal an, dass bestimmte Probleme im eigenen Leben noch nicht bearbeitet und gelöst sind. Lösen kann auch mal bedeuten, etwas bewusst zu akzeptieren, anzunehmen, was ich vielleicht nicht ändern kann.

Ich wünsche Dir eine schöne Weihnachtszeit und alles Gute für die Zukunft

Bernd Remelius




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