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Hallo lieber Bernd,

ich bin gerade ziehmlich verzweifelt.

Habe viele Ängste und Paniken. Eine davon ist zum Arzt zu gehen
und Medikamente zu nehmen.
Ich habe viele schlimme Erlebnisse mit Gewalt und anderen Dingen in meiner Kindheit gehabt. Die Angst vor Atemnot habe ich seit meinem 12. Lebenjahr und nie wieder richtig verloren. Sobald ich die Kontrolle abgeben muß, zum Beispiel auch Medikamente nehmen, gerate ich in
eine Angstspirale, und dann kann ich nicht mehr richtig denken.
Jetzt mußte ich gerade ein Antibiotikum nehmen und nun bin ich der Meinung ich habe sämtliche Nebenwirkungen. Ich habe totale Angst.
Kann ich mir selbst helfen?
Bitte können sie mir antworten, mich wenigstens beruhigen.

Danke fürs lesen

Liebe Grüsse
Jess

04.02.2010 08:57 • 04.02.2010 #1


1 Antwort ↓

Hallo Jess,

was Du schilderst, klingt sehr nach körperbezogenen Ängsten mit einer zentralen Einstellung dahinter: ich muß immer die Kontrolle haben, ich kann mich auf niemanden verlassen und auch niemandem trauen.

Wenn dies so ist, stelle ich mir das mehr als anstrengend in Deinem Leben vor. Und dass da manchmal der Atem nicht mehr ausreicht, um all diese Energie aufzubringen, ständig alles unter Kontrolle haben zu müssen, kann ich mir gut vorstellen.

Du sprichst selbst traumatische Erfahrungen in Deiner Lebensgeschichte an. Das Dir das in Deinem kurzen Text besonders wichtig ist und Du es deshalb nennst, spricht doch dafür, dass Deine Symptome nach wie vor damit zusammenhängen. Kontrolle haben müssen lernt man z.B. (als sinnvolle Schutzstrategie !), wenn man nicht beherrschbaren Mächten - z.B. schlagenden Eltern als kleines Kind - hilflos ausgeliefert ist. Man traut nur noch sich, ist besonders vorsichtig, will auch erste Signale für erneute Mißhandlung des Körpers und der Seele mitbekommen, um vielleicht noch etwas tun zu können. Andere Menschen werden zu Gefahrenherden. Sich dann einfach anderen Menschen (durch Vertrauen) auszuliefern, wird danach schwer. Vielleicht beschreibe ich als Hypothese Deine Erfahrungen ja annähernd richtig.

Es wäre in diesem Fall wichtig, Deine Lebensgeschichte zu bearbeiten, damit Du lernen kannst, nicht mehr völlig automatisch mit alten Mustern zu reagieren, auch dort, wo sie heute nicht mehr notwendig sind. Wieviel Vertrauen zu anderen Menschen Du noch aufbauen kannst, weiss ich nicht. Aber ein Stück auf andere zugehen, etwas mehr Kontrolle abgeben und Dich selbst entlasten - das wäre m.E. möglich.

Hierbei solltest Du Dir professionelle Hilfe holen, weil es oft schwer ist, an solch frühe, massiv belastende Erfahrungen alleine dran zu gehen. Da hat man meist blinde Flecken entwickelt - als Schutz vor negativen Emotionen. Traumatische Erfahrungen lassen sich auf Dauer aber nur überwinden, wenn man sich ihnen stellt. Dabei kannst Du auch lernen, etwas Kontrolle an jemanden anderen abzugeben (den Therapeuten) und wieder etwas mehr zu vertrauen.

Alles Gute für Dich - und mache Dich auf, die alten Geister aus dem Haus zu jagen. Sie haben Dich lange genug beherrscht !

Gruß

Bernd Remelius




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