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Bin 33, m, und meine nach langer Pause 4. Panikattacke ist der Anlaß, warum ich hier meine Geschichte schreibe.

Heute beim Mittagessen hatte ich einen klitzekleinen Moment Schluckbeschwerden mit dem Broccoli, wirklich nichts Schlimmes, was aber dann durch die Gedanken an Erstickungstod in meiner bisher vierten Panikattacke gipfelte. Mein Kopf fühlte sich an wie unter einem zu engen Helm, ich konnte nichts mehr essen, bekam Kältegefühl in den Beinen, Hitzegefühl im Rücken, das Herz fing an zu rasen, ich zitterte und Atemnot bekam ich auch. Nachdem ich mich jetzt Stunden mit Stöbern im Internet über Panikattacken abgelenkt habe, gehts wieder einigermaßen.

Wenn ich hier so lese, kann ich eigentlich froh sein, das ich meine schlimmen Panikattacken an einer Hand abzählen kann, und das obwohl ich die erste vor zehn Jahren hatte.

Angefangen hat das Ganze im Frühsommer 1998, als dreihundert Meter vom Garten entfernt eine große Gasleitung angebaggert wurde und das ausströmende Gas den Dreck dutzende Meter in die Höhe pustete. Damals bekam ich solche Angst, das uns was durch das Gas passiert, das ich Herzrasen bekam und das Gefühl hatte, die Augen treten mir aus dem Kopf. Bin dann als es mir einigermaßen ging, nach Hause gefahren und hab den Rest des Tages zitternd auf der Couch verbracht. Tage danach fing dann der gelegentliche Schwindel an und der daraus resultierende unsichere Gang. Ich natürlich gleich zur Ärztin, die nichts feststellen konnte.

Der Schwindel kam und ging wieder, mal länger mal kürzer und die Abstände dazwischen waren auch unterschiedlich.

Im selben Jahr trat ich meinen neuen Job an, in dem ich Verantwortung über mehrere Leute und Millionenwerte hatte und das, obwohl ich zu der Zeit kaum Erfahrung in Mitarbeiterführung und überhaupt keine im Managen eines Einkaufsmarktes hatte. Ich stand also unter Druck, der immer größer wurde, je näher der Termin kam, an dem die Einarbeitung zu Ende war und ich selbst eine Filiale leiten sollte. Nebenher war da auch immer der Schwindel, der völlig unmotiviert kam und ging. Am letzten Tag der Einarbeitung, ein Samstag, gings mir dann so dreckig, das ich den Rettungswagen kommen ließ. Beruhigungspillen hatte ich in meiner Panik schon genommen, so daß ich nur Sauerstoff über die Nase bekam. Im Krankenhaus wurde dann ein EKG gemacht, was völlig unauffällig war, mir gings ja da auch schon wieder einigermaßen. Also wurde ich sogleich wieder entlassen, 50km von zu Hause und 15km vom Geschäft entfernt, wo mein Auto parkte. Hab dann meinen Vater angerufen, der mich abholte und zu meinem Auto brachte, das ich dann in Begleitung und sehr langsam nach Hause fuhr.

Die Woche drauf war ich dann wegen des Schwindels beim HNO-Arzt und bekam den Kopf geröntgt und die Ohren gespült. Ergebnis: keine feststellbare Ursache. Aber ihr wisst ja selber, das man das nicht glaubt und sich einredet, das man sich das nicht einbildet und das körperliche Ursachen haben muß. Und was will man machen in solchen Situationen? Ich hab versucht, mich mit dem Schwindel zu arangieren, er ist eben da und ich muß meine Arbeit machen.

Erstaunlicherweise lief mein Job bzw. ich darin besser als von mir erwartet und genauso, wie es die Firma wollte. Meine Bezirksleiterin war super und schwanger und deswegen war sie dann weg und ich bekam einen Schnösel vorgesetzt. Grade fünf Jahre älter als ich und grade nach zwei Jahren als Filialleiter zum Bezirksleiter aufgestiegen. Der konnte mich von Anfang an nicht leiden und hat das zu jeder Gelegenheit rausgelassen. Ob er's nicht verkraften konnte, das ich mit 24 Filialleiter war, wo er mit 24 noch als Verkäufer rumkrebste oder weil ich die Arbeit inzwischen nicht mehr so verbissen sah und alles etwas lockerer und mit Humor nahm, wer weiß. Fakt ist, wie ich inzwischen weiß, das der intrigiert hat, meine Leute gegen mich aufgehetzt hat, einen Testkauf manipuliert hat und mich so auch bei der Geschäftsführung anschwärzte. Ich meinerseits hab mich mit einem ehrlichen Testkauf revangiert, der die Verkäuferin(Bezirksleiters Liebling) alt aussehen ließ, weil sie schlampte und zwei Artikel nicht abkassiert hat. Die natürlich gleich gepetzt und dann haben die sich ne unfeine Nummer ausgedacht. Ich hatte ein paar Tage Urlaub und wie es so üblich ist, hab ich mich dann erstmal auf den neuesten Stand gebracht, u. A. über die aktuellen Preisänderungen informiert. So auch bei der 6er Packung Äpfel, die mit 2,49 DM ausgepreist waren und ich mich noch wunderte, warum die so teuer geworden sind in den paar Tagen. An dem Tag kam der Bezirksleiter und die ihm vorgesetzte Verkaufsleiterin hat er gleich mitgebracht, was mich doch sehr wunderte, weil die sonst nie kam. Und wie das in der Firma so üblich ist, hab ich auch ab und an kassiert. Das lief über Nummern, die man in die Kasse eingibt und die spuckt dann den Preis aus. Und wieder wunderte ich mich über die 6er Packung Äpfel, die laut Nummer 1,89 DM kosten sollte. Na ja, dachte ich mir, gibste die halt beim nächsten Kunden über den Preis ein. Und das war mein Strick. Ich wurde natürlich beobachtet, noch im Geschäft vor Kunden angeschissen und da wars dann wieder soweit. Druck im Kopf, extremer Schwindel, Zittern, Schweißausbrüche. Die haben mich dann ne ungefähre Stunde in Ruhe gelassen, in der ich mich einerseits halbwegs beruhigte und andererseits wieder Gedanken machte, was jetzt wohl passiert. In der Zeit hab ich auch immer noch schweißnass und zitternd das von mir geschriebene Preisschild mit dem korrekten Apfelpreis gefunden, das schön versteckt im Lager nur darauf wartete, wieder seinen Platz einzunehmen. Das falsche Schild hatte Bezirksleiters Liebling geschrieben und als die plötzlich im Laden auftauchte, obwohl sie frei hatte, war mir alles klar. Prompt haben die mich in den Aufenthaltsraum zitiert und mich genauso wie man das in letzter Zeit in Reportagen sehen bzw. hören konnte, erpresst. Entweder ich kündige sofort freiwillig oder sie schmeißen mich raus, verklagen mich und überhaupt sei dann mein Leben für immer verdorben. Zu dem Zeitpunkt war ich gefühlt der Ohnmacht nahe und hab eigentlich nichts mehr mitgekriegt. Bin dann wie in Trance heim gefahren und als ich ne Weile nachgedacht habe, was für Konsequenzen das jetzt hat, wurde die Panik, die ich ja eh schon hatte, wieder zur Attacke mit den üblichen Symptomen. Weitere Folge war dann ne Magenschleimhautentzündung. Als kleine Genugtuung hab ich die Gewissheit, das mein Bruder, der im selben Unternehmen beschäftigt war, dafür gesorgt hat, das der Schnösel wenig später achtkantig rausgeflogen ist.

Zu keiner Zeit dachte ich damals an Panikattacken, die Ursache muß das Gebrechen sein, das meinen Schwindel auslöst und jetzt ernstere Züge annimmt. So meine Gedanken. Und da ich ja nun Zeit im Überfluß hatte, klapperte ich die Ärzte ab. Ich hab mir die Zähne tiptop machen lassen, weil ich mir einredete, der Schwindel komme daher. Hat nichts gebracht außer ein paar Weisheitszähnen weniger. Ich hab Blutuntersuchungen machen lassen, ich hab ne CT vom Kopf machen lassen, ich war beim Augenarzt. Man hat mir sogar dazu geraten, die Halswirbelsäule mit Titanplatten versteifen zu lassen, weil da der Schwindel herkommen könnte. Was alles nichts brachte und ich Letzteres nicht hab machen lassen, weil ich mir wegen Vermutungen nicht an mir rumschnippeln lasse.

Irgendwann verliert man dann den Antrieb, weil nichts festgestellt wird und nichts hilft. Ich hatte zeitweise zu nichts mehr Lust und hab den ganzen Tag im Bett gelegen und auf die Glotze gestarrt. Ich hatte mich quasi mit der Situation abgefunden und den Schwindel als lästige Einschränkung akzeptiert. Einschränkung auch deswegen, weil ich manchmal an nichts anderes denken kann als an diesen blöden Schwindel und dann immer glaube, den nächsten Tag nicht mehr zu erleben. Und dann kommen immer diese Gedanken, was dann wohl wäre, wie das ist, was man alles verpasst. Das ist dann richtiger Hass in dem Moment der absoluten Gewissheit, das man irgendwann sterben wird und es aber auch absolut nichts gibt, was das verhindern kann. Ganz schlimm empfinde ich dabei, wenn die Gedanken nicht um mich sondern um meine Eltern kreisen.

Und so zieht sich der Schwindel mit seinen Begleiterscheinungen wie der Ohmachtsangst, das Schwanken und deshalb manchmal stehen bleiben und festhalten Müssens durch mein Leben wie ein roter Faden. Kaum gesellschaftliches Vergnügen, seit Jahren keine Freundin, nur nen Kleinjob, der mir aber Spaß macht, denn jahrelang sah ich mich nicht in der Lage, überhaupt zu arbeiten. Nen Ar. als Nachbarn, bei dem der Tag erst 22Uhr beginnt, was er jeden im Haus durch seine Geräusche merken läßt.

Vermutlich nur, weil ich gerne komisch bin und damit meinen Zustand ganz gut überspielen kann, gehts mir nicht noch schlechter und kaum einer merkt, was wirklich los ist. Selbst die Attacke von heute Mittag hab ich versucht zu überspielen. Habe versucht unauffällig zu atmen und nebenbei Puls gefühlt und mir das erste Mal überhaupt eingeredet, das da nichts ist, was es rechtfertigt, gerade jetzt zu sterben. Es sitzen drei Leute um dich rum, die dir helfen, wenn wirklich etwas wäre. Hab dann gesagt, hab keinen Appetit und esse später weiter. Bedrückend war das nach so langer Zeit ohne wirkliche Attacke schon und ist's auch noch, wegen nem popeligen Broccoli, der auch noch so weich war, das ich ihn hätte lutschen können. Ich hoffe nur, das wars erst mal mit der Panik. Grade wo ich mir mit Begeisterung ein neues Hobby zugelegt habe und ich weiß, das es eine Frau gibt, die auf mich steht und es nur an mir liegt, ob ich weiter alleine bleibe. Ich hab nämlich keinen Bock mehr, abends alleine vor der Playstation zu sitzen oder Serien zu gucken, weil mich die Angst wieder beim Wickel hat. 20 Kilo mehr seit 1998 sind auch nicht schön.

Inzwischen gehts mir bis auf kalte Füße auch wieder ganz normal.

29.11.2007 15:49 • 29.11.2007 #1


1 Antwort ↓

Hy ,
erstmal Herzlich Willkommen!
Ist echt witzig geschrieben Dein Thread:) obwohl es nicht böse gemeint ist aber musste einpaar mal schmunzeln. Ich war auch mit 24 Filialeiterin und hatte anfangs auch eine naja wie soll ich sagen dumme schnalle als Angestellte die mich ohne Ende versuchte zu mobben bis ich selbstbewusst sagte entweder die oder ich. Mir war das damals echt pups wenn ich den Job verloren hätte. Die hatten sich für mich entschieden weise Entscheidung.Sagmal bist Du in Therapie?Dort lernst Du mit solchen Attacken umzugehen und lernst natürlich viel über Dich selbst ...
Ich merke selbst dass ich abends 0 Probleme habe vorallem wenn ich durchs Tv völlig abgelenkt bin was natürlich nicht im Sinne der Bewältigung steht.
Denk mal darüber nach...
lg Caro





Dr. Hans Morschitzky
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