Hallo Kad,
ich ringe etwas mit mir, ob ich Dir schreiben soll, denn ich möchte Dich nicht entmutigen. Andererseits erinnert mich Deine Situation fatal an meine jeweils vor meinen Rückfällen. Ich finde, Du mutest Dir extrem viel zu - mit innerem Schweinehund hat das gar nichts zu tun, dem gegenüber bist Du die reinste Tierquälerin... Wenn mich ein absolut gesunder Freund um Rat gefragt hätte, ob er einen solchen Job 100 km entfernt vom Wohnort ohne zeitnahe Aussicht auf Umzug mit Kind und Kegel annehmen sollte, hätte ich abgeraten - es sei denn, es wäre jemand, der ausgesprochen gern mit dem Auto unterwegs ist. Ganz egal, wie der Job ist, das sind ganz einfach schlechte und für jemanden, der durch eine psychische Störung akut belastet ist, nicht akzeptable Bedingungen.
Zitat von Kad:Ich weiß, wenn ich jetzt aufhöre, hat meine Angst gewonnen, manchmal denke ich, sie hat es schon.
Beim Schach gilt Resignation bei einer aussichtslosen Partie als Zeichen von Intelligenz. Nun weiß ich nicht, ob Deine Partie hier aussichtslos ist, aber ich weiß, dass es nicht hilfreich ist, aus dem Niederknüppeln der Angst und dem täglichen Erreichen des Arbeitsplatzes eines existentielle Frage zu machen. Das baut irrsinnigen Druck auf. Und womit reagiert der durschnittliche Angst- und Zwangspatient auf Druck? Mit Angst und Zwängen...
Vielleicht gelingt es Dir - und das ist der einzige Ansatzpunkt, den ich sehe - eine positive Motivation aufzubauen, Dich also vermehrt und sehr stark darauf zu konzentrieren, dass Dir Dein Job gefällt und dass Du ihn machen
willst. Das riesengroße MUSS hilft Dir nämlich nicht weiter und entspricht auch nicht der Realität. Natürlich wäre es unerfreulich, den Job zu schmeißen, und es besteht die Gefahr, dann eine Weile arbeitslos zu sein. Alles nicht schön. Aber u.U. besser, als jetzt noch dazu eine Erschöpfungsdepression zu entwickeln. Außerdem hätte eine nicht erwerbstätige Zeit bei allem Elend den Vorteil, die Therapie weiterführen zu können. Das soll nicht heißen, dass Du nun zur Verhütung schlimmeren Übels kündigen müsstest... Aber achte auf Dich, schau' nicht mit Tunnelblick bis zum Zusammenbruch nur auf das, was vermeintlich sein muss, weil sonst scheinbar Dein ganzes weiteres (Berufs)Leben den Bach runtergeht.
Übrigens, wenn es Dir weiterhin schlecht geht, könntest Du, bevor Du evtl. tatsächlich kündigst, noch einen letzten Versuch starten und Deine Chefin ins Vertrauen ziehen. Vielleicht ergeben sich dann Möglichkeiten, etwas Druck rauszunehmen, so dass Du doch weitermachen kannst. Wenn nicht, würdest Du sowieso kündigen und dann kann Dir egal sein, was sie von Dir denkt.
Zitat von Kad:Medikamente möchte ich nicht nehmen, weil ich der Meinung bin, das es mir auf Dauer nicht helfen würde und eine Abhängigkeit entstehen würde.
Gerade bei Zwangsgedanken können Medikamente aber helfen, und man kann ja nicht sagen, dass es derzeit ohne Medikament wirklich geht. Jedenfalls soll es nicht dauerhaft so bleiben, wie es jetzt ist. Damit möchte ich Dir nicht dringend zu Medikamenten raten, habe aber den Eindruck, dass es
zur Zeit nicht realistisch ist, dass Du Deine Ziele durch einfaches Weitermachen erreichen kannst. Ich glaube - soweit und so wenig ich Deine Lage einschätzen kann - dass Du umdenken musst. Entweder Deine Ziele für den Moment runterschrauben und Rücksicht auf Deine Erkrankung nehmen oder ggf. andere Mittel - evtl. eben Medikamente - einsetzen. Möglich ist außerdem immer noch, dass Du Dir kurzfristig für die Woche ein möbliertes Zimmer am Arbeitsort nimmst. Da betragen die gesetzlichen Kündigungsfristen zwei Wochen, und Du wärst aus dem täglichen Kampf raus. Wie auch immer - Augen zu und durch halte ich für die schlechteste Lösung.
Liebe Grüße
Christina