wir versuchen herauszufinden, was hinter der angst steht. warum sie kommt, was ich für einen gewinn davon habe (wie du es in einem der threads ja auch geschrieben hattest). er glaubt, dass die angst verschwindet, wenn der auslöser dafür gefunden ist. ich habe die erfahrung gemacht, dass das ein guter weg ist und dass er auch funktioniert.Dass es wichtig sein kann, den Krankheitsgewinn oder die Funktion der Angst, in m.E. selteneren Fällen auch den Auslöser zu finden, sehe ich auch so. Leider bin ich mir aber absolut sicher, dass das nicht reicht, denn dafür ist Angst zu gut gelernt und evolutionsmäßig zu wichtig.
mein therapeut sagt mir, ich solle die situation nicht trotz angst, sondern mit der angst erleben.Da hat er völlig Recht. In einem Buch zur sog. Acceptance and Commitment Therapy (ACT, eine weiterentwickelte Richtung der VT) habe ich gelesen, dass man sich die Angst als Monster vorstellen soll, das sich einem in den Weg stellt. Nun hat man die Wahl, seinen Weg nicht weiterzuverfolgen (also zu vermeiden) oder gegen das Monster zu kämpfen (was aussichtslos ist) oder es unterzuhaken und mitzunehmen. Übrigens finde ich diese ACT-Sache sehr interessant und therapiebegleitend nützlich, weniger zwanghaft als VT i.e.S.
aber irgendwie weiss ich nicht so recht wie. du hast recht, dass ich nach dem abflauen wieder ängstlich darauf schaue, dass ich wieder angst bekomme. und dann kommt sie auch wieder. ich kann nicht aufhören damit. da bin ich irgendwie stur. wenn ich die situation nicht selber unter kontrolle habe (bahn bleibt stecken, ich kann nicht aus einem raum heraus) dann kann ich das nicht einfach annehmen.Als ich mittlerweile vor einem knappen Jahr in einer psychosomatischen Klinik war, haben zwei Mitglieder der sog. Angstgruppe wegen exakt solcher Ängste eine (scheinbare) Rosskur gemacht: Sie ließen sich vom Therapeuten über eine Stunde allein in einem Raum einschließen. Zur Bewältigung der Angst sollten sie einen Notizblock und einen Stift mitnehmen, über sich selbst (nicht über ihre Angst und Symptome!) nachdenken und schreiben. Beide haben das als sehr positive Erfahrung beschrieben. Meine eigene Erfahrung ist die, dass man eine ICE-Tür z.B. auch dann nicht so einfach öffnen kann, wenn der Zug im Bahnhof steht. Und wenn er anfährt, ists sowieso vorbei. Der Moment des nichts mehr tun Könnens war für mich entscheidend, als ich das erkannt hatte, wurde ich ruhig.
meine befürchtungen sind dass sich dasselbe wiederholt wie im flieger vor einem jahr. ich hatte eine mordsmäßige panikattacke, habe hyperventiliert, sehr starke schmerzen gehabt und war wie von sinnen. ich habe geweint und war kurz davor auch zu schreien. ich finde, vor so einem erlebten kontrollverlust kann man schon angst bekommen.Klar, das ist verständlich. Aber: Es ist nichts passiert, du hast nicht (einmal) geschrien. Inzwischen weißt du, womit du es zu tun hast, was du tun kannst - u.a. in eine Tüte atmen. Und du kannst als Trockenübung mal absichtlich hyperventilieren. Dass es sich wiederholt, ist so gut wie ausgeschlossen. Wenn es sich wiederholen würde, wäre es immer noch bloß äußerst unangenehm, gefährlich wäre es nicht.
ausserdem halte ich die nähe anderer menschen in so einer situation so gut wie nicht aus. wenn ich in der bahn feststecke, ist mir diese nähe aufgezwungen. ich kann mich ihr nicht entziehen.Das ist sicher wieder etwas, das zu hinterfragen wäre. Den meisten wäre es peinlich, wenn andere etwas von der Panik merken würden. Auch das ist verständlich. Andererseits können einem andere Menschen aber auch helfen und sei es nur durch Ablenkung. Übrigens ist Angst in solchen Situationen nichts Exotisches - unwahrscheinlich, dass du in einem auch nur einigermaßen gefüllten Abteil die Einzige wärst.
was die anweisung meines therapeuten angeht, so habe ich es vielleicht nicht ganz richtig beschrieben. er meinte, ich solle nicht gleich mit der stärksten situation anfangen. wenn ich also angst vor der bahn habe, dann soll ich erstmal nur zur haltestation gehen und schauen was passiert. er meinte, ich würde mir im alltag eh schon immer zuviel zumuten und müsste lernen, dass es auch wichtig sei, auf mich acht zu geben. dass auch mal 70% statt 250% reichten.
aber es stimmt schon - er hat mir geraten, die angst nicht kommen zu lassen. vielleicht sollte ich ihn dazu nochmal genauer befragen.Ja, frag ruhig nochmal nach. Aber wenn er keinen therapeutischen Perfektionismus aufkommen lassen will, hat er m.E. Recht. Es kann ziemlich nach hinten losgehen, sich massiv unter Druck zu setzen - auch bei der Konfrontation. Meiner persönlichen Erfahrung nach ist es u.U. besser, sich die eine oder andere Vermeidung zu gestatten, als auf Biegen und Brechen funktionieren zu müssen. Das war bei mir ganz am Anfang so und hat mir erst eine Zwangsstörung und später Depressionen beschert - quasi die Art Symptomverschiebung, die dir in der Klinik angekündigt wurde. Das ergibt sich nicht zwingend aus der VT, sondern eher aus einer 08/15-Anwendung von VT. Da finde ich die Vorgehensweise der ACT sinnvoller: Die fragt nicht danach, was am meisten Angst macht, sondern was einem persönlich am wichtigsten zu können ist. Dafür ist man dann ja auch am ehesten bereit, Risiken und Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Und ein bisschen Todesverachtung braucht man schon, um sich auf die Konfrontation einzulassen.
Liebe Grüße
Christina
28.12.2009 21:10 •
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