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Unsichtbare Mauern!

Seit ungefähr 20 Jahren bin ich Erwerbsunfähigkeitsrentner, davor war ich Krankenpfleger in einem Akutkrankenhaus – Fachgebiet Unfallchirurgie und Intensivmedizin. Nach chaotischen Jahren verläuft mein Leben jetzt in etwas ruhigeren Bahnen. Mein Tag beginnt seit etwa 3 oder 4 Jahren am späten Nachmittag gegen 16.00 Uhr, manchmal auch noch später. Alltägliche Dinge in einem so kleinen Zeitfenster auf die Reihe zu bekommen, ist mit vielen Herausforderungen verbunden, aber möglich. Wenn es gar nicht anders geht, stehe ich auch schon mal früher auf, jedoch mangelt es dann häufig an der mentalen Präsenz, sprich ich bin noch nicht richtig wach, da ich in der schwarzgelben Metropole des Ruhrgebiets wohne, ist Einkaufen nicht das Problem, es gibt etliche Geschäfte, die bis 22.00 Uhr und länger geöffnet haben. Ab 18.00 Uhr sitze ich meist bei einem Türken im Restaurant und schlürfe Tee. Über die Jahre sind wir so etwas wie Freunde geworden und reden über die großen und kleinen Dinge, die so in der Welt passieren. Jedoch denkt er immer noch ich lasse meinen Tag bei ihm ausklingen, obschon, ich weiß, dass mein Tag bei ihm erst so richtig beginnt, bei ihm erlebe ich die Art von sozialer Interaktion, die für mich die Grundlage für ein Leben bildet, das mich davor bewahrt nicht vor Einsamkeit durchzudrehen. Gegen 20.00 Uhr fahre ich dann in den nächsten Penny und kaufe ein paar Lebensmittel ein, immer frisch und gesund, statt fett und rund, wie ich es mir selbst sage, die nächsten 19 Stunden verbringe ich dann in meiner Wohnung, meine Wohnung, ein Drecksloch und veritable Sünde neuzeitlicher Architektur, dreißig Quadratmeter Deutschland, ein Frustbunker wie geschaffen für den präsuizidalen Großstadtmenschen. Die folgenden Stunden verbringe ich meist vor dem Computer und sauge wie ein Schwamm jede nur erdenkliche Art Wissen in mich auf, wenn ich etwas lerne, dann ist das für mich wie Atemholen für den Geist. Der Geist und die Seele sind zwei erstaunliche „Muskeln,“ welche in der Gesellschaft viel zu wenig trainiert werden. Was über die Fernsehkanäle flimmert, ist bestenfalls audiovisueller Müll und kann auf Dauer nur zur völligen Entleerung der oberen Kopfregion führen. Es ist geradezu erschreckend, welch epidemische Ausmaße die Verblödung in der Gesellschaft bereits angenommen hat. - aber ich schweife ab. Nach einer ergiebigen Dosis Gehirnschmalz höre ich Musik, und da darf es von beinahe allem etwas sein. Ich höre gern klassische Musik, Indie, Blues, Jazz, Rock und sogar Miley Cyrus nur bei Volksmusik muss ich passen, da gehe ich lieber zum Zahnarzt. Um den Hirnwindungen mal eine Auszeit zu gönnen, spiele ich gern Computerspiele, danach lese ich oder schreib auch schon mal selbst etwas in Form von Kurzgeschichten. So ab 3.00 Uhr schau ich mir dann Filme an. Meist suche ich mir irgendetwas im Internet aus, wie Sci-Fi-Fantasy oder eine gute Serie (House of Cards, The Walking Dead). Auch gegen ein wenig Action oder eine gute Komödie ist nichts einzuwenden. - Ästhetische ero. finde ich schön anzusehen, okay ich bin keine zwanzig mehr, aber Tod bin ich noch nicht! Wenn die Morgendämmerung einsetzt, lege ich mich schlafen. Der Morgen hat etwas Beruhigendes, während ich nachts nie Ruhe finde und mich getrieben fühle. - So sieht mein Leben aus! - wenn es funktioniert, wenn ich funktioniere, aber bin ich glücklich? Nein! Ich betrachte die Welt aus einer winzig kleinen Perspektive, dem kleinen Fenster meiner Dreckswohnung oder durch das Rechteck meines Computermonitors. Seit meiner ersten Panikattacke im Alter von 19 Jahren bis heute ist meine Welt kontinuierlich kleiner geworden, nun weiß ich mich auf 2 Quadratkilometer eingesperrt durch die unsichtbaren Mauern meiner Angst. Entferne ich mich zu weit von meiner Wohnung, kriecht Todesangst langsam von innen an meinem Brustbein hoch, bis sie ganz von mir besitz ergreift und ich wieder umkehren muss. Das letzte Mal habe ich aus eigner Kraft meinen Ortsteil vor, ich weiß nicht . . . 1997 verlassen. In all den Jahren hat mich nichts aus dieser Umklammerung der Angst herausgeholt. Wisst Ihr, das mit dem Wissen, ist so eine Sache! Denn Unwissenheit kann auch ein Segen sein, denn wäre ich dumm, dann würde ich mir bezüglich meiner Zukunft vielleicht noch Hoffnung machen, dass vielleicht irgendwann eine Psychopille tatsächlich mal gegen irgendetwas hilft oder eine wunderschöne Frau mich mit ihrer Liebe aus meinem Gefängnis der Angst befreit, aber ich weiß, das wird nicht passieren, und so geht es immer weiter im Strom der Lemminge.

05.04.2014 23:32 • 13.04.2014 #1


11 Antworten ↓


hey du!

deine zeilen spiegeln eine sehr intellektuelle, einsame Person wieder..

wie alt bist du? und wie lang sieht dein alltag schon so aus? hast du Familie?

bist du in Therapie?

glg

A


Unsichtbare Mauern

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Hallo Romedius,
auch wenn es verrückt klingt, so ein Stück davon könnte ich zur Zeit gebrauchen. Nicht raus müßen, für niemand anderen Verantwortung haben, mich nicht im viel zu hellen Tageslicht bewegen, mich vor der Welt verstecken.

Ich vermute, die 20 Jahre Erwerbsunfähigkeit sind der Angsterkrankung geschuldet?

Wenn ja, bist Du denn in diesen Jahren nicht ein Stück weiter in der Erkenntnis gekommen, woran es liegen könnte, dass Du solche Ängste hast?

Und wenn auch hier ja, was bislang dafür unternommen?

Wenn nein, warum nicht?

Gibt es denn eine Historie an Therapieversuchen? Wahrscheinlich ja und eine lange, oder?

Ja, Du vermutest richtig! Jedoch, wenn ich weiß, woran es gelegen hat, das ich beispielsweise einen Arm verloren habe, bedeutet das noch nicht zwangsläufig, das mir dies auch hilft, mit dem Verlust dieses Körperteiles dauerhaft umzugehen. Bis lang habe ich alle konventionellen Therapien absolviert, etliche auch mehr als einmal. Wenn man wie ich nicht wirklich vorankommt, sinken auch die Ansprüche und man setzt seine Hoffnung auch in zweifelhafte Therapieansätze. Auch eher unkonventionelle Wege bin ich deshalb gegangen aber bisher ohne Erfolg. Es gibt noch einen interessanten Therapieansatz, welchen ich in der nächsten Zeit noch erproben möchte, dabei handelt es sich um das sogenannte TEK-Training zur Steigerung der emotionalen Kompetenz, bei Interesse einfach mal googeln. Am pharmakologischen Horizont zeichnet sich leider weit und breit kein innovatives Konzept ab. Zurzeit gibt es keine adäquate medikamentöse Therapie die Panikattacken verhindert oder stoppt, das meiste ist nur Murks. Vor Kurzem hat sich dazu Prof. Dr. Holsboer vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München in den Medien geäußert und herausgestellt, dass die Pharmaindustrie die Entwicklung neuer vielversprechender Wirkstoffe bewusst behindert, indem sie dringend benötigte Forschungsgelder zurückhält, weil man beabsichtigt mit den Patenten auf längst veraltete und weitestgehend unbrauchbare Antidepressiva und ähnlicher Medikamente erst noch ordentlich Kasse zu machen. Die Hoffnung gebe ich jedoch nicht auf, denn was in einer Studie zur Volksgesundheit bereits in den Neunzigern prognostiziert wurde nämlich, das Angsterkrankungen- und Depressionen im Jahre 2020 die zwei häufigsten Erkrankungen weltweit sein werden, zeichnet sich jetzt bereits ab. Und da sich eine kapitalorientierte Volkswirtschaft wie die unsere sich den dadurch entstehenden Schaden nur schwerlich wird leisten können, bin ich guter Hoffnung, dass zukünftige Generationen von wesentlich besseren Medikamenten, mit erheblich wenigeren Nebenwirkungen, werden profitieren können. Ich halte zu einigen Langzeit-angsterkrankten Kontakt, was sich jedoch im Alltag als ziemlich schwierig erweist, da immer häufiger Personen nach jahrzehntelanger Krankheit den Suizid für sich präferieren. Wie immer geht es letztlich ums liebe Geld, das bekanntlich nur nach oben fließt, so kommt für manche eben buchstäblich jede Hilfe zu spät.

Gruß Rom

wirklich schön zu lesen, eine feine weise wortwahl....sag mal ehrlich, worauf wartest du eigentlich ? wie groß ist dein ortsteil ? tut mir leid, aber die worte klingen nach aufgegeben...sorry ich lese wir haben das selbe problem...aber ich bin draußen, qäule mich lieber...so wie du will ich nicht leben...und du genau so wenig....ich habe es nach 5 jahren geschafft, wie bei jedem mit rückschlägen...ich bin zwar immer noch nicht gesund, habe aber eine freundin und eine hand voll freunde....nicht mehr oder weniger, aber mehr als manch gesunder in dieser welt hat. alles erkämpft....kämpfen...kämpfen....kämpfen...lieber mühsam, als leblos...und jeder centimeter wird dich glücklich machen....jedes lächeln wird dich glücklich machen...einfach alles, wenn du den pc ausschaltest, die bücher zu machst.

Hallo ReTaro!
Schön, dass du nach 5 Jahren wieder in einem lebenswerten Leben angekommen bist, jedoch lässt sich die eigene Geschichte und Erfahrung nicht so ohne Weiteres auf ein anderes übertragen. Das, was Du an Emotionen aus meinen Beiträgen herausliest, kann auch täuschen, denn sie bilden immer nur eine Momentaufnahme ab. Aufgeben ist eigentlich ganz und gar nicht meine Sache, schließlich bin ich immer noch da. Ich sitze jetzt nicht den ganzen Tag vor meinem Computer und tue mir leid, jedoch geht es auch in Ordnung, wenn man nach 33 Jahren Angsterkrankung auch mal etwas durchhängt. Von den 33 Jahren habe ich zusammengenommen mehr als 5 Jahre in psychiatrischen Einrichtungen verbracht und noch mal 2 Jahre in einem Wohnheim für psychisch kranke Erwachsene. Mit beinahe übermenschlichem Willen habe ich mich wieder in ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zurückgekämpft. Du siehst, es ist nicht so ganz einfach, mit wenigen Worten einem Ausstehenden einen umfassenden Eindruck zur eigenen Lebenswirklichkeit zu vermitteln. Was das Lächeln anbelangt, stimme ich Dir unbedingt zu, ein freundliches Lächeln kann Dich durch einen ganzen Tag tragen. Ich freue mich für Dich, dass du eine Freundin hast und hoffe für Dich, dass Dir das Glück noch möglichst lange gewogen bleibt.

Liebe Grüße Rom

ohh man, wie ich lesen kann, bist du in die mühle falscher hilfe geraten...also es ist meine meinung....ich habe mich nie in dieses system von psychiatrie und staatlicher hilfen begeben. vor allem ist man nicht erwerbsgemindert mit einer angsterkrankung. so hat man es bei mir gesehen. meine erwerbsminderungsrente wurde abgelehnt. zum glück. so konnte ich eine umschulung machen und weiter am leben teilnehmen. mein therapiekonzept war auch etwas anders. ich bin zum glück gleich von einem speziallisten behandelt worden, ein sehr erfahrender psychologe. er ist traumatherapeut. der hat sich um die wurzel allen übels gekümmert. genial. die meisten probleme habe ich heute noch wegen der arbeitsbelastung. stress mag ich gar nicht...aber panik ? 0 - keine mehr...und angst ? auch nicht mehr. is weg...boah ich hoffe das bleibt so....aber du hast auch recht, momentaufnahme...lg

Wie ist denn Deine Auffassung von Therapie?

Meiner Meinung nach ist der Ansatz, dass eine etwaige Therapie (welche auch immer) den Zustand VORHER wieder herstellt, ziemlich unrealistisch.

Ich glaube, sie hilft und sie kann den betroffenen Menschen schneller wieder ins Gleichgewicht bringen, in dem Wissen und Techniken vermittelt werden, die dieses erlauben.

Zudem erlaubt sie eine Reise in die Selbsterkenntnis, die nach meiner bisherigen Lebenserfahrung sicher einen großen Teil der Bevölkerung gut tun würde, selbst wenn sie keine bzw. NOCH keine psychischen Beschwerden haben.

Unrealistisch ist zu glauben, das durch den eigenen Wandel sich etwas an den Bedingungen in der Gesellschaft ändert. Man sollte es annehmen, das es Sachen gibt die nicht in unserer Kontrolle sind, außer man selbst. Der Zustand vorher ? Was soll das ? Soll ich jetzt im Wald leben, nicht mehr Arbeiten gehen ? Ich kann mir die Welt nicht machen wie ich sie will. Und mein Therapeut hilft mir auch, mich von Pillen und Psyeudo Heilern fernzuhalten. Und selbst die Selbsterkenntnis wird dich nicht vor den normalen Bedingungen in dieser Welt schützen. Ich persönlich fühle mich wohl damit, das ich es annehmen kann, diese Welt wie sie ist...und das wichtige ist, ich habe meine Bedürfnisse angenommen....das ist unsere Natur.

Zitat von ReTaro:
Und selbst die Selbsterkenntnis wird dich nicht vor den normalen Bedingungen in dieser Welt schützen.

Vor den Bedingungen vielleicht nicht, aber vom eigenen Umgang damit.

Und genau das meinte ich mit Therapie, die dieses ermöglicht. Sich ggf. schneller wieder ins Gleichgewicht zu bringen, weil die äußeren Bedingungen subjektiv so schlecht (?) sind, dass sie eben zu einem Ungleichgewicht führen.

Therapie selber wird die Welt, wie Du sie nennst, nicht besser machen. Da gebe ich Dir völlig Recht.

Nur glaube ich, dass Therapie dafür sorgt, MEHR über sich selber zu erfahren und überhaupt die Möglichkeit eröffnet, selber zu wissen, was man möchte, was man braucht, ...und sich damit genau das Leben zu schaffen, was man gerne leben möchte und eben nicht das Leben leben zu müssen, was andere einem vorgeben bzw. vorgegeben haben (z.B. die Eltern, die Gesellschaft, die Ehefrau, der Arbeitgeber, ...).

Das ist doch Richtig was du schreibst. Aber ich denke selbst dann, kann man nicht immer das Leben haben was man möchte. Es gibt nun mal Umstände die das Verhindern können. Man kann sich diesen auch entziehen. Das Beständige an unserem Leben ist der Wandel. Das muss man so nehmen. Niemand gibt einen Bewusst etwas vor, wie man zu Leben hat...man hat es erlernt...erlerntes Verhalten. Ich denke das der WEG zu sich selbst ein Lebenslanger Prozess ist. Ich war nie wie mein Vater, war nie an die Gesellschaft angepasst, mir wurde nichts vorgegeben. Leider. Ein bisschen Führung hätte ich in der Kindheit schon gebraucht. Niemand war da. Ich habe ehr das Problem, das ich zu sehr alles Aufnehme. Ich weiß zu viel....ich will wieder zurück zu mir...ich war schon einmal Ich...

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Dr. Reinhard Pichler
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