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Hallo!
Ich hab hier schon öfter mal geschrieben, fasse nur schnell meinen psychischen „Werdegang“ zusammen:
Vor 1,5 Jahren überfielen mich Schwindelattacken, die immer schlimmer wurden und sich zu einem Dauerschwindel ausreiften. Es folgten Panikattacken, Todesängste, viele Arztbesuche, schlussendlich die Diagnose psychosomatische Erkrankung und ein halbes Jahr Krankenstand.
Nach der Einnahme von Xanor und Duloxetin ging es stetig bergauf - ich war wieder gesellschaftsfähig, konnte wieder arbeiten gehen, habe das Xanor abgesetzt und das Duloxetin auf 60 mg reduziert.
Die Phasen des Wohlfühlens wurden immer mehr und länger, Rückschläge hatte ich anfangs gut im Griff. Doch in letzter Zeit häufen sie sich wieder und sind immer intensiv. Im Moment plagen mich wieder Schwindel und starker Verspannungskopfschmerz und ich bin überzeugt, dass ich da nie rauskommen werde.
Meine Freundin ist ein Engel, hilft und leidet mit mir. Nur sagt sie, ich solle zu einem Psychologen gehen. Ich war mittlerweile aber schon bei drei, habe aber jeweils nach ein paar Sitzungen abgebrochen, weil ich das Gefühl habe, sie können mir nicht helfen und es ist verbranntes Geld. Auch, weil ich nach wie vor der Meinung bin, dass meine Leiden nichts mit der Psyche zu tun haben. Weil sie auch wie aus dem Nichts auftauchen, wenn es mir psychisch gut geht und ich glücklich und zufrieden bin.
Jetzt meine Frage: Habt ihr irgendwelche Ratschläge für mich, wie ich mich aus diesem Teufelskreis befreien kann?
Freu mich über Antworten!
Lg Alex

22.08.2023 14:40 • 23.08.2023 #1


19 Antworten ↓


Zitat von Alex1972:
Jetzt meine Frage: Habt ihr irgendwelche Ratschläge für mich, wie ich mich aus diesem Teufelskreis befreien kann?

Ja, nämlich folgendes:

Zitat von Alex1972:
Ich war mittlerweile aber schon bei drei, habe aber jeweils nach ein paar Sitzungen abgebrochen, weil ich das Gefühl habe, sie können mir nicht helfen und es ist verbranntes Geld. Auch, weil ich nach wie vor der Meinung bin, dass meine Leiden nichts mit der Psyche zu tun haben. Weil sie auch wie aus dem Nichts auftauchen, wenn es mir psychisch gut geht und ich glücklich und zufrieden bin.


Gerade Dinge die wie aus dem Nichts auftauchen und ohne organischem Befund sind häufig psychosomatischer Natur und dementsprechend durch die Psyche beeinflusst. Den Fehler machen viele Menschen das nicht ernst genug zu nehmen. Es geht hier in dem Fall nicht um eine körperliche Ursache sondern warum du dich ohne erkennbaren Grund schlecht und krank fühlst. Und um das herauszufinden und zu lösen, ist es notwendig, dass du verstehen lernst, Welche Auswirkungen Emotionen, Denkmuster und Verhaltensweisen auf das Körperbefinden haben.

Psychotherapeuten sind nicht dafür da dir dein Leiden zu nehmen, denn das kann niemand. Sie sollen dafür sorgen, dass du dich mit deinem Denken, deiner Bewertung von Empfindungen und den daraus geschlossenen Konsequenzen beschäftigst. Sie sind dafür da, dir etwas aus einer anderen Perspektive zu zeigen und dich darauf zu stoßen. Durch neue Impulse strukturierst du dein Denken um. Je länger man sich in so einem schadhaften Denkmuster befindet, desto schwerer ist es rationale Schlüsse aus etwas zu ziehen. Jede negative Erfahrung bestätigt dir das etwas nicht mit dir stimmt und ein Arzt sich das anschauen muss. Und du hörst nach jeder Untersuchung das gleiche: Wir finden bei Ihnen nichts. Sie sind kerngesund. Was ist, wenn ich dir sage, dass du es soweit treiben kannst, dass negative Empfindungen sich irgendwann verselbstständigen? Was hier geschieht ist ganz einfach gesagt die Folge eines Lernprozesses, nur hast du etwas gelernt was du eigentlich nicht wolltest. Dein Hirn kennt deine Art zu denken irgendwann und diese Denkprozesse verselbstständigen sich, ohne dass du aktiv noch etwas tun musst. Der berühmte Teufelskreis.

Das resultiert am Ende meistens in der resignierenden Aussage: Ich weiß nicht was mit mir los ist, mir gehts doch eigentlich gut und plötzlich fühle ich mich schlecht.

Also, ich rate dir es noch einmal mit einer Psychotherapie zu versuchen. Wie gesagt, es geht nicht darum was der Therapeut macht sondern was du machst. Auch wenn dir Dinge zunächst sinnlos erscheinen, sind sie doch wichtig um mit der Zeit verstehen zu lernen was mit dir los ist und wo du anpacken kannst um die nötigen Veränderungen bei dir vorzunehmen. Das lässt sich nicht in ein paar Sitzungen erörtern sondern erfordert Zeit. Ein Antibiotikum setzt man auch nicht nach der Hälfte der Zeit ab und provoziert damit einen Rückfal, nur weil man sich nach zwei oder drei Tagen bereits besser fühlt.

A


Steh ich mir wirklich selbst im Weg?

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@Vendetta1981 vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Du schreibst das, was ich eigentlich nicht lesen wollte aber du hast wohl recht!
Es ist nur so schwer zu verstehen, weil mich die miesen Phasen eben auch überfallen, wenn ich mich gerade pudelwohl fühle.
Aber ja, negative Gedanken und die stetige Angst vor schweren Krankheiten verfolgen mich schon mein halbes Leben lang und haben sich mittlerweile wohl zu einem von alleine unauflösbarem Knoten verstrickt
Welchen Psychologen empfiehlst du mir? Verhaltentherapeuten?

Manches schlummert in einem, blubbert erstmal (mitunter jahrelang) unbemerkt vor sich...wie bei einem Vulkan.
Hin und wieder qualmt und raucht er mal...und dann bricht er plötzlich aus und spuckt Lava.
Naturkatastrophen kündigen sich auch nicht immer an, psychische Katastrophen auch nicht.
Auf einmal sind sie da...die Symptome.

Zitat von Alex1972:
die stetige Angst vor schweren Krankheiten verfolgen mich schon mein halbes Leben lang

Dann hast du vielleicht Hypochondrie.
https://www.netdoktor.de/krankheiten/hypochondrie/

Zitat von Alex1972:
Weil sie auch wie aus dem Nichts auftauchen, wenn es mir psychisch gut geht und ich glücklich und zufrieden bin

Das klingt nach endogener Depression, begleitet von den entsprechenden, körperlichen Signalen, die du beschrieben hast. Die Angst vor Krankheiten ist eindeutig dem hypochondrischen Formenkreis zuzuschreiben. Diese Gedanken erzeugen soviel Stress, daß du ebenso davon die körperlichen Symptome bekommen kannst.

Du scheinst auch den psychischen Anteil deiner psychosomatischen Erkrankung zu verdrängen oder zu verschieben und deshalb auch keine Hilfe von dieser Seite annehmen zu wollen, aus Angst mit den tieferen Ursachen dafür konfrontiert zu werden.

@Windy Da hast du sicher recht. Nur bin ich ein „verdrehter“ Hypochonder - denn ich geh erst dann zum Arzt, wenn es die allerletzte Option ist

Kann ich dem auch mit Medikamenten Herr werden?

Oh....du suchst den bequemen Weg?
Psychopharmaka können sicher helfen oder unterstützen. Leider haben sie meist auch Nebenwirkungen...
Nimmst du aktuell den nichts? Die 60mg Duloxetin nimmst du nicht mehr?
Sprich mit dem Doc, ob du mit der Dosierung wieder raufgehen darfst, solltest...

Zitat von Alex1972:
Kann ich dem auch mit Medikamenten Herr werden?

Medikamente sind eher als stütze anzusehen. Angenommen, du nimmst sie ne Zeitlang, es geht dir besser und du setzt sie ab , wirst du wahrscheinlich einen Rückfall erleiden, weil du dein Denkmuster nicht geändert hast . Das geht zb in einer Therapie. Medis dienen bei Angststörungen oder hypochondrie in erster Linie als Unterstützung.

Ich nehm noch die 60 mg Duloxetin, hab aber das Gefühl, die sind für die Fisch! Wirklich geholfen hat das Xanor, aber das will ich nicht mehr nehmen …

Finde es übrigens voll lieb, wie ihr alle auf mein Problem eingeht. Danke!

Zitat von Alex1972:
Vor 1,5 Jahren überfielen mich Schwindelattacken, die immer schlimmer wurden und sich zu einem Dauerschwindel ausreiften. Es folgten Panikattacken, Todesängste, viele Arztbesuche, schlussendlich die Diagnose psychosomatische Erkrankung

Das ist quasi meine Geschichte! 1:1 sogar vom zeitlichen her.
Also bei mir war es so: bei einer bestimmten Kopfbewegung bekam ich plötzlich heftigsten Drehschwindel. Das erste Mal ging das 5 Min. und ich dachte ok, was war das denn jetzt?. Dann 2 Wochen später habe ich geniest und urplötzlich heftiger Drehschwindel und Übelkeit. Ich konnte nicht geradeaus gehen. Das ging eine halbe Stunde und ich bekam extreme Angst und Panik. Ich ging zum HNO und der untersuchte mich (alle möglichen Tests, kalte Luft ins Ohr, warme Luft, EEG etc.). Ergebnis: ohne Befund. Die Schwindelattacken kamen alle paar Wochen, es entwickelte sich ein Dauerachwindel.
Erst nach einem (!) Jahr hatte der Neurologe die Ursache gefunden: gutartiger Lagerungsschwindel. Er erklärte mir, dass bei spätestens der zweiten Attacke das Gehirn in den Alarm-Modus ginge und sich dann auch bei fast allen Patienten ein phobischer Schwankschwindel entwickle (= psychogen). Das Gehirn gleicht dann eben zu viel ab und traut dem Gleichgewichtsinn nicht.
Ich hatte da schon eine saftige Angststörung entwickelt, sodass ich den Schwindel und die Panik nicht in den Griff bekam.

Bis heute ist viel passiert. Ich mache eine Therapie. Der Dauerachwindel ist inzwischen weg.

Deine Story erinnert mich sehr an meine. Wie gesagt, wenn der Schwindel aus dem nichts kam, ist es höchstwahrscheinlich gutartiger Lagerungsschwindel (kleine Steinchen im Gehörgang, die werden i. d. R. vom Körper abgebaut).
Und daraus hat sich vermutlich deine Angststörung und der Dauerschwindel entwickelt.

EDIT: von deinem Jahrgang her würde es medizinisch passen. Auch der Tinnitus. Ich hatte in der Zeit auf dem rechten Ohr einen pulssynchronen Tinnitus. Also ein Blutrauschen im Ohr. Das hielt auch ein Jahr und verschwand, als der Lagerungsschwindel ausheilte.

Mein Problem beim Schwindel ist, dass ich ihn weder als Dreh-, noch als Schwankschwindel bezeichnen würde. Es sind viel mehr so kurze Aussetzer, die sich mit der dadurch ausgelösten Angst verstärken. Zudem passiert es an manchen Tagen, dass gewisse Kopfbewegungen eine Art kurzen Stromschlag auslösen. Ich vermute dahinter einen eingeklemmten Nerv - sollte es laut MR aber nicht geben
Und der Tinnitus ist bei mir ein verlässlicher Ankünder: wird er intensiver, dauert es nicht lange, bis Schwindel und Kopfschmerzen da sind …

@Alex1972 Diese kurzen Aussetzer hatte ich auch. Bei mir war es so, als wäre eine Millisekunde die Datenleitung unterbrochen bzw. so eine Art kurzer Bewusstseinsverlust.
Ich dachte auch zunächst an HWS, da bei mir zwischen C4 und C5 ein Verschleiß der Bandscheibe im MRT zu sehen war und ich oft HWS-Probleme habe. Also die Bandscheibe drückt gegen das Rückenmark. Allerdings sagte der Neuro, dass das davon nicht kommen kann. Da hätte man andere Beschwerden. Heute habe ich auch noch immer so kurze Orientierungsprobleme, wenn ich z. B. den Kopf senke und dann wieder nach oben schaue.

@herrAngsthase Welche Therapie machst du, wenn ich fragen darf?

Nochmals wegen des Schwindels:

Ich arbeite in der HNO und Patienten mit Schwindel gibt es viele.

Wenn man weiss, dass in und um die Halswirbelsäule ganz viele Adern und Arterien verlaufen, kann es absolut normal sein, dass bei bestimmten Kopfbewegungen kurzfristig diese abgeklemmt werden, und dadurch kommt es zu den Schwindelanfällen.

Schwindel ist aber so beschissen, sorry, dass jeder Mensch früher oder später Angst bekommt.

So, jetzt hat man Angst, verknüpft die mit Schwindel und jetzt steckt man mitten drin, da Angst nochmals alles intensiviert und kein Arzt einem diese Zusammenhänge erklärt.

Letztendlich ist der Befund pillepalle, leider macht der aber dermassen unsicher und ängstigt, dass man jetzt an einer Angsterkrankung leidet.

Ich weiss nimmer, ob man aus dem Inet Befunde reinstellen darf, aber man kann selbst gogglen, nur nach Venen und Arterien der HWS suchen.

Wenn man das mal sieht, ist es logisch, dass, wird hier mal was abgeklemmt, dann muss einem komisch und schwindlig werden.
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@Icefalki ja, es ist ein wahrer Teufelskreis. Ich hatte mal einen Bandscheibenvorfall an der HWS, habe zudem intensiv am Handy gespielt und sitze berufsbedingt täglich acht Stunden am Computer. Ideale Voraussetzung zur Züchtung eines desolaten Nackens, der dann eben irgendwann Schwindel auslöst.
Und weil ich mit Krankheiten prinzipiell schwer umgehen kann, ist der psychische Salat schnell angerichtet gewesen
Aber ich mag das jetzt nicht mehr!
Bin jetzt 51 und will mich nicht meine verbleibenden Jahre durchs Leben drehen

Zitat von Alex1972:
Aber ich mag das jetzt nicht mehr!


Es wird besser, wenn du die Zusammenhänge wirklich für dich akzeptierst. Alleine beim Wort Bandscheibenvorfall der HWS, hätten mein Chef und ich uns wissend zugenickt, er hätte sofort dort getastet und alles wäre klar.

Wir behandeln das mit Akupunktur und definitiv mit Erfolg. Vielleicht auch mal in dieser Richtung schauen?

Zitat von Alex1972:
@herrAngsthase Welche Therapie machst du, wenn ich fragen darf?

Verhaltenstherapie

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Dr. Christina Wiesemann
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