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Hi,

ich möchte euch mutmachen… ich werde 27 Jahre alt und habe seit meinem 18. Lebensjahr Panikattacken. Bis zu diesem Zeitpunkt ging es mir sehr gut. Ich hab ein Gymnasium besucht, hatte einen Notendurchschnitt im oberen Drittel, war erfolgreicher Sportler. Die folgenden Lebensabschnitte schreibe ich etwas abgekürzt im Telegrammstil - ich hoffe es ist trotzdem lesbar.

Am Anfang waren es nur Dissoziationen und Herzrasen, die sich im Laufe von 2-3 Jahren zu einer handfesten Agoraphobie entwickelten. Kurz vor dem Abitur konnte ich nicht mehr zu den Klausuren und musste mich vom Unterricht abmelden.

Freunde entfernten sich, eine 3 jährige Beziehung zerbrach und ich sackte ab, verlor meinen Aushilfsjob und bekam Sozialhilfe. Von da an kam öfters mal der Notarzt, wenn ich hyperventilierend und verkrampft in meiner kleinen Wohnung lag. Viele Nächte habe ich nicht geschlafen, aus Angst nicht mehr wach zu werden. Vernichtungsgefühle, Todesangst, Derealisation.

Irgendwann wurde das dann psychosomatisch. 15kg zugenommen, Gastritis, Bluthochdruck, Tinnitus – das volle Programm. 2 Jahre Gesprächstherapie, phasenweise Antidepressiva und viel B. und Vodka im Wechsel, um alles zu betäuben. Mit 24 praktisch am Ende. Ich wollte nicht mehr.

Mittlerweile war ich zwar aus der Sozialhilfe heraus, weil ich autodidaktisch (ich hatte ja Zeit) ein bißchen Programmieren gelernt hatte, die ich in Heimarbeit zu Geld machen konnte. Am Leben teilgenommen habe ich jedoch nicht. Ich war nur in den eigenen 4 Wänden auf weniger als 40qm.

Ein besorgter Schulfreund kam irgendwann einmal zu Besuch – am Telefon konnte ich ihn ja immer gut anlügen, dass es mir gut ginge: „Du musst raus hier, sonst wirst Du hier ewig bleiben und verkümmern“. Es folgten ein paar Wochen Konfrontationstherapie – er setze mich ins Auto und wir fuhren durch eine Großstadt. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich nur alle 30 Tage (zum Geldholen) für 20 Minuten das Haus verlassen.

Leben regte sich wieder – mein Käfig wurde ein wenig größer. Ich fasste den Entschluß, zu studieren. Machte ein Jahrespraktikum bei einem befreundeten Betrieb (der mir das gemäß meiner Angststörung ermöglichte) und schrieb mich an einer Fachhochschule ein.

Durch ausgeklügelte Strategie schaffte ich es an guten Tagen zur FH. Manchmal ging es aber auch nicht, sodass ich beim Gang zum Briefkasten praktisch zusammengebrochen bin. Schwindel, Hyperventilation. Ihr kennt das ja.

Dann lernte ich durch Zufall meine jetzige Freundin kennen. Die Wende. Ich wollte nicht schwach sein, riss mich zusammen und spielte im Anfang den starken Mann. Besuche im Zoo und Kino waren möglich - danach fühlte ich mich jedoch immer lange Zeit dumpf, ausgelaugt, traumatisiert. Ein normales Leben vorzuspielen funktionierte nicht.

Wir sprachen über meine Angst. Das erste Mal, als ich wieder in die Notaufnahme musste, weil ich dachte, dass ich sterbe. Dort schickte man mich aber schnell wieder nach hause. Auf dem Nachhauseweg dann die ganze Wahrheit. Sie hatte Verständnis - sie liebte mich. Ich war der glücklichste Mensch der Welt.

Wir nahmen uns eine gemeinsame Wohnung, von Tag zu Tag ging es aufwärts. Ich ging wieder einkaufen, in Möbelhäuser – wir machten es uns richtig schön. Mein erster Studienabschluß war in der Tasche – ich machte mich selbstständig – verdiente richtig gut Geld. Zwar immer noch von zuhause aus, aber nicht mehr, weil es nicht anders gegangen wäre.

Wir machten einen Motorradführerschein – fuhren an die Nordsee. Machten Touren. Ging durchs Grüne.

Dann starb ihr Vater. Kurz darauf an geliebter Verwandter. Dann ein Freund. Das war zuviel für mich. Mit dem Tod konfrontiert. Die Panikattacken kamen in voller Heftigkeit zurück. Manchmal keinen Schritt mehr vor die Tür. Und wenn, dann nur unter heftigsten Reaktionen. Ich verfiel in Lethargie. Die Beziehung bröckelte. Wieder starke Symptome, Gastritis, Tinnitus, Ohnmachtsanfälle, Erbrechen, Schlaflosigkeiten – manchmal an Wahn grenzende Gedanken.

Erinnerungen an die guten Jahren – auf zum zweiten Versuch. Das bißchen Kraft nehmen, was noch da war. Eine Therapie beginnen. Angerufen, Dank der PKV direkt eine Woche später einen Termin bekommen. 4 Sitzungen. Hypnose. Hab ich nicht dran geglaubt. Wurde aber eines besseren belehrt. Das ist jetzt 6 Wochen her. Ich kann es immer noch nicht glauben – aber ich habe die Angst vergessen. Ich weiß nicht mehr, wie sich diese anfühlt. Es ist ein seltsames Gefühl.
Ich verlasse das Haus und es fühlt sich an, als habe man etwas wichtiges, vertrautes vergessen. Dabei ist es die Angst, die einen nicht mehr begeleitet. Abends dann – wenn ich überlege, was ich alles geschafft habe – dann bekomme ich ein paar körperliche Reaktionen. Wie Reizüberflutungen. Ich muß lernen, das Leben wieder langsam anzunehmen. Die Orientierung in einer Welt ohne Angst ist so schwer – die Grenzen scheinen verwischt, teilweise nicht mehr existent.

Ende des Jahres möchte ich ihr einen Antrag machen. Die Hochzeitsreise soll nach Südafrika gehen. Angst habe ich davor keine. Ich freue mich.

Von daher möchte ich allen, die denken, am Ende zu sein, sagen: Es geht weiter. Gebt nicht auf.

21.08.2009 15:27 • 28.09.2009 #1


8 Antworten ↓


Hallo!
Das hört sich alles sooo toll an.Und meinst du jetzt das dir die Hypnose geholfen hat?
Wenn es das ist würd ich das auch machen aber ich glaub ich hab sogar davor Angst
LG nini

A


Seit 9 Jahren Panikattacken - Heilung (fast) geschafft

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Ja, so sind wir Paniker halt. Ich hatte auch so heftige Angst vor der Hypnose – von wegen Kontrollverlust oder gar Angst, nie wieder wach zu werden und in einer Art Dämmerzustand bis an mein Lebensende dahinzuvegetieren.
Während der Hypnose passiert aber nichts, was man nicht will. Man denkt sich sogar, dass man jetzt einfach aufstehen und rausspazieren könnten, wen man will. Man will aber nicht. Dafür fühlt man sich einfach zu wohl. Das Gefühl bei der Einleitung ist so zu beschreiben, wie das Hören eines Hörbuchs abends vorm Einschlafen. Man döst so ganz langsam weg, kriegt irgendwie noch alles mit – kann es aber nicht lückenlos nacherzählen, wenn man müsste. Bei mir hat eine Sitzung ca. 45 Minuten gedauert – mir war danach immer sehr kalt, ich konnte kaum sprechen, hatte einen trockenen Mund – war aber zufrieden und wohlig.

Ich bin mir nicht sicher, inwiefern sich meine Erlebnisse usw. gegenseitig auf meinen Heilungserfolg auswirken – ich kann aber sicher von mir behaupt, dass die Hypnose es effektiv und hochwirksam geschafft hat, diesen Panikmechanismus loszukoppeln. Ich komme täglich in Situationen, wo ich denke, dass es doch jetzt gleich eigentlich losgehen müsste (z.B. gestern – verdammt heisser Tag, nachts nicht geschlafen, Hunger – überfüllter Supermarkt, lange Schlange an der Kasse, stickige Luft) – das einzige, was dann aber passiert, ist, dass sich eher Langeweile einstellt. Man möchte halt raus aus dem Supermarkt – aber nicht fliehen, sondern einfach, weil es warm und stickig ist. Sowie es jedem normalen Menschen auch gehen würde.
Stell Dir vor, dass einfach dieser Panikmechanismus von Deinem Körper abgekoppelt ist. Um es ganz drastisch und übertrieben darzustellen: Stell Dir die Panik als einen Fön vor, den man in die Badewanne wirft. Nur, dass kein Stecker mehr steckt.

Ach ja,das will ich auch.Wie kann man denn einen guten Hypnotiseur finden? Was auch in seiner Gegend ist!

Wo kommst Du denn her? Schick mir doch mal eine PN.

Hallo,

das hört sich ja nach Werbung für Hypnose an

Ich will auch schon seit mindestens nem halben Jahr ne Hypnosetherapie machen, aber irgendwie haben die Ärzte bei mir in der Gegeng keine Termine frei.

Für die Suche in Weltfallen-Lippe kann ich http://www.kvwl.de/patient/beratung/the ... /index.htm empfehlen, die haben da so Liste für bestimmte Regionen und gewünschte Gebiete. Ansonsten ist die Krankenkassen auch eine guten Anlaufstelle. Wenn man nicht persönlich hin kann, haben viele die nötigen Infos online oder man ruft da einfach an.

Ich hoffe ich darf auch bald zu den Hypnose-Geheilten zählen.

MfG ichnicht

Ich möchte mal ein Update geben. Nach wie vor habe ich keine einzige Panikattacke mehr bekommen – aber: scheinbar sucht sich die Psyche nun andere Ventile (div. psychosomatische Störungen), wenn man nicht sehr vorsichtig mit der neuen Freiheit umgeht und zuviel auf einmal will. Ich werde für mich nun überprüfen, ob ich die Hypnoseerfolge vielleicht nicht als „Freikarte für den direkten Einstieg ins bunte Leben“ nehme, sondern als Hilfe, in Ruhe einen guten Weg zu finden. Denn ich muß ehrlich zugeben: die Panikattacken sind weg – aber richtig gut geht es mir nicht.

Hallo,

das klingt so toll, voielen Dank das du das hier einschreibst!

Das gibt Mut!

Und mal wieder ein Update…

Ich habe die erste Woche Fachhochschule hinter mir. Überfüllte Vorlesungssäale und Klassenzimmer (Übungen, Praktikum) waren auch kein Problem. Das größte Problem waren immer die ersten 5 Minuten, wenn die Tür geschlossen war. Dann galt es: Gedankendisziplin, dem Professor zuhören, die Leute anschauen – nicht in Panik ausbrechen oder den Raum verlassen. Nach 2 Tagen hat es sogar Spaß gemacht. Aber auch hier… die erste Woche vollständig mitzunehmen, war schon sehr viel für den Anfang, sodass ich heute zuhause geblieben bin, weil ich total ausgelauft bin.
Ich schalte jetzt ein bißchen zurück und nehme erstmal die Hälfte aller Veranstaltungen mit. Das wichtigste ist, dass ich mich an den kleinen Erfolgen erfreue. Nämlich, dass ich wieder studieren kann. Das hatte ich mir ja nicht mehr zugetraut.





Dr. Hans Morschitzky
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