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Hallo ihr lieben,

ich lese hier seit einer ganzen Weile still mit und konnte hier schon oft trost und gute Ratschläge finden.
Nunmehr plagt mich eine Frage zu der mich mal eure Meinung interessieren würde.
Kurz (oder vielleicht auch etwas länger) zu mir:

Ich bin 34 Jahre alt und habe 2015 aus heiterem Himmel eine Panikattacke gehabt. Hiernach schickte meine Hausärztin mich zum Radiologen, der vermutete, dass etwas mit der Schilddrüse nicht stimmt und empfahl, da auf dem Ultraschall auch mehrere Knoten zu sehen waren, die Schilddrüse zu entfernen.
Nach der OP wurde festgestellt, dass hier ein bösartiger Schilddrüsenkrebs vorliegt; in einer zweiten OP wurden noch einige Knoten aus dem Hals entfernt.
Seitdem nehme ich L-Thyroxin (hauptsächlich 200 Mikrogram, was meines Erachtens für mich in Ordnung ist) zu mir, mit der Dosis geht es mir auch gut.
Vorher hatte ich nie Probleme mit der Gesundheit gehabt, zu Ärzten musste ich eigentlich nie gehen. Seit der ersten Panikattacke und der ganzen Arie mit der Schilddrüse, die dann folgte begann ich zu verinnerlichen, dass ich offenbar nicht unsterblich bin. Ich begann, mir immer mehr Gedanken über meine Gesundheit zu machen und dauerhaft meine Aufmerksamkeit in meinen Körper zu legen, immer darauf lauernd, dass der Körper wieder etwas macht, was für mich nicht normal ist (Herzstolpern, Zucken im Zwerchfell, Kribbeln, so was eben).
Das hierfür meine Schilddrüsenmedikation verantwortlich ist (zu hoch oder zu niedrig), glaube ich nicht.
Ich habe einen recht stressigen Job und eine 2,5-jährige Tochter die - gerade jetzt zu Corona-zeiten - die Herrschaft in unserer Wohnung an sich reißt. Meine Psychotherapeutin, die ich seit 2 Jahren besuche, meinte bereits zu mir, dass das alles, was ich ihr schildere, Anzeichen eines Burnouts seien. Ein Termin beim Kardiologen im Januar bescheingte mir zudem, dass mit der Pumpe alles in Ordnung ist.

Sodann lautete meine Diagnose von mir für mich: Körper gut, Psyche schlecht.

Das der Körper eigentlich nicht das Problem sein kann, zeigte mir eigentlich schon die Tatsache, dass nie irgendwelche Probleme auftauchen, wenn ich Arbeite, Sport mache (Fahrrad fahren und laufen) oder sonstwie beschäftigt bin.

An und für sich beruhigt mich diese meine Diagnose einerseits, andererseits, wenn ich Zeit habe zu grübeln (Abends/Nachts oder am Wochenende) und in-mich-hinein-zu-horchen habe und mir dann irgendein Zucken oder so auffällt, schaffe ich es meist nicht, mich zu beruhigen, weil der Kopf dann gleich denkt: Da muss doch irgendwas sein, das ist doch nicht normal, du bst Krank. Jetzt war es das für dich. Wenn ich dann der Meinung bin, jetzt ertrage ich das nicht mehr, greife ich desöfteren zu Diazepamtropfen, welche ich mir vor einiger Zeit von meiner Hausärztin verschrieben bekommen habe.
Sie meinte zu mir, dass diese Tropfen die Angst lösen, aber auch erst nach einer Stunde ihre Wirkung entfalten.
Wenn mich die Panik komplett übermannt und ich mich dann entscheide, diese Tropfen zu nehmen (nie mehr als 4-8 Tropfen, also 0,4-0,8 mg Diazepam ist das dann glaube ich. ), dann fühle ich mich eigentlich schon besser, wenn ich nur den Geschmack dieser Tropfen schmecke (sie schmecken echt bitter). Es ist also bei mir allein schon eine Kopfsache, wenn die Tropfen bei mir schon wirken, bevor die medizinische Wirkung tatsächlich einsetzt. Einen wirklich tollen Kopf habe ich da.

Für alle, die bis hierhin durchgehalten haben, Danke.
Und nun meine eigentliche Frage:

Ich habe mir überlegt, diese Diazepamtropfen über einen Zeitraum von ca. 4 Wochen täglich zu nehmen, ob Angst da ist oder nicht. Meine Hoffnung ist dabei, dass - wenn ich dann über 4 Wochen keinerlei Angst um meinen Körper verspüre - mein Kopf einsieht, dass er zukünftig wirklich keine Angst um den restlichen Körper (speziell das Herz) haben muss und danach mehr der weniger normal weitermachen kann.
Bevor die Ängste einsetzten, ging das ja auch. Ich habe vor 5 Jahren mit dem Rauchen aufgehört, davor knapp 10 Jahre lang geraucht und am Wochenende auch mal viel zu viel getrunken; aber Angst um meinen Körper hatte ich nie, nicht mal nach völlig durchzechten Nächten.

Diazepam - so sagte man mir - macht relativ stark abhängig, jedoch nehme ich hier auch keine hohe Dosis ein und auch eben nur über 4 Wochen.

Was meint ihr dazu? Kann das funktionieren? Falls nein, was wäre vielleicht eine bessere Strategie?
Diese ganze Paniksache nimmt einem gänzlich den Spaß am Leben; das muss man doch was langfristiges machen können.

Ich danke euch für eure Ausdauer beim lesen und freue mich auf eure Antworten.

Liebe Grüße
niembil

07.05.2020 15:14 • 08.05.2020 #1


15 Antworten ↓


Zitat von Niembil:
Hallo ihr lieben,ich lese hier seit einer ganzen Weile still mit und konnte hier schon oft trost und gute Ratschläge finden.Nunmehr plagt mich eine Frage zu der mich mal eure Meinung interessieren würde.Kurz (oder vielleicht auch etwas länger) zu mir:Ich bin 34 Jahre alt und habe 2015 aus heiterem Himmel eine Panikattacke gehabt. Hiernach schickte meine Hausärztin mich zum Radiologen, der vermutete, dass etwas mit der Schilddrüse nicht stimmt und empfahl, da auf dem Ultraschall auch mehrere Knoten zu sehen waren, die Schilddrüse zu entfernen.Nach der OP wurde festgestellt, dass ...


Ich kann dir bestätigen, dass eine Hormonumstellung im Körper genau solche Symptome verursachen kann. PA, Herzstolpern, Schwindel, Atemnot, Schwitzen und Frieren sind typische Symptome dazu.
Wie lange nimmst du die Schilddrüsenhormone schon und wie hoch sind deine T3 und T4 Werte?

A


Panikattacken - Diazepamkur, kann das funktionieren?

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Hallo flow87, danke für deine schnelle Antwort. Die Hormone nehme ich seit 2016, meine t3 und t4 Werte sind t3 = 2,58 und t4 = 1,34, liegen also im normbereich. Bei der medikation habe ich auch schon alle möglichen Dosen durch, aber mit 200 fahre ich am besten. Daher schließe ich das aus.

Zitat von Niembil:
Hallo flow87, danke für deine schnelle Antwort. Die Hormone nehme ich seit 2016, meine t3 und t4 Werte sind t3 = 2,58 und t4 = 1,34, liegen also im normbereich. Bei der medikation habe ich auch schon alle möglichen Dosen durch, aber mit 200 fahre ich am besten. Daher schließe ich das aus.


Reden wir von Pmol / l oder Pmol / dl von den Werten her? Weisst du das gerade?

Ich würde dir dringend raten, auf keinen Fall mit Benzos zu therapieren. Die mögen mal als Notfall ok sein, aber die Gefahr, eine Abhängigkeit zu entwickeln, ist nicht ohne.

Und dann hast du doppelte Probleme, denn Angst ist noch da und Entzug kommt hinzu.

Der Weg aus der Angst ist langwierig, denn sie brennt sich dermassen ins Gehirn ein, dass man ziemlich viel Umdenken lernen muss, um das gehändelt zu bekommen. Und wenn die 4 Wochen um sind, was dann? Selbst wenn du körperlich noch nicht abhängig bist, du wirst dich nach der Ruhe sehnen, die dir das Medi vermittelt.

Bespreche doch, ob nicht ein Antidepressivum dir helfen könnte.

Zitat von flow87:
Reden wir von Pmol / l oder Pmol / dl von den Werten her? Weisst du das gerade?


Die Angaben sind in dl, jedenfalls bei t4, t3 ist in ml

Zitat von Icefalki:
Ich würde dir dringend raten, auf keinen Fall mit Benzos zu therapieren. Die mögen mal als Notfall ok sein, aber die Gefahr, eine Abhängigkeit zu entwickeln, ist nicht ohne. Und dann hast du doppelte Probleme, denn Angst ist noch da und Entzug kommt hinzu. Der Weg aus der Angst ist langwierig, denn sie brennt sich dermassen ins Gehirn ein, dass man ziemlich viel Umdenken lernen muss, um das gehändelt zu bekommen. Und wenn die 4 Wochen um sind, was dann? Selbst wenn du körperlich noch nicht abhängig bist, du wirst dich nach der Ruhe sehnen, die dir das Medi vermittelt. Bespreche doch, ob nicht ein Antidepressivum dir helfen könnte.


Ich weiß nicht,ob so wenige Tropfen eine Suchtwirkung hätten. Zudem wäre ja der Wunsch, dass im Anschluss die Angst wegbleibt. Irgendwann habe ich dem Kopf ja auch über einen gewissen Zeitraum die Panik antrainiert.das muss doch auch umgekehrt funktionieren

Zitat von Niembil:
Die Angaben sind in dl, jedenfalls bei t4, t3 ist in ml


Ok dann sind die Werte ok. Ich denke auch mit 200mcg fährst du gut. Ich denke auch nicht das deine PA von dem alleine ausgelöst werden aber sie haben sicher was zu tun mit deiner Hormoneinstellung oder Umstellung, da bin ich mir ganz sicher.

Zitat von flow87:
Ok dann sind die Werte ok. Ich denke auch mit 200mcg fährst du gut. Ich denke auch nicht das deine PA von dem alleine ausgelöst werden aber sie haben sicher was zu tun mit deiner Hormoneinstellung oder Umstellung, da bin ich mir ganz sicher.


Danke für deine Antworten. Ich bin von Natur aus ein sehr verkopfter Mensch, irgendwas hat sich da sehr tief eingenistet bei mir. Das ist schon blöd, wenn man mit Mitte 30 ständig mit der Angst lebt, plötzlich tot umzufallen

Zitat von Niembil:
Danke für deine Antworten. Ich bin von Natur aus ein sehr verkopfter Mensch, irgendwas hat sich da sehr tief eingenistet bei mir. Das ist schon blöd, wenn man mit Mitte 30 ständig mit der Angst lebt, plötzlich tot umzufallen


Ja kenne das auch. Hast du häufiges Herzstolpern?

Häufig nach dem Essen. Sonst hält es sich in Grenzen. Häufiger tritt dann Zucken im Zwerchfell auf oder das sich der Brustkorb zuschnürt

Zitat von Niembil:
Häufig nach dem Essen. Sonst hält es sich in Grenzen. Häufiger tritt dann Zucken im Zwerchfell auf oder das sich der Brustkorb zuschnürt


Ok das kann immer mal wieder vorkommen und bei uns ängstlichen Mensch tritt das gerne mal auf.

Wie gehst du damit um? Deinem Avatar nach, Gewichte stemmen, sonst noch was

Zitat von Niembil:
Ich weiß nicht,ob so wenige Tropfen eine Suchtwirkung hätten. Zudem wäre ja der Wunsch, dass im Anschluss die Angst wegbleibt. Irgendwann habe ich dem Kopf ja auch über einen gewissen Zeitraum die Panik antrainiert.das muss doch auch umgekehrt funktionieren

Das die Angst nach so einer Kur verschwindet, wird ein Wunsch bleiben. So einfach funktioniert das nicht. So wie Du schreibst hast Du ja auch kein Benzo genommen um dir das anzutrainieren.
Nach 4 Wochen wirst Du nicht zwingend eine schwere Sucht entwickeln, aber Entzugserscheinungen wirst Du mit recht hoher Wahrscheinlichkeit haben.

Angst entsteht nicht einfach aus heiterem Himmel. Es ist eine komplexe Wirkungskette. Bestehend aus vielen Variablen.
Es ist eine elementare Funktion die uns das effektivere überleben als Spezies ermöglicht hat.
Im Hintergrund laufen sehr viele Prozesse ab. Unterbewusst, schnell. Das Bewusstsein ist nur aufgesetzt auf das ganze System.

Dieses System kann ungünstig programmiert sein. Durch traumatische Ereignisse, genau so wie durch einen schlechten Umgang mit uns selbst. Dann gibt es noch genetische Vorbelastungen, Umfeld, Stressfaktoren usw.
Aus dem Ganzen ergibt sich eine psychische Widerstandsfähigkeit - die Resilienz.

Überschreitet das was wir tun unsere Resilienz, wird es mittel- bis langfristig dazu führen das diese Mechanismen und Wirkungskreise immer mehr aus dem Gleichgewicht kommen. Und die ersten Anzeichen nehmen 99% der gesunden Menschen nicht wahr, erkennen sie nicht als solches an oder wollen sie nicht wahrhaben und ignorieren sie.

Ziel einer jeden Therapie gegen Angst ist eine Aufklärung des Betroffenen darüber wie das alles abläuft. Faktoren die das negativ beeinflussen werden so weit und so konsequent wie möglich beseitigt. Dazu gehören so Dinge wie die eigenen Grenzen kennen und bewahren, destruktive Verhaltensmuster, Ich-Gefühl/Selbstwert, Eigenliebe usw..
Es wird darüber aufgeklärt was Ressourcen/Ressourcenhaushalt sind/ist. Mit dem Betroffenen werden diese erarbeitet.
Positive Denkweise, positive/kognitive Neuprogrammierung, innere/äussere Achtsamkeit, eine abgewandelte Form des Skillstrainings, eine der Symptomatik angepasste Lebensweise sind weitere Lernziele.

Starkt vereinfacht gesagt - Man lernt das Gleichgewicht aus Stress und Entspannung zu halten. Und zusätzlich resistenter zu werden/Energiequellen zu erschließen.

Mit diesen Dingen kann man Wirkungskreise, die bei symptomfreien Menschen autonom und im üblichen Rahmen ablaufen, wieder positiv beeinflussen. Dazu ist am Anfang sehr viel bewusstes eingreifen und entgegensteuern erforderlich. Und das kann viel Kraft erfordern.
Gute Nachricht - mit werden die Wirkungskreise rund um Sensorik, Informationsfilterung und -bewertung neu und positiv programmiert. Sie treten dann wieder mehr in den Hintergrund und werden quasi autonomer. Ein eingreifen wird immer weniger notwendig. Es wird weniger Kraft für das Gegensteuern verwendet. Diese steht dann wieder für andere Dinge zur Verfügung.
Letzten Endes steigt die Lebensqualität.

Leider kann ich dazu nur sagen,sehr sehr schlechte Idee...
Benzos sind nicht dafür da sie als Therapie zu nutzen...
Auch werden deine Ängste danach genauso stark wieder da sein,wenn nicht sogar noch stärker...

Bitte überlege dir das gut

So schnell so viele gute Antworten.ich danke euch allen für euren Einsatz . Dann werde ich mir wohl was anderes einfallen lassen müssen.

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Dr. Christina Wiesemann
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