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Ich habe vor sechs Jahren einen guten Freund (er war 24) verloren, die Jahre sind vergangen, doch immer wieder gibt es Momente, wo alles wieder hoch kommt.
Jemand, mit starker Angst vor dem Tod, vor Krankheiten etc, sollte vielleicht nicht weiterlesen, ich schreibe es besser, weil ich denke, dass es sicher Angst auslösen könnte.

Ich war dabei, als es passierte. Wir waren gerade unterwegs, er am Steuer, alles war in Ordnung, wir unterhielten uns, lachten zusammen, als er von jetzt auf gleich zusammenbrach, da wir recht schnell unterwegs waren, ich so schnell auch überhaupt nicht reagieren konnte und es noch gar nicht realisiert hatte, krachten wir in den nächsten Graben. Ich war eingeklemmt, verletzt am Kopf, aber nicht schwer, bloß konnte ich nicht richtig helfen, die Tür ging nicht auf, ich hatte Schmerzen, mir war schwindelig, ich kam nicht nah genug ran, weil ich einklemmt war.
Ich rief natürlich sofort den Notarzt, man konnte ihm nicht mehr helfen, Todesursache war nicht der Unfall, sondern plötzlicher Herztod.
Der Notarzt hat es nicht geschafft, ihn zurückzuholen, ewig haben sie es versucht.
Ich war total neben mir, fühlte mich gar nicht anwesend, stand wohl total unter Schock, ich weiß heute gar nicht mehr, was sie mit mir machten.

Auch in den nächsten Tagen danach, ich konnte nach 5 Tagen das Krankenhaus verlassen, da fühlte ich einfach nichts, nur Leere, ich war krankgeschrieben, habe aber weitergelebt, als wäre nichts gewesen, als würde und könnte ich nicht Trauern, als hätte ich keinerlei Gefühle, natürlich wurde ich betreut.

Nach ca vier Wochen ging es dann los, es verging keine Stunde mehr, in der ich nicht weinte, jeden Tag brach ich zusammen, jede Nacht lag ich wach und dachte, daran kaputt zu gehen, wusste nicht mehr, wie ich weiterleben soll, wie ich den Schmerz ertragen soll, damals fragte ich mich, warum ich überlebt habe.
Ich war ewig in psychologischer Behandlung, um es besser verarbeiten zu können, hatte sehr tolle Hilfen bekommen. Erst nach einem Jahr ging es mir soweit besser, dass ich wieder normal arbeiten konnte, meinen Alltag normal leben konnte, vorher war dies kaum möglich, immer nur mit Unterbrechungen, was natürlich ebenfalls belastend war.

Heute würde ich sagen, geht es mir gut, nicht mehr mit damals zu vergleichen, mein Leben läuft weitestgehend normal.
Doch es gibt Tage, an denen alles wieder hoch kommt, ich wieder all die Bilder vor Augen habe und vorallem die Vorwürfe, die ich mir mache.
Ich frage mich, was gewesen wäre, hätte ich helfen können, denn als der Notarzt endlich da war, waren schon einige Minuten vergangen, was wäre gewesen, hätte ich es geschafft, besser an ihn ran zu kommen, um ihn wiederzubeleben? Vielleicht wäre er wieder zurückgekommen, schließlich zählte jede Minute, die Zeit war sicher schon zu lang. Vielleicht hätte auch ich nicht mehr helfen können, aber das werde ich halt nie wissen.
Ich finde es auch heute noch unbegreiflich, ihm ging es so gut, er war richtig fröhlich und gut gelaunt, freute sich, weil er endlich einen Platz für sein Medizinstudium bekam, für den er so lange kämpfte, es gab keine Anzeichen. Es ist unfair. Dadurch habe ich eine Angststörung entwickelt, ich achte sehr auf meinen Körper, sobald ich etwas ungewöhnliches bemerke oder sehe, kriege ich Panikattacken, die sich dann mit Herzrasen, starker Luftnot und Schweißausbrüchen zeigen, deshalb war ich auch schon im Krankenhaus, weil ich dachte, ich ersticke. Ursache für diese Attacke war plötzlicher Schwindel, ich dachte sofort, ich hätte nun was am Herzen. Ich habe Angst vor dem Tod, Angst, dass es mir auch passiert, ich steigere mich so weit hinein, dass ich dann wirklich irgendwelche Beschwerden habe, ich denke natürlich auch gleich ans schlimmste, laufe zum Arzt oder ins Krankenhaus. Auch habe ich Angst, ich könnte noch jemanden auf diese Weise verlieren.

Wie geht man damit um? Auch mit den Angststörungen? Werden sie irgendwann besser? Wie geht man mit den Vorwürfen um, die man sich macht?

25.04.2021 22:11 • 26.04.2021 x 1 #1


4 Antworten ↓


Zu der Angst kann ich nichts sagen, weil ich die nicht habe.

FRAGE: Dein Freund guckt Dir von oben zu und sieht, wie Du Dir selbst unbegruendete Vorwuerfe machst und leidest. Meinst Du, dass macht ihn nicht traurig?

A


Freund vor 6 Jahren verloren, Angststörungen, Vorwürfe

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Zitat von Steve90:
Ich frage mich, was gewesen wäre, hätte ich helfen können, denn als der Notarzt endlich da war, waren schon einige Minuten vergangen, was wäre gewesen, hätte ich es geschafft, besser an ihn ran zu kommen, um ihn wiederzubeleben? Vielleicht wäre er wieder zurückgekommen, schließlich zählte jede Minute, die Zeit war sicher schon zu lang. Vielleicht hätte auch ich nicht mehr helfen können, aber das werde ich halt nie wissen.


Die gleichen Vorwürfe habe ich mir auch gemacht als vor einem Jahr meine Schwester gestorben ist..hätte ich vielleicht früher reagieren können oder früher einen Arzt holen können.
Was aber nutzt es jetzt so etwas zu denken.
Wahrscheinlich hättest du eh nichts machen können und er wäre auch dann gestorben.
Du hast bestimmt alles getan wozu du in der Lage warst ..so wie ich auch.
Mit der Zeit wirst du lernen damit zu Leben und deinen Freund in deinem Herzen zu tragen.
Liebe Grüße..

Die Frage, ob man den Tod hätte verhindern können, stellen sich die meisten Menschen, die in ähnlich enger Weise mit dem Sterben eines anderen konfrontiert waren.

Unterm Strich führt sie zu nichts, da das Leben halt nun mal macht, was es will. Wenn bestimmte Dinge zusammentreffen, hat das bestimmte Folgen, und es ist müßig, zu überlegen, ob es anders gelaufen wäre, wenn man eine dieser Prämissen verändert hätte.

Ein Kind, das auf dem Schulweg verunglückt, weil man es nicht am Händchen in die Schule geführt oder mit dem Auto gefahren hat, ein Freund, der sich umbringt, ohne dass man etwas von seinem Zustand geahnt hätte- all das führt bei vielen Beteiligten zu Schuldgefühlen.

Fakt ist, dass es dabei um pure Selbstüberschätzung geht. Wir glauben, wir hätten es in der Hand, das Schicksal beeinflussen zu können, WENN wir uns nur "richtig" verhalten/ mehr angestrengt/... hätten. Aus der gleichen Einbildung resultiert auch das Verhalten von Hypochondern, die meinen, sie müssten nur gut genug aufpassen, dann könnten sie schwere Erkrankung und Tod verhindern. Nichts davon funktioniert, weil es niemals möglich ist, das Schicksal zu beeinflussen.

In deinem Fall warst du in diesem Moment zwar vor Ort, aber nicht in der Lage, zu reanimieren. Selbst wenn du das gekonnt hättest, hätte es vielleicht nicht geklappt. Und auch dann hättest du dich gefragt, ob du den Tod nicht doch hättest verhindern können, wenn du dich mehr angestrengt oder ihn schneller aus dem Auto gekriegt hättest.

Vielleicht hättest du ihn bei diesem Versuch das Genick gebrochen oder ihm eine Querschnittlähmung verpasst oder er hätte aufgrund temporärer Unterversorgung mit Sauerstoff einen bleibenden Hirnschaden davongetragen - in der Welt des Hätte und Wäre ist jedes Szenario möglich und dabei gleichzeitig ebenso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich.

Du hast ohne körperliche Folgen überlebt. Auch das ist eine Fügung des Schicksals. Eine, für die du dankbar und worüber du glücklich sein solltest, denn der Tod deines Freundes hätte auch den deinen bedeuten können.

Also nimm das Geschenk an und lebe ein glückliches und gutes Leben. Ich bin überzeugt, dein Freund hätte nichts anderes für dich gewollt.

Es gibt etwas, das man die Schuld der Überlebenen nennt, was bei dir gut zutreffen könnte. Mit dazu kommt, dass man dieses Erlebnis sehr wohl als Trauma bezeichnen kann, und du nach wie vor noch darin gefangen bist.

Unsere Psyche macht dann Umwege. Denkt an Schuld, sprich, sucht sich seelische Quälereien aus, die eine Begründung sein könnten, weil man damit einfach nicht umgehen kann.

Tatsache ist, es war schrecklich und das lässt dich nicht los. Ist verständlich, nachvollziehbar und natürlich sehr traurig. Auch wird einem bewusst, wie schnell sich etwas verändert, mit dem man nie gerechnet hat.

Andererseits hattest du aber einen Schutzengel, und für den darfst du auch Dankbarkeit empfinden. Bedeutet, dafür, dass du alles überlebt hast, soviel Glück gehabt hast, darfst du dieses Geschenk auch vollen Herzen annehmen.

Das ist alles, was nun zählt. Du lebst und trägst weder Schuld, noch irgendwas, sondern hast reines Glück gehabt, dass es für dich so glimpflich abgelaufen ist.





Dr. Christina Wiesemann
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