Ich habe festgestellt, dass mein Freund unter verschiedenen Ängsten leidet (auch wenn er es wohl anders empfindet) - und da nicht nur sein, sondern auch unser Leben mittlerweile etwas eingeschränkt wird, möchte ich mich mal etwas austauschen, schlaulesen, um richtig reagieren zu können.
Wir sind seit 4 Jahren zusammen, und ich behaupte, sehr glücklich! Er ist für mich der Mann, mit dem ich alt werden möchte, unser Zusammenleben ist sehr harmonisch.
Also: er ist 38, beruflich enorm erfolgreich, trägt große Verantwortung.
Er ist als Kind sehr behütet als Einzelkind aufgewachsen, noch heute wohnen seine Eltern nebenan - und sind sehr dominant. Sehr herzlich und gut - aber dominant (man sieht sich fast täglich, telefoniert mehrmals...)
Privat ist mein Partner sehr entscheidungsunfreudig. Das fängt bei der Freizeitplanung schon an (ich weiß nicht was ich will, also versuche ich, das zu machen, von dem ich denke, das Du es willst....)
Außerdem sitzt er wie gesagt voller Ängste: Angst vor Veränderungen aller Art - Angst vor Zukunftsplanung - Angst vor Krankheiten (kaum gab es die Schweinegrippe - hatten wir Tamiflu im Haus - es könnte den Ärzten ja ausgehen...)
Er hat vor allem Angst, was er nicht steuern kann, wo er sich ausliefern muß: Beifahrer sein im Auto, Busfahren, Zugfahren, Schifffahren etc. Diese Ängste sind noch einigermaßen kontrollierbar - er umgeht diese Situationen zwar, stellt sich ihnen aber, wenn kein Weg daran vorbei geht.
Kino geht nicht (es könnte ja ein Brand ausbrechen)
Das habe ich in 4 Jahren einmal mit ihm versucht, dort hatte er regelrecht Panik, wollte flüchten (ist es aber nicht, weil ich ihm zugeredet habe...) Auch diese Angst fällt nicht schwer ins Gewicht, glücklich sein kann man auch ohne Kino.
Ganz schlimme Angst hat er vor dem Fliegen, und vorm Zahnarzt.
Fliegen wird vermieden, Zahnarzt auch, solange bis es weh tut.
In den letzten 4 Jahren mußte er zweimal beruflich fliegen - das Ergebnis ist das gleiche, wie beim Zahnarzt: schwerste körperliche Symptome, bis hin zum drohenden Kreislaufkollaps.
Es ist schlimm, mitanzusehen!
Außerdem hat er ebenfalls Angst, wenn ich mich in vermeintlich gefährliche Situationen begebe: Er mag nicht, wenn ich beruflich innerhalb deutschlands unterwegs bin (ist ja gefährlich auf der Autobahn) ganz schlimm, wenn ich über Nacht fort bin (völlig irrational: es ist ihm eher recht, dass ich 1200 km Auto an einem Tag fahre, als das ich auswärts übernachte...Hauptsache, ich bin bei ihm) Ansonsten schläft er die ganze Nacht nicht, und ich habe ein schlechtes Gewissen (was mich selbst ärgert...)
Er kann auch nicht gut allein sein - zu Hause sitzen und auf mich warten geht nicht, dann stürzt er sich lieber bis Nachts in die Arbeit, oder verabredet sich mit Freunden, oder hockt bei seinen Eltern....
Jetzt will ich mit meinen Freundinnen für 3 Tage nach Istanbul fliegen, und ich ärgere mich selbst, weil ich keine Ahnung habe, wie ich ihm das beibringen soll. Ich habe wirklich schon überlegt, das abzusagen, den einfachen Weg zu gehen, und zu Hause zu bleiben.
Ich habe aber für mich festgestellt, dass das nicht richtig ist, ich will mein Leben nicht nach seinen Ängsten richten.
Deshalb versuche ich nun, etwas zu tun. Ich weiß noch nicht viel von solchen Ängsten, aber ich glaube, es ist grundlegend falsch, sie zu ignorieren, ihnen aus dem Weg zu gehen.
Also ist es auch grundlegend falsch, meinem Partner diesbezüglich das Leben einfach zu machen, indem ich mich danach richte - ihm viele private Entscheidungen abnehme - meine beruflichen Tagesreisen zusammenstreiche (ja, ich übernachte auch lieber daheim, aber mein Beruf erfordert es nunmal ab und an (nicht regelmäßig)), oder indem ich auf Flugreisen gänzlich verzichte.
(bitte Korrigiert mich, wenn ich falsch liege!)
Leider lehnt mein Partner Therapien aller Art ab - er ist der Meinung, alle Psychologen brauchen selbst einen selbigen (Dinosaurier-Erziehung)
Trotzdem möchte ich nicht weiter zusehen - und werde ihm mal das Buch von Doris Wolf (Ängste verstehen + überwinden) ans Herz legen....
Ich weiß noch nicht genau, wie ich es anfangen soll, denn er selbst sieht seine Ängste erstens nicht als surreal, noch sieht er, dass sie ihn einschränken...(klar, auf Kino, Busfahren, Zugfahren, fliegen, Schiffahren, Zahnarzt...kann man ja prima verzichten, und ansonsten ist mein Leben doch ganz schön - muß ich denn jetzt entscheiden, wie meine Zukunft so aussehen soll?)
Angst vor Bindung oder Nähe hat er nicht - Eifersucht ist zwar da, aber ich würde sagen, nicht übermäßig....
Ich wäre dankbar, wenn ich hier ein paar Tips kriegen könnte, wie ich mich als sein Partner am Besten verhalte - vor allem, wenn es darum geht, das seine Ängste mich betreffen, und unser gemeinsames Leben einschränken. Wie soll ich reagieren? Wie kann ich ihn zu Entscheidungen ermutigen - sie ihm abzunehmen ist doch der falsche Weg?
Viele Grüße an alle !
17.08.2009 10:46 • • 27.08.2009 #1