Servus und guten Morgen @astra,
merci für Deine Rückmeldung (ist hier leider nicht immer selbstverständlich;-)).
Und ja, Du hast Recht - bisher wurde lediglich die aktuelle Lage näher betrachtet. Ein guter (!) Verhaltenstherapeut wird versuchen, mit Dir gemeinsam herauszufinden, wie sich der Zwang entwickelt hat und wie Du ihm künftig begegnest.
Das liest sich sehr einfach und leider (!) wird dieses Procedere von einigen Therapeuten auch exakt so pauschal runtergespult (teilweise sogar mit vorgedruckten Tabellen, Anweisungen etc.). Das
kann dazu führen, dass Du im Gespräch mit ihm das Gefühl bekommst, Du würdest einem Webinar oder YouTube-Vortrag beiwohnen. Dieses Risiko ist leider stets vorhanden.
Andererseits gilt die KVT als eine idR ziemlich effektive (weil schnelle) Behandlungsmethode - was natürlich auch die GKK freut... Über die
Nachhaltigkeit der Verhaltentherapie gibt es jedoch von Patienten zahlreiche eher enttäuschende Berichte. Auch dieses Forum hier beheimatet viele Betroffene, die über kurz oder lang nach ihrem (vermeintlichen) VT-Erfolg sozusagen rückfällig wurden. Der Grund hierfür liegt aus meiner Sicht darin, dass man in der VT idR eher oberflächlich eine zügige Lösung sucht. Man will den Zwang loswerden, sieht in ihm also eher den Feind als den
Hinweis (der er m. E. nach eigentlich ist). Zudem bringt es der
Zeitgeist mit sich, dass Tempo immer mehr vor Tiefgang geht - leider auch bei der Behandlung psychischer Probleme.
Die Frage nach Tabletten ist, zumindest zu Beginn und bei sehr schweren Fällen, sicher berechtigt. Zwar bin ich ein Verfechter der stofffreien Therapievariante aber da gibt es sehr unterschiedliche Ansichten und es kommt letztlich auch stark auf den jeweiligen Patienten an.
Was schon mal ganz wesentlich ist: Du wirst aktiv und versuchst nicht, die Angelegenheit vor Dir und Anderen zu geheim zu halten. Die Suche nach einem Therapeuten kann zwar bisweilen entmutigen, aber
dieser Vorgang selber bringt Dich bereits gewissermaßen in einen therapeutisch relavanten Modus.
Denn die Suche (und Annahme) von
externer Hilfe ist für Zwängler einerseits neu, andererseits aber auch verlockend - nämlich insofern, dass sich bei der Fixierung auf einen Helfer der Zwang lediglich
verlagert. Das neue Hilfsobjekt wäre dann nicht mehr der Zwangsgedanke bzw. die -handlung sondern eben der Therapeutenbesuch (= Rückversicherung).
Das solltest Du im Hinterkopf behalten aber es sollte Dich keinesfalls daran hindern, Dir einen Berater zu suchen. Ich rate in diesem Kontext überhaupt dazu, für Deinen Therapeuten einen eher
distanzierteren Begriff zu wählen. Patient und Therapeut sind idR weder Geschäftspartner noch echte Freunde sondern man greift - idealerweise - tief ins Seelenleben seines Patienten/Klienten ein und das bedarf einer doch ziemlich ungewohnten Vertrauensbasis zu einem letztendlich Fremden.
Sollte sich im Zuge der Gesprächstherapie eine stationäre Behandlung empfehlen (z. B. in einer Klinik für psychosomtische Erkrankungen), rate ich dazu, dies ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Nicht weil ich das Gefühl habe, Deine Zwänge wären sehr schlimm sondern eher aus allgemeinen Gründen (die persönlichen Ursachen der Zwänge). Es gibt ein paar Kliniken, die sich insbesondere mit Zwängen gut auskennen und entsprechend vielfältige Behandlungsweisen miteinander kombinieren, von denen auch ich z. B. sehr provitiert habe.
In der Zwischenzeit kannst Du, wenn Du magst, selber ein wenig üben. Man kann sich für fast alle Zwänge spezielle Kontemplationstechniken aneignen, die bisweilen immens helfen und bereits für einen wesentlichen
Perspektivenwechsel sorgen können. Hierzu würde mir schon was einfallen, falls Du das mal probieren magst.