@Elif
Welche Therapieform hat er denn?
Wenn er Kassentherapeut ist, dann muss er zu einem der zugelassen Verfahren gehören: Also psychoanalytisch, tiefenpsychologisch, verhaltenstherapeutisch oder systemisch? Eins von diesen Verfahren muss er gewählt haben. Das wäre wichtig zu wissen.
So wie Du schreibst, handelt es sich wohl nicht um eine Verhaltenstherapie, weil Du sagst, dass Du eine solche möchtest?
Zu seinem Argument, dass die Traumata so lange zurückliegen, kann man sagen, dass das - ehrlich gesagt - Unsinn ist. Traumata liegen bei ganz vielen Patienten lange zurück, machen trotzdem große Probleme und müssen und können später therapeutisch behandelt werden. Also da beweist er schon mal fachliche Inkompetenz.
Auch das Vorgehen, dass er Dich am Anfang nicht richtig über den Ablauf und die Modalitäten informiert hat und Dich nach der ersten Stunde Vorgespräch gleich in eine Therapie geholt hat, das finde ich unter aller Sau. Ein Therapieneuling ist völlig überfordert mit diesem Therapiedschungel. Und dann gleich beim ersten Therapeuten nach einer Stunde einkassiert werden, das ist schon dreist. Eigentlich lässt man den Patienten die Zeit, sich wenigstens ein bisschen zu orientieren und rein zu fühlen, ob man sich da wohl fühlt und aufgehoben fühlt.
Mein Traumatherapeut hat mir auch nach einer Stunde angeboten, dass ich zu ihm kommen kann und er mich gerne nehmen würde. ABER: Ich habe wahnsinnig viel Vorerfahrung und war super informiert. Wir haben das ganze Vorgeplänkel auslassen können. Wir konnten gleich Tacheles reden und waren einig. Aber mit jemandem, der gar keine Therapieerfahrung hat, sowas zu machen, das finde ich sehr unfair. Ich finde das unseriös, weil es ist ein starkes Machtgefälle, in dem die Patienten da sind.
Jetzt ist es ja so:
Ich würde mich da zum nächsten Termin hinbegeben und mir genau die Infos holen, die ich für die Zukunft brauche. Ich würde nachfragen, welches Richtlinien-Verfahren er genau macht. Dann würde ich fragen, wie der Stand ist, ob die Therapie schon genehmigt wurde oder ob ihr noch in den Vorgesprächen seid und was er jetzt konkret abrechnen will. Das sind alles so Randdaten, die Du als Patientin wissen musst. Sonst kannst Du Dich gar nicht orientieren. Wenn Du anderswo hingehen solltest, werden Dich andere Therapeuten genau danach fragen.
Du kannst den nächsten Termin jetzt sowieso machen, weil entweder wird es noch zu den Vorgesprächen gerechnet oder es läuft schon die Therapie. Dann kommt es auf diese Stunde nicht an.
Und dann würde ich ihm da auf den Zahn fühlen.
Aber bei allem, was Du schreibst, dass Du Dir so viel aufgebaut hast, dass es Dir an sich gut geht, würde ich mir überlegen, ob ich überhaupt jetzt eine Therapie machen möchte. Noch dazu, wenn Du mit ihm unzufrieden bist.
Bei Alltagsproblemen braucht man nur Sachverstand und manchmal Fachwissen aus dem jeweiligen Bereich. Das kann fast jeder Mensch, zuhören, seine Meinung sagen, vielleicht Rat geben. Das kann auch eine gute Freundin leisten, wenn sie kompetent ist. Aber Traumatisierungen behandeln ist eine andere Kategorie.
Und ja, man kann sich durch eine unsachgemäß ausgeführte Therapie verschlechtern. Manchmal ist besser, man sucht sich was Besseres oder wartet auf modernere Therapien. Das ist aber halt so eine Sache. Bei Euch scheint das Therapieangebot nicht üppig zu sein? Aber mit jemandem, der einem nicht gut tut und einem nicht helfen kann, macht es auch keinen Sinn.
Ich kenne psychoanalytische bzw. tiefenpsychologische Therapie sehr gut, auch Traumatherapie in dem Bereich. Ich finde diese Therapieformen einen absoluten Graus. Das einzige Gute daran ist, dass die Stundenzahlen hoch sind. Aber was nutzen mir endlos viele Therapiestunden, wenn ich in jeder nur kaputt gemacht werde? Diese tp und pa Therapeuten haben eine berufliche Sozialisation, die sehr seltsam ist, das ist weit weg von Pragmatismus, von Lebensfreude.... Ich habe das 8 Jahre versucht, mit diesen Therapeuten klarzukommen. Das Ergebnis war, dass es mir danach noch viel, viel schlechter ging als damals, bevor ich diese Therapie angefangen hatte. Mir ging es dann so schlecht, dass die mir klar gesagt haben, dass sie mich nicht mal mehr in eine Klinik schicken können, weil ich das nicht überleben würde. Sie haben mich dann telefonisch weiter mit stützender Therapie behandelt und haben gemeint, dass sie hoffen, dass meine Selbstheilungskräfte anspringen, damit ich hoffentlich überleben werde. Aber sicher war das nicht. Wenn ich nicht zu einem Verhaltenstherapeuten gekommen wäre, wäre ich drauf gegangen.
Also pass' gut auf Dich auf. Und wenn Du merkst, dass es Dir dort nicht gut geht, dann hör' auf. Therapeuten sitzen auf der anderen Seite und spüren nicht, was Du spürst. Die sehen oft nicht, dass das, was sie da gerade mit einem Patienten machen, komplett nach hinten losgeht. Und manche Therapierichtungen sind berüchtigt dafür, dass sie den Patienten mehr schaden als helfen. Es gibt da natürlich auch nette und verantwortungsbewusste Leute, es ist moderner geworden. Aber ich wäre vorsichtig, auf wen ich mich da einlasse.
Wenn es Therapeuten sind, die mit integrativen Verfahren arbeiten, die moderner sind, wie z.B. die Schematherapie oder andere, dann kann man das grade noch so durchwinken. Aber bei allen Therapeuten, die aus pa und tp sind, die nicht sehr modern sind, würde ich wegbleiben. Das Leben fordert einen und ein Therapeut sollte nicht nur in der Seele kramen und alles aufreißen, sondern vor allem sollte er die Wunden zukriegen. Und ich habe nicht den Eindruck, dass der das könnte.
Dumme Fragen stellen, alles an Wunden und Kränkungen aktivieren, kann jeder. Das kann sogar eine Laie. Jeder kann Salz in die Wunde rühren und Öl ins Feuer schütten. Der gute Therapeut bekommt das Feuer gelöscht. Darum geht es in Therapien. Nicht noch mehr den Organismus pushen und noch mehr Baustellen aufmachen als schon da sind, sondern runter regulieren. Ich habe von diesem Therapeuten keinen guten Eindruck.
Ich würde den im nächsten Termin auf Herz und Nieren prüfen und ihn fragen, was er eigentlich plant.
Wenn es da bessere Leute gibt, würde ich mir was Anderes suchen. Du solltest auch mehr gesehen haben als einen einzigen Therapeuten. Du weißt doch gar nicht, was die anderen machen und können und wie andere Therapieformen ansetzen.
Wenn man keine Vergleichsmöglichkeit hat, dann ist es sowieso schon doof.
Ich sage das jetzt ungern so platt, aber Therapie, noch dazu Traumatherapie, ist was Intimes. Da kann man nicht irgendwen nehmen, sondern das muss jemand sein, dem man vertrauen kann, auf den man sich verlassen kann und dem man auch zutraut, dass er einem wirklich helfen kann.
Ist er Dir denn sympathisch und angenehm, gehst Du gerne hin? Hat er Dir was Nettes, Hilfreiches gesagt, hat er Dir Mut gemacht?