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Kurz zu mir:

Ich bin 40 Jahre alt, männlich, verheiratet, keine Kinder. Mit 18 Jahren hatte ich meine ersten Panikattacken bzw. hatte ich plötzlich starke Ängste, die so krass waren, dass ich nicht wusste, was es ist. Bin in die Klinik und da wurde mir gesagt, dass ich eine Angstneurose hätte. Ja damals wurde es so genannt. Es war so schlimm, dass ich dauerhafte Angstzustände hatte. Hatte dann damals vom Hausarzt Tranxlilum bekommen. Nach ca. 3 Monaten konnte ich mit meiner Familie so langsam das Haus wieder verlassen.

Heute ist es so, dass ich Phasen habe, da ist die Angst schwächer, mal stärker. Alles in allem ist die Angst an sich nicht mehr einnehmend. Habe ein Diplom und bin erfolgreich selbständig. Angst ist halt ein ständiger Begleiter.

Jetzt komme ich zu meiner Frage:

Ich weiß, dass ich eine Agoraphobie habe und es mir sehr schwer fällt, in den Urlaub zu fahren. War jetzt 3 Wochen in Italien (mit dem Auto - Fliegen geht überhaupt nicht) und täglich musste ich mich mit der Angst auseinandersetzen. Tunnelfahrten über 3km sind der Horror, lange Brücken sind der Horror, weiter Blick in die Ferne ist der Horror, in den Himmel bei Nacht zu schauen ist der Horror (Bekomme da ein Gefühl von umgekehrter Höhenangst), der Gedanke ca. 1400km von zuhause entfernt zu sein ist der Horror, Blick auf GoogleMaps Routenplaner und die gefahrene Strecke ist der Horror.

Jetzt kommt auf einmal das hier:

Meine Eltern (beide Rentner) sind auf die Kanaren geflogen. Ich schaue mir auf Flightradar deren Live-Standort an und bekomme eine angehende Panikattacke - weil ich mir in dem Moment dachte: so jetzt sind die gerade im Flugzeug, in ca. 7 - 10 km Höhe über dem Meer und was ist, wenn ich jetzt durchdrehe und die beiden sofort bei mir sein müssen? Das schlimme ist, ich bin mir ja bewusst, dass diese Ängste irrational sind, aber trotzdem will der Gedanke nicht weg, dass mir in diesem Moment nur geholfen werden kann, wenn meine Eltern da sind.

Jetzt kommt's:

Der Gedanke ist nicht so, dass meine Eltern mir durch ihre Anwesenheit die Angst nehmen, bzw. sie mir proaktiv irgendwie helfen können. Der Gedanke ist: Ich habe jetzt in dem Moment keine Kontrolle über etwas. So wie als Kind ich will jetzt sofort das Spielzeug - aber hier ist es so ich will sofort vom Boot runter, sofort aus dem Flugzeug raus, sofort dass meine Eltern da sind.

Das Gehirn ist schon manchmal ein *Schimpfwort*

Ich finde in der Literatur nichts darüber und daher frage ich euch.

Stellt fragen.
antwortet.
diskutiert.

Freu mich auf euere Nachrichten.

Lg Esnervt.

26.01.2023 19:26 • 01.02.2023 x 2 #1


5 Antworten ↓


Zitat von Esnervt:
Das schlimme ist, ich bin mir ja bewusst, dass diese Ängste irrational sind, aber trotzdem will der Gedanke nicht weg, dass mir in diesem Moment nur geholfen werden kann, wenn meine Eltern da sind.

Diese Ängste sind nicht irrational - für Dich sind sie nämlich insofern rational, als dass sie funktionieren: sie folgen Deiner Angst-Logik.

Angststörung schlüpft oft eine Stufe höher, insbesondere bei intelligenten Menschen. Man hat dann eigentlich nicht Angst vor der Situation, sondern davor, vor etwas Angst zu haben, vor was man eigentlich keine Angst zu haben braucht. Man fürchtet sich vor der im Geist etablierten Angst-Logik.

Angst kann man therapeutisch auch ein wenig mit Zwängen vergleichen. Beide bilden einen sich selbst bedingenden und erhaltenden Loop/Kreislauf. Angst kann auch süchtig machen, so skurril sich das anhört. Angst kann Ersatz sein für vieles: Eltern, Partner, Lebenssinn - letztlich Bestätigung. Angst kann Flucht und Befriedigung sein - Angst ist die Antwort auf nie gestellte Fragen und Forderungen des Lebens.

A


Kontrollverlust und was dagegen tun?

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Die Angst vor Konrollverlust ist quasi die UR-Angst schlechthin.

Kontrollverlust bedeutet ausgeliefert sein und Hilflosigkeit.
Ich habe das erlebt,die meisten Menschen erleben das und es ist in der Tat schrecklich.

Und irgendwann kommt die Einsicht,dass man vieles eben nicht kontrollieren kann.

Alles mögliche kann einem passieren und die einzige Waffe dagegen ist unser Verstand.

Und da kommen wir in die Einsicht und dann auch zu Möglichkeiten eines gesunden Umgangs damit.

Schritt 1: Akzeptanz der Tatsache,dass wir vieles nicht kontrollieren können.

Schritt 2 : Akzeptanz dessen,dass wir unser Leben gerade deshalb besonders bewusst und
schön leben und erleben können,weil nichts selbstverständlich ist.

Schritt 3: Achtsamkeit und Gewahrsein.

Hier und Jetzt SIND wir und ausser diesem Moment brauchen wir nichts zu bewältigen.

Und diesen einen Moment ,den wir erleben,können wir auch bewältigen.

Also ich hätte jetzt eher vermutet dass du Angst hast, dass deine Eltern abstürzen….

@weingärtler Nein, dass ist es nicht... Das ist ja das komische.

Na ja der Absturz entzieht sich ja auch der Kontrolle, der Tod an sich. Aber vielleicht ist es auch gar nicht so wichtig ob es die Angst vor dem Absturz ist oder die Angst, dass beide nicht präsent sind.es übermannt dich, wobei ich jetzt auch nicht wüsste was man tun kann, außer Ablenkung und dir logisch gut zureden




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Dr. Christina Wiesemann
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