heute Nacht bin ich auf dieses Forum gestoßen, da ich endlich einmal etwas gegen meine Ängste unternehmen möchte.
Aber das ist gar nicht so einfach..., denn schon hier im Forum weiß ich nicht, in welche Rubrik meine Ängste gehören. Vielleicht kann mir jemand nach meiner Beschreibung hier sagen, wo hier im Forum ich mich einordnen soll.
Als Kind habe ich in der Familie noch offen über meine Ängste gesprochen, wurde dafür aber abwechselnd verspottet und ausgelacht oder geschimpft und zur Schnecke gemacht. (Auf die Idee, dass ich vielleicht HILFE statt Augenrollen oder harscher Kritik brauchen könnte, kamen meine Eltern leider nicht.)
Meine Ängste begannen mit 6 oder 7 Jahren, wenn ich mich recht erinnere. Wir wurden in der Grundschule gewarnt vor bösen Menschen, die Kinder locken und mitnehmen und ihnen dann etwas antun. Dazu sahen wir dann auch noch einen Film. Dass ich nicht einfach zu fremden Leuten ins Auto einsteigen würde, war mir sonnenklar, aber ich überlegte mir auch, dass ich (als 6-jähriges Kind) klein, leicht und ziemlich schwach war und somit mich ja auch jeder gegen meinen Willen ins Auto zerren könnte, egal ob ich nun zu Fuß oder mit meinem Fahrrad unterwegs war.
Dazu kam: Schon in der ersten Klasse begann ich, die Tageszeitung und Zeitschriften zu lesen. Und siehe da: Natürlich waren dort Artikel über Kinder, die von Gewalttätern überwältigt, missbraucht, vergewaltigt und getötet wurden. Das war ja grauenhaft. Ich stellte mir den Schock und das Leiden dieser Kinder vor und war überwältigt von dem Gelesenen. Wenn das diesen armen anderen Kindern passiert war, konnte es mir natürlich auch passieren. Wenn es dermaßen böse Menschen auf der Welt gab, die solche Taten begingen, dann konnten sich solche natürlich auch in meiner Stadt befinden oder sich dorthin verirren. Fortan hatte ich Angst auf dem Weg zur Schule und nach Hause oder zur Musikstunden oder auf dem Weg zu Freundinnen - zumal mein Weg auch streckenweise an unbebautem Gelände bzw. Lagerhallen vorbeiführte. Allein irgendwo unbesorgt spazieren gehen? Fortan nicht mehr möglich.
Je mehr ich las, desto mehr schreckliche Dinge wurden mir bewusst: Es gab auch böse Menschen, die nachts in Häuser eindrangen und die Menschen dort töteten oder die Erwachsene mitten auf der Straße oder in den Bergen oder an anderen beliebigen Orten ums Leben brachten. Je mehr ich las, umso gefährlicher und unberechenbarer schien mir das Leben. Fortan hatte ich natürlich auch Angst nachts in unserem Familienhaus und dies umso mehr, wenn mein Vater mal nicht zugegen war (immerhin traute ich meinem Vater doch einige Kraft und Gegenwehr zu). Las ich dann aber von einem Mordfall, der sich tagsüber in der Wohnung eines Opfers zugetragen hatte, wurde mir bewusst, dass auch während des Tages keine Sicherheit bestand! Und dann gab es ja auch noch die Fälle, in denen ein Elternteil die eigenen Kinder tötete!! Entsprechend misstrauisch beäugte ich fortan meine Eltern (die sowieso des öfteren wegen uns Kindern in Rage gerieten.. naja, da konnte man ja nie wissen...).
Außerdem schauten meine Eltern gerne Krimis (z. B. Tatort), aber auch Sendungen wie Aktenzeichen XY an. Einerseits traute ich mich nicht, mit in der Wohnküche zu bleiben (denn das alles wollte ich nicht sehen und hören), andererseits traute ich mich aber auch nicht in mein Zimmer im 1. Stock zu gehen. Also saß ich da, hielt mir ein Kissen vor die Augen und drückte mir die Ohren so gut es ging zu (unter dem Gespött oder Kopfschütteln meiner Eltern und Geschwister). Noch dazu hatte ich als Grundschulkind eine Freundin, die gerne über mysteriöse Fälle, von denen sie in Zeitschriften gelesen hatte, erzählte. Fast immer wenn wir zusammen waren, rückte sie mit solchen Geschichten heraus, die wohl als wahre unheimliche Begebenheiten dargestellt waren. Ab der 5. Klasse hatte ich dann in der Unterstufe eine Deutschlehrerin, die uns immer in der letzten Deutschstunde vor den Ferien Horrorgeschichten von Edgar Allan Poe vorlas. Dem war ich nun völlig hilflos ausgeliefert, denn im Unterricht durfte ich mir natürlich nicht die Ohren zuhalten (und weglaufen ging selbstverständlich auch nicht). All das trug nicht dazu bei, mein Vertrauen ins Leben und in meine Mitmenschen aufzubauen. Stattdessen wurden die Ängste größer und größer (und das obwohl ich ja ständig mit den Angst auslösenden Situationen konfrontiert war... beispielsweise musste ich ja trotz Angst nach wie vor die beschriebenen Wege allein zurücklegen... ob frühmorgens, mittags, nachmittags oder abends... ob es schon hell war, noch dunkel oder schon wieder dunkel, Ich machte das, weil mir nichts anderes übrig blieb - aber ein Überstehen der Situation - beispielsweise um 19 Uhr vom Instrumentalunterricht nach Hause am Stadtrand zu radeln - bewertete ich nur mit Dieses Mal echt Glück gehabt. Die Angst verminderte sich auch nicht mit der Wiederholung, sondern war immer gleich stark präsent und gleich überwältigend).
Die Ängste sind im Laufe der Jahre nicht verschwunden. Zeitweise hatte ich sogar vor meinem Partner Angst. Ein Beispiel (von mehreren): Bei einer Bootstour auf eine See fiel mir plötzlich wieder ein, dass ein Mann in einem Film seiner Verlobten ein inniges Verhältnis vorgetäuscht hatte und sie beim Sonntagsnachmittagsausflug aus dem Boot geschubst hatte und sie mit dem Paddel unter Wasser gedrückt hatte - hinterher hatte er ihren Tod als Unfall dargestellt. Natürlich wollte ich nach diesen Gedanken so schnell wie möglich wieder ans Ufer und fühlte mich für den Rest der Tour nur angespannt und innerlich panisch. Meine Angst erzählen wollte ich meinem Partner aber auch nicht, denn es könnte ja sein, dass ich ihn damit erst auf solche Ideen brächte und er sie ganz praktisch fände! Nun kann man Bootstouren mit dem Partner ja ganz gut vermeiden, aber leider bezogen sich die Ängste oft auch auf alltäglichere Situationen (er könnte das Messer beim Gemüse schneiden mir plötzlich in die Brust rammen o. ähnl.). Zum Glück ist diese Angst zurzeit wenig ausgeprägt. Um mich stärker zu fühlen, habe ich als junge Erwachsene auch Selbstverteidigungskurse mitgemacht, die mich (für kurze Zeit) ein kleines bisschen ermutigt haben.
Durch meine Ängste erlebe ich einige massive Einschränkungen bzw. in unvermeidbaren Situationen all die negativen Begleiterscheinungen, die mit starken Ängsten verbunden sind. Mein Partner kennt mich schon immer so ängstlich, unterstützt mich meistens und versucht mich, zu beruhigen. Manchmal aber ist er nur noch genervt...
Übrigens bin ich meinen damaligen Weg zur Grundschule schon viele Jahre nicht mehr allein gelaufen. Aber ich glaube, wenn ich es müsste, hätte ich dort auch jetzt noch (oder wieder) Angst.
Traurige Grüße, Magnolie
12.11.2012 14:18 • • 08.05.2019 #1