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Hallo!

Ich falle direkt mal mit der Tür ins Haus. Ich weiß einfach nicht mehr, wie ich mit der Erkrankung meines Mannes umgehen soll. Er leidet seit 25 Jahren an einer Angststörung und Panikattacken, früher mal als Angstneurose diagnostiziert, heute als generalisierte Angststörung.

Wir kennen uns seit knapp 12 Jahren. Die Krankheit trat mehr oder weniger stark auf in den letzten Jahren. Er hat oft versucht, die Attacken zu vertuschen. Ich habe immer versucht, ihn zu unterstützen, bin mitgefahren zu Terminen, wenn er nicht alleine konnte, ich habe Jahre meines Lebens damit verbracht, ihn irgendwo hin zu begleiten. Therapien hat er in den letzten Jahren immer abgelehnt, weil er meinte, es könne ihm niemand helfen außer er selbst. Ich habe jetzt darauf gedrängt, weil die Situation für mich kaum noch auszuhalten ist und auch unsere Beziehung darunter leidet. Wir haben hier tatsächlich in der Nähe eine Psychotherapeutin ausgemacht, die leider zur Zeit in Urlaub ist und ab Januar wieder erreichbar ist um Termine zu machen.

Ein normales Familienleben findet eigentlich nur noch innerhalb unserer 4 Wände statt. Er kann nicht alleine zum Arzt, er geht nicht alleine raus, er kann ganz schlecht alleine zu Hause bleiben. Wenn möglich liegt er fast nur noch im Bett und schaut fern. Wir sind selbstständig und arbeiten von zu Hause aus. Und wenn möglich, tut er das auch vom Bett aus.

Er leidet zusätzlich unter Schmerzen (Rückenschmerzen). Und ich habe im Moment das Gefühl, alles wird schlimmer. Jeden Tag plagt ihn etwas Neues. Seine Augen schmerzen und brennen, er hat Sehstörungen, er ist heiser (durch Inhalation wegen COPD und vermutlich durch ein Blutdruckmedikament), er hat Magenschmerzen, er glaubt, er habe was am Herzen, seine Blase schmerzt und brennt und seine Füße tun weh (Zehen).

Ich möchte nicht missverstanden werden, ich liebe meinen Mann! Aber ich kann es manchmal nicht mehr hören, was ihm alles weh tut. Ich fühle mich auch oft nicht so gut, ich bin gerade heute aus dem Krankenhaus gekommen, wo ich gestern operiert worden bin. Und ich kann mich nicht mal irgendwie bei meinem Mann mal anlehnen, mal zur Ruhe kommen, weil immer irgendwas ist. Ich will nicht immer die Starke sein, verdammt. Wir haben zwei kleine Kinder, und manchmal habe ich den Eindruck, mein Mann ist mein drittes Kind. Er ist oft in den einfachsten Dingen so hilflos und unselbstständig, dass ich manchmal echt aus der Haut fahren könnte, weil ich es einfach nicht nachvollziehen kann. Er stemmt beruflich die kompliziertesten Dinge, ist aber nicht mal in der Lage, sich in der Nähe einen Arzt zu suchen geschweige denn, da mal anzurufen um einen Termin zu machen. Und bei den ganzen Krankheiten und Problemen, die er hat, müssten das eine Menge Termine sein. Ich habe ihm das früher oft abgenommen. Aber das kann es doch nicht sein! Inzwischen hat er auch noch depressive Phasen, wo gar nichts mit ihm anzufangen ist.

Ich fühle mich so verdammt hilflos! Ich werde selbst schon völlig depressiv und bin, so oft es geht, raus - weg. Zum Sport, einkaufen, was auch immer. Ich fühle mich total vereinnahmt und auf der anderen Seite fühle ich mich total schlecht, weil mir so langsam das Mitleid für all das abhanden kommt. Ich fühle mich total überfordert mit allem.
Ich wollte doch nur ein ganz normales Leben, ich brauche keinen großen Schnickschnack, nix.

Weil wir selbstständig sind, ist es um so schwieriger. Ich habe ihm schon ein paar Mal gesagt, dass er eigentlich um eine stationäre Therapie nicht herumkommt, ich kann aber hier den Laden nicht alleine managen. Dazu fehlt mir das Know-how. Wie soll das denn weitergehen? Wir können ja hier nicht 6 Wochen alles zu machen, wovon sollen wir leben? Rücklagen gäbe es zwar für diese Zeit. Aber was ist danach? Wenn Kunden einmal weg sind, ist es um so schwieriger, sie wieder zu bekommen. Wir waren bei der Therapeutin ja schon zum Vorgespräch, sie meinte auch, er müsste mal mindestens 6 Wochen raus hier. Raus aus allem. Aber er hält es ja schon total schlecht aus, wenn ich mal einen Tag weg bin. Die Kinder und ich, wir sind sein Halt.

Ich hoffe so sehr, dass mir irgendjemand sagen kann, wie ich mit ihm umgehen soll, was ich tun kann, um die Situation hier erträglicher zu machen. Bis Januar ist es noch so lang hin und wer weiß, wann die Therapeutin dann Termine frei hat. Ich werde ihn selbstverständlich begleiten, weil er alleine nicht hin kann. Aber was tue ich bis dahin? Ich bin bald am Ende mit meinen Kräften.

Hoffentlich versteht mich jemand. Und vielleicht kann mir jemand, der selbst von der Krankheit betroffen ist, aus seiner Sicht erklären, wie ich am besten mit meinem Mann umgehen soll. Das kann er mir nämlich nicht sagen.


B.

21.12.2012 00:23 • 21.12.2012 #1


5 Antworten ↓


Hallo Skyfall,

Ich bin selber betroffen von einer Angststörung, seit nunmehr 13 Jahren !! Es ist nicht einfach das glaube ich Dir gerne und irgendwann gehen einem die Kräfte aus.
Ich habe das starke Empfinden das Dein Mann nicht genug dafür tut eine andere Lebensqualität zu erlangen. Das ist er Dir und Euren Kinden aber schuldig ! Da kann er sich nicht einfach ins Bett legen und alles vermeiden was ihm Probleme bereitet. Mit dieser Art des Umgangs schränkt er seinen Lebensraum immer weiter ein - und Deinen ja offensichtlich auch.

Ich bin vor ca. 8 Jahren für 3 Monate in eine Klinik gegangen. Ich hatte aber auch meine Eltern die in dieser Zeit meine Tochter ( damals 5 Jahre alt) zu sich nahmen.

Du sagtest ihr seit Selbständige. Das macht die Sache natürlich ein wenig komplizierter. Ich weiß das es diese Therapien auch ambulant gibt (morgens hin , abends zurück).

Fakt ist aber :

Du mußt Deinem Mann eindringlich klarmachen das es so nicht weitergehen kann, das Du sehr darunter leidest, das er es seiner Familie schuldig ist etwas dagegen zu tun !
Es gibt Hilfe und man kann sich eine andere Lebensqualität erarbeiten. Er muß sich meiner Meinung nach unbedingt in eine Therapie begeben, da sein Zustand für mein Empfinden (und glaub mir ich weiß wie er sich fühlt, ich kenne ebenfalls die ganze Palette) sehr extrem ist und er sich in diesem Zustand auch noch suhlt (sorry, ist lieb gemeint ).

Und das er unter diesen Umständen mittlerweile auch noch Depressionen bekommt wundert mich ehrlich gesagt überhaupt nicht. Er scheint ja das Haus kaum zu verlassen oder geschweige denn viel zu unternehmen.

Aber Du hast nunmal auch ein Recht darauf glücklich zu sein und das Dich dieser Zustand so langsam an den Rand dessen was ein Mensch ertragen kann bringt ist absolut verständlich.

Ich muß sagen das ich allerdings auch seit 8 Jahren ein Medikament gegen die Ängste nehme. Damit komme ich sehr gut zurecht und es hat auch keine Nebenwirkungen.

Wenn Du noch etwas bestimmtes wissen möchtest dann frag ruhig.


Liebe Grüße und ganz viel Stärke,

Fenn

A


Angehörige sucht Hilfe

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Hallo Fenn!

Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Ich fühle mich grad ein wenig besser, weil mein schlechtes Gewissen ein wenig nachlässt. Das Schlimme ist grad nur, dass er nach solchen Gesprächen, wie wir es gestern Abend hatten, wieder tagelang nicht mit mir spricht. So als wäre ich ein schlechter Mensch. Ich habe ihm Vorwürfe gemacht, ja. Diese bezogen sich allerdings darauf, dass er so viele Jahre keine Hilfe hat annehmen wollen, obwohl ich ihm gesagt habe, dass er diese braucht. Er hat immer allein versucht, mit der Erkrankung fertig zu werden und ist daran gescheitert. Zumindest das hat eingestanden.

Medikamente nimmt er keine ein. Also, zumindest nicht gegen die Angst. Andere schon. Und da habe ich das Gefühl, er tut zuviel des Guten. Dass er seine Schmerzmedikamente braucht, verstehe ich total. Geht ja auch nicht ohne und es ist ja dann auch sinnvoll. Aber vor einiger Zeit fing er wieder an, regelmäßig Ar. (bzw. Aspirin) zu nehmen, aus Angst, er könnte einen Herzinfarkt kriegen. Dabei ist das bei Menschen, die keinen Infarkt hatten, eher schädlich. Das habe ich ihm gesagt bzw. auf einen Artikel in der Ärztezeitung hingewiesen. Schweren Herzens lässt er es nun sein. Aber so ist es mit vielen anderen Medikamenten auch. Ich habe ihm gestern gesagt, er solle mal nur das wirklich nehmen, was er tatsächlich braucht. Nichts zur Vorbeugung und dergleichen. Mal sehen, ob es fruchtet. Aber diese Angst, er könne etwas ganz Schlimmes haben, hängt wohl auch mit der Krankheit zusammen, oder? Viele Sachen darf ich gar nicht erwähnen, wenn er mich wieder einmal fragt, was ich glaube, was das oder das sein könnte, was ihn da plagt.

Es ist so verzwickt. Die Weihnachtsfeiertage stehen vor der Tür und ich werde sie, wie schon ganz viele Male zuvor, mit gebremster Fröhlichkeit verbringen. Auch, weil er nicht mit mir spricht. Ich bin unglaublich froh, dass ich noch Menschen um mich habe, mit denen ich zwar nicht über seine Krankheit reden kann (weil er das nicht möchte), die mir aber in anderer Weise Halt und ein wenig Gelassenheit geben.

Interessant zu lesen, dass es auch Männer gibt, die daran leiden. Im Allgemeinen liest man meist von Frauen, die das in dieser Form haben.
Ich denke mir, dass es viel falscher Unterstützung durch die Familie bedarf, bis es einmal soweit kommen kann. Natürlich gibt es hier die Alleinstehenden, die alles online regeln, wie wir gelesen haben. Aber es gibt umso mehr Menschen, die ihre Familie einspannen. Und Familienangehörige, die mit machen.
Das ist kein Vorwurf an dich. Aber wo wäre dein Mann heute, wenn du ihm alle möglichen Besorgungen nicht abgenommen hättest?
Ich bin wirklich froh darüber, dass mein Mann nicht alles für mich macht und mich auch mal auflaufen lässt, wenn ich mal wieder was vermeiden möchte.
Bei deinem Mann hört es sich gleich nach drei Dingen an: Agoraphobie, Depressionen und Hypochondrie.
Wartet ab, was die Therapeutin euch sagt.
Auf jeden Fall kann es so nicht weiter gehen. Du darfst nicht länger, und das sage ich als selbst Betroffene, der Helfer und Unterstützer sein.
Dein Mann wird wahrscheinlich sehr wütend sein. Aber du bist nicht dazu da, ihm alles abzunehmen. Du bist nicht dazu da, sein Skla. in dieser Hinsicht zu sein.
Wenn er etwas haben will, dann muss er raus. Das heißt ja nicht, dass du ihn vernachlässigen oder verwahrlosen lassen sollst.
Aber er macht das alles auch auf deine Kosten. Du darfst da nicht mit dran zugrunde gehen. Du hast da schon viel zu lange mit gemacht. Das ist so mein Eindruck.

Hallo karlakolummna!

Der Vorwurf ist ja berechtigt. Ich bin leider ein Mensch, der immer möchte, dass es allen gut geht. So auch meinem Mann. Bis ich jetzt gemerkt habe, wie belastend das alles für mich ist. Den Schuh zieh ich mir da schon an. Und ich werde auch mitgehen (müssen) zur Therapie, weil er sonst definitiv nicht gehen würde. Und dann bliebe alles wie es ist. Und das würde unsere Ehe sicher kein Jahr mehr aushalten.

Ich habe ihm gestern gesagt, dass ich mit seiner Krankheit nicht mehr zurecht komme. Ich meinte eher die Art, wie er damit umgeht. Er meinte dann, dass damit ja wohl alles gesagt wäre Es ist auch heute wieder recht heftig geworden, als wir geredet haben. Es endet dann grundsätzlich damit, dass ich heulend rausrenne und irgendwelche Türen knalle, weil ich manchmal den Eindruck habe, ich rede mit einem störrischen Esel.

Agoraphobie, Depressionen und Hypochondrie trifft so ziemlich den Nagel auf den Kopf. Vermutlich (eher sehr wahrscheinlich) wieder ausgelöst durch eine jahrelange Dauerbelastung und Dauerstress im Job, seit 15 Jahren keinen Urlaub mehr gemacht, wie das halt bei Selbstständigen so ist. Er hat dumm geguckt, als ich mich vor einem Jahr im Fitness-Studio angemeldet habe, einfach, um selbst diesem Stress zu entfliehen. Er käme nie auf eine solche Idee. Mir tut es gut und es hilft mir, mich abends um 19 Uhr noch aufzuraffen um mich anderthalb Stunden im Studio auszupowern, zu spüren, wie das Herz bis zum Hals schlägt. Das sind alles Dinge, die er schon seit Jahren nicht mehr getan hat.

Wir haben Walkingstöcke gekauft, aber er geht nicht alleine raus. Nicht mal über den Platz direkt hinter unserem Haus. Ich habe aber auch nicht immer Zeit, mit ihm rauszugehen. Und ich hab ehrlich gesagt, auch nicht immer Lust, ihn zu motivieren. Das fällt mir total schwer. Von sich aus kommt er nicht. Dann geht er eben nicht. Und alles bleibt, wie es ist. Er bleibt im Bett, klagt über Schwindel, Bluthochdruck, dann ist er wieder zu niedrig. Und er meint dann, es ist das Beste, wenn er sich noch mal hinlegt. Ich gebe es offen zu: das macht mich mittlerweile derart aggressiv, dass ich dann raus muss. Er sieht nicht ein, dass das alles zusammenhängt. Sein Kreislauf weiß doch überhaupt nicht mehr, was Anstrengung bedeutet. Jede Kleinigkeit führt zu Herzklopfen. Ist ja auch völlig normal, er sieht das nicht.

Mir würde es total schwer fallen, ihn gar nicht mehr zu unterstützen. Ich wüsste im Moment gar nicht, wie ich das anstellen sollte. Und das ist es ja, was mich so ratlos zurück lässt. Ich habe so oft versucht, ihm klarzumachen, dass ich eine/n TherapeutIn nicht ersetzen kann.

Mist, ist das alles kompliziert...

Ich kann das vollkommen verstehen. Jeder von uns Betroffenen hier wird wahrscheinlich ähnlich reagieren wie dein Mann. Trotzig, wütend, unverstanden. Ich weiß ganz genau, wie das ist. Wir alle sind Meister darin, unsere Familienangehörigen zu beeinflussen, anzuflehen, unter Druck zu setzen. Und oft schaffen wir das ja auch. Aber es ist der falsche Weg. Das wissen wir im Grunde genommen auch. Aber wir denken, dass unsere Angst größer ist als alles andere. Dein Mann wird auch ein Meister darin sein.
Natürlich wird er dumm gucken, wenn du nicht mehr alles für ihn machst. Er wird wütend werden und trotzig. Aber da musst du dann durch und da muss er dann durch.
Es ist doch klar, dass sein Kreislauf verrückt spielt. Aber du darfst dich da nicht so von beeindrucken lassen. Vielleicht kommt es auf einen Versuch an. Vielleicht rafft er sich selbst auf, wenn du ihm seine Besorgungen etc. nicht mehr machst. Was nun nicht heißt, dass du ihn nicht zur Therapie begleiten sollst. Aber wenn er ne Zeitung haben will oder sonstwas, dann würde ich ihm sagen: Oh nein. Entweder du gehst allein bzw. mit mir oder gar nicht.





Dr. Reinhard Pichler
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