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Wie manche evtl. schon wissen, leide ich an Agoraphobie, die vor allem das Reisen betrifft.
Kurze Erklärung: Gerne von zu Hause weg war ich noch nie, als Jugendliche kam dann immer mehr Angst dazu; vor allem, da ich auf verschiedenen Reisen schlechte Erfahrungen gemacht habe (wurde ausgerechnet da krank, obwohl ich sonst selten krank war etc.).
Irgendwann ging das dann soweit, dass ich Übernachtungen komplett vermieden habe. Freunde zum Beispiel bat ich immer, bei mir zu übernachten, damit ich nicht weg muss. So kam ich gut über die Jahre. Dann zog ich von zu Hause aus, ich machte meine Ausbildung, mein Partner studierte. Ich wollte irgendwie nie so richtig von zu Hause weg und kam nur schwer damit klar, die erste Zeit. Da wir in diesen Jahren weder Zeit noch Geld zum Wegfahren hatten, machte ich mir nicht viel aus meiner Angst.
Bis es irgendwann um den ersten Urlaub ging. Lange Rede, kurzer Sinn: unter vielerlei Ausreden gelang es mir, meinen damals-Freund-jetzt-Mann hinzuhalten um nicht weg zu müssen. Das erste und letzte mal weg waren wir vor sechs Jahren in Wien; damals konnte ich noch Zug fahren.
Mittlerweile geht das nicht mehr.
Sobald ich aus meinem Alltag in eine andere Situation komme, meint mein Hirn, es sei etwas totaaaaaal schlechtes im Gange. Derealisation und Angstzustände sind da, wo Urlaubsfreude bei normalen Menschen ist.
Vor etwa fünf Jahren hatte ich die erste richtige PA als Beifahrerin auf der Autobahn in die 40 km entfernte große Nachbarstadt. Der Klassiker: Ich vermied fast vier Jahre lang die Autobahn und auch sonst alles, was mich über eine halbe Stunde lang von zu Hause entfernte.
Irgendwann hatte ich (nach abgebrochener Therapie) selbst die Nase voll und mit viel Training und einem ganz geduldigen Mann habe ich es geschafft, wieder Tagesausflüge zu machen. Ich komme mittlerweile bis zu 150 km weit von zu Hause weg, ohne Deralisationsgefühle. Aber das Übernachten klappt noch nicht, bzw. kann ich mir nicht vorstellen und möchte es nicht (weil ich sofort meine, krank zu werden und alles mögliche an Symptomen habe, wenn ich nicht nach Hause kann). Ich bin natürlich stolz und dankbar (meiner besseren Hälfte gegenüber), das geschafft zu haben. Kommen wir zum eigentlichen Punkt:
Übernächsten Freitag sind mein Mann und ich an seinem Arbeitsort (130 km entfernt) von Kollegen eingeladen (wandern und essen, was man in Thüringen eben so macht ).
- Ich soll mit dem Zug alleine am Nachmittag runter fahren (etwa 20 Minuten, ICE, OHNE Zwischenhalt ). In der Stadt waren wir schon einige Male, aber eben immer nur mit Auto UND zusammen. Am Abend würden wir dann mit dem Auto zurück fahren.
- Das letzte mal als ich Zug gefahren bin, stellte sich innerhalb der ersten Viertelstunde eine schlimme PA ein; die mir bis heute im Nacken sitzt (man kommt ja nicht aus dem Zug und ist gefangen, Notbremse ist teuer usw. ... Und mit einer PA umgehen kann ich noch nicht).
- Ich habe vor zwei Jahren von einem Psychiater mal Alprazolam verschrieben bekommen, aber noch nie eine genommen; habe aber gelesen, dass man sie gut als einmalige Panikmittel nehmen kann. Würde das helfen?
Ich möchte mir selbst und meinem Mann unbedingt beweisen, dass ich die Kraft und den Willen für sowas habe; wenn ich aber daran denke, was ich unter einer PA fühle, wird mir sofort klar, dass ich lieber daheim bleiben sollte...
Ich habe solche Angst mich einfach in den Zug zu setzen... aber ich möchte auch gerne endlich mal selbstständig und frei sein und es einfach tun. Ich meine - 20 Minuten?! Das ist gleichermaßen nichts und doch so viel...

24.02.2016 02:54 • 17.03.2016 #1


8 Antworten ↓


Hey Mirimo,

kenne dies alles selber und kann es nachempfinden und somit Dich verstehen. Letztlich hast Du schon Fortschritte gemacht und sehe es als Sonderfall an. Es sind nur 20 Min. und dafür ne Alprozolam zu nehmen finde ich legitim. Nehme eine halbe Tablette kurz vorher. Hey, die 20 Min. packst Du und hinterher bist Du stolz wie Bolle.

Drücke Dir dolle die Daumen und berichte dann mal.

A


Alleine Reisen trotz Panik? Unmöglich?

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Hallo Miramo,

kann ich auch gut nachvollziehen. Ich war auch nie gerne Autobahn oder Zug gefahren. Nun muss ich auch sagen, mein P. fuhr auch rasant, so das ich vor jeder Autofahrt Angst hatte. War aber trotzdem immer mitgefahren. Und wenn ich ihn mal um Unterstützung bat, mich beim Zugfahren zu begleiten, bekam ich keine. Am Anfang habe ich auch nur ganz kleine Strecken geschafft mit dem Zug, aber dadurch, dass ich immer mal mit dem Zug fahre, nun nicht so oft, weil muss ja auch finanziell iregndwo passen, habe ich schon ein paar Male die weite Strecke bis zu meiner T. geschafft und zurück allein. Das sind ca. 6 Stunden mit dem Zug und dann noch so ca. 20 min. mit der S-Bahn. Darauf bin ich schon stolz.

Drücke dir ganz fest die Daumen, dass du die Zugfahrt schaffst. Und hinterher wirst du erfreut sein, es allein bewältigt zu haben. Wünsche dir ganz viel Erfolg!

Liebe Grüße
Finja

Ich danke euch für den Zuspruch. Das Problem ist nur, ich weiß nicht, wie ich auf die Tabletten reagiere... bringt es was, sie vorher zu testen? Aber wenn ich keine PA habe, dann weiß ich ja auch nicht, ob sie helfen. Und was mache ich, wenn nichts hilft? Ich kann ja nicht aussteigen... Der Gedanke daran, dass ich durchhalten muss, macht mich schon jetzt nervös.
Ich mein, auf der Autobahn gibt es alle paar hundert Meter eine Möglichkeit anzuhalten...

Hallo Mirimo,

kenne das Problem mit dem Zugfahren auch.

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, mich in das Speisebistro zu setzen. Man sitzt dort nicht so beengt, hat mehr Platz sich auszustrecken, kann sich dort zu Essen und Trinken holen, kann mit dem Bistro Angestellten ins Gespräch kommen, was ja auch ablenkt. Du kannst Dir ein Rätselheft auf den Tisch legen oder ein kleines Malbuch (kennst Du Mandala Malbücher? Die sind sehr entspannend).

Ich bin auf die Art etwa 4 Stunden Zug gefahren und es hat prima geklappt, obwohl ich damals noch voll in der Angststörung gesteckt habe. Habe es seitdem einige Male so gemacht und es hat immer geklappt. Probiere es mal aus, ich wette, Du bist hinterher super stolz auf Dich!

LG, Martina

Hallo Mirimo,

Nur Mut! Du schaffst das. Die 20 Minuten hälst du aus. Geh mit einem Positiven Gedanken ran und halt dich an diesem Fest.

Ich habe einen kleine Tricks, die ich anwende, wenn ich aus einer Situation fliehen möchte. Ich habe in meiner Jackentasche immer ein paar Münzen. Sobald ich die Angst spüre, greife ich in meine Tasche und versuche zu erraten (durch Tasten) welche Münze ich grade in den Fingern habe. Man kann auch was anderes ertasten. Das lenkt mich ab.

Ich drück dir die Daumen und denke fest an dich. Aber du wirst es schaffen und hinterher sehr stolz auf dich sein.

Bei mir ist es andersrum. Ich bin immer extrem gerne und viel gereist und habe früher auch durchaus das ein oder andere Abenteuer auf mich genommen. Per Anhalter nach Istanbul und zurück, es war ein Traum. Und jetzt habe ich Angst vor einer 2-stündigen Zugfahrt. Für mich ist das eine Katastrophe, denn ich will ja viel reisen, kann aber selbst die kleinsten Ausflüge erst genießen, wenn ich mir hinterher die Fotos ansehe und sicher wieder zu Hause bin. Aber ich zwinge mich dazu, zumindest kleinere Sachen trotzdem zu machen. Denn ich habe gemerkt: Nichts ist schöner, nichts gibt einem mehr Kraft als so eine Unternehmung geschafft zu haben. Letztes Jahr wollte ich alleine mit Eisenbahn und Bus durch Polen fahren. Habe die Reise wegen Kreislaufproblemen mehrfach verschoben, Zwischenetappen abgesagt und die Leute, die ich unterwegs besuchen wollte, beinahe verrückt gemacht. Aber dann bin ich doch gefahren, bin in Krakau fast umgekippt, weil ich mich in der Umgebung meiner dortigen Begleitung nicht wohl gefühlt habe, aber als ich da dann endlich wegkonnte und wusste, dass ich es schaffen würde, ging es mir urplötzlich blendend. Da war auch ein 8-stündiger Fernbus zurück nach Berlin plötzlich überhaupt kein Problem mehr. Also: Mach es, nimm dir zur Sicherheit alles Mögliche mit, Medikamente, Ablenkungsmanöver. Ich fahre morgen auch wieder ein bisschen durch die Gegend. Würde gefühlt auch lieber hier bleiben, aber das wäre die falsche Entscheidung.

@draussen - Oh ja, das stelle ich mir noch schwieriger vor. Wobei - Trotz meiner direkten Angst vor dem Reisen ist es nicht so, dass ich nicht Reisen will und mich nicht für die Welt interessiere. Im Gegenteil - lange gehegte, große Träume sind beispielsweise Skandinavien und Japan. Gerade über letzteres sauge ich alles an Info auf, was ich bekomme. Aber bevor ich einen Tag lang fliege, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Fliegen ist auch ein Thema, an das ich gar nicht denken mag. Ich bin noch nie geflogen und finde es schade, habe aber gleichermaßen größte Angst davor. Da ist bekanntlich das Aussteigen noch schwieriger, als im Zug ...

Ich habe heute wieder den ganzen Tag gegrübelt und mich versucht, in die Situation hineinzuversetzen. Ich könnte ein Hörspiel hören, davon müsste ich gerade mal die Hälfte schaffen und die Fahrt wäre vorbei. Bleibt die Frage, ob ich mich darauf konzentrieren kann.

Das mit dem Bistro ist auch eine gute Idee, nur hab ich ein bisschen Angst davor, mich zum Obst zu machen, wenn ich letzten Endes doch 'durchdrehe' und die armen Leute dann gar nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen (in dem Fall ja einfach nur ruhig bleiben und mit mir sprechen). Aber die würden mich dann schön für bekloppt halten :/

Ein Status-Bericht:
Ich bin nicht gefahren und fühle mich mies deswegen.
Ich war zwei Tage vorher in der Apotheke, nur um mich nochmal zu bestärken. Eigentlich. Denn es hat das Gegenteil bewirkt. Ich berichtete der Apothekerin davon, dass ich Alpra als Dauermdeikation verschrieben bekam. Hab ja aber nie damit angefangen. Im Netz liest man überall, dass es als Panikmedi funktionieren soll. Sie sagte mir aber, dass dies Unfug sei, da die Wirkung erst nach mehrmaliger Einnahme eintrete und sich das Mittel erst aufbauen muss.
Danach hatte ich Angst, kein Hilfsmittel für den Ernstfall mhr zu haben... das verunsichert mich natürlich entsprechend auch für kommende Autofahrten. Bisher war das ein Joker, den ich nie gezogen habe. Aber eine halbe Stunde eingesperrt zu sein... das schaffe ich nicht. Ich hab viel alleine erreicht, aber jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich mir denke, dass alles umsonst war. Ich komme nie hier raus und es nur unter Dro. zu können - Nein danke.





Dr. Christina Wiesemann
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