ich bin 22 Jahre alt und beruflich Erzieher im Anerkennungsjahr. Nach langem Überlegen habe ich mich entschlossen mit meinen Problemen mal in einem Forum zu schreiben. Erstmal wusste ich garnicht in welchem Thread ich schreiben sollte, da soviele gepasst hätten. Fangen wir erstmal mit meinem Ist-Zustand an:
Derzeit leide ich unter der Angst, dass ich nicht mehr in die Stadt oder weiter hinaus kann, mein Bewegungsradius ist stark eingeschränkt (der Stadtteil in dem ich wohne und der benachbarte gehen noch). Ich fühle mich von meiner Umwelt bedroht, sie wirkt auf mich teilweise anders, wirkt auf mich anders als sie es sonst tut. Begebe ich mich nach draußen fühle ich mich verunsichert, alleine gelassen und verzweifelt. Je weiter ich mich wegbewege umso mehr denke ich an die Strecke die ich zurückgelegt habe und dass der Weg in die Sicherheit immer weiter wird. Ich suche immer nach einer Fluchtmöglichkeit, überprüfe meine Umwelt danach. Meine Stimmung ist momentan nicht besonders stabil. Habe Stimmungsschwankungen in der Form, dass sich ein positiver Gedanke in Sekunden ins Gegenteil wandeln kann. Morgens fällt es mir sehr schwer aufzustehen, die Umwelt wieder zu begreifen und wahrzunehmen und zur Arbeit zu gehen (im benachbarten Stadtteil). Abends werde ich dann meist Melancholisch und traurig. Habe mich vor 4 Wochen an eine Psychiaterin gewandt die nach einem kurzen Gespräch Agoraphobie und Verdacht auf Depersonalisation und Derealisation diagnostiziert hat. Habe direkt Medikamente bekommen, Sertralin 50mg. Diese nehme ich nun den 10ten Tag, allerdings erst 25 mg für 14 Tage, da ich bis vor kurzem noch auf Fluoxetin 10mg (seit über 8 Jahren) eingestellt war.
Vor 4 Wochen hat mich auch meine Freundin verlassen, aufgrund eben dieser Probleme. Wir waren fast 3 Jahre zusammen und das macht es mir noch schwerer. Wie sich ablenken wenn man nicht raus kann? Wenn die größte Bezugsperson aufeinmal wegfällt?
Da ich mir sicher bin, dass meine Probleme tiefergehen sind, erkläre ich auch mal ein paar Hintergründe. Seitdem ich denken kann habe ich Angstgefühle. Erinnerungen an die Kindheit sind geprägt von Albträumen, Verlustängsten, einer bedrohlichen Umwelt, melancholie und Traurigkeit. Das sind Erinnerungen die vllt mit 3 beginnen und wie ein Schleier über mir hängen. Die Bilder der Albträume kenne ich heute noch und die Gefühle erkenne ich teilweise auch wieder, was beängstigend ist.
Als Kind war es nicht ganz leicht. Mein Vater hatte Psychosen, Depressionen, Wahnvorstellungen und Shizophrenie. Dazu war er Alk. um dies zu verdrängen. Auch meine Oma und Tante waren Alk., aber am schlimmsten wars bei meinem Vater. Ich habs als Kind nicht verstanden, wusste nur es ist was falsch mit ihm und er war so verändert, was mich als Kind so verwirrt und verunsichert hat, in meinem Urvertrauen. Ich habs nicht verstanden, konnte nichts sagen und war wie gefangen. Einzig meine Mutter war immer da. Ich litt unter extremen Verlustängsten ihr gegenüber, da ich wusste wenn sie nicht wäre, wäre ich verloren.
Meine Eltern haben sich dann getrennt und scheiden lassen. Ich bin mit meiner Mutter und Bruder in einen anderen Stadtteil gezogen, wo wir heute noch leben. Da war ich ca. 6. Es war nie leicht, da mein Vater uns immer verfolgt hat durch seine Psychose und wir nie zur Ruhe kamen. Dazu war meine Mutter dann alleinerziehend und der gesamte Alltag war eigentlich nur Stress.
Der Höhepunkt kam 2006, als ich 13 war. Zu diesem Zeitunkt war ich am Gymnasium heillos überfordert, meine Oma die oft zu uns kam, da meine Mutter immer arbeiten musste, war fast jeden Tag betrunken, lag mal auf dem Boden und war nicht mehr ansprechbar. Zudem befand sich mein Vater zu dieser Zeit in einer schlimmen Psychose, hat uns aufgelauert, beschimpft und bedroht. In Phasen in denen es ihm besser ging, konnten wir uns auch sehen und Dinge unternehmen. Es war ein schlimmer Zwiespalt für mich. Einerseits die Liebe zu ihm, andererseits war er fremd.
Jedenfalls fing es eines Morgens in der Schule an. Ich war schlapp und müde (Am Abend zuvor vllt ein bisschen viel gezockt). Ich legte meinen Kopf auf den Tisch, schloss die Augen und merkte so einen kleinen flimmernden Fleck vor meinem Auge kommen. Als ich meinen Kopf aufrichtete vernahm ich die Umwelt wie in einem Traum. Wie ein Schleier, als wäre ich garnicht wach. Als würde mein Kopf die Eindrücke nicht mehr aufnehmen, aber ich war bei bewusstsein, nur die Realität war weg. Das hat sich dann oft wiederholt, bis ich nicht mehr aus dem Haus konnte und stark depressiv wurde. Rennerei zu verschiedenen Ärzten gehörte dazu bis ich dann zu einem PSychologen geschickt wurde. Der machte mit mir eine Therapie, mit Gesprächen und ganz selten auch mal eine Konfrontation. Ich wechselte die Schule und damit schien soviel von mir abzufallen. Ich nahm ab da auch Fluoxetin 10 mg. Es ging mir relativ gut, konnte in die Stadt usw. nur eben nicht weiter weg verreisen. Aber das musste ich auch garnicht, ich war erst einmal zufrieden.
Die Zufriedenheit war aber wohl nicht so hilfreich, denn ich habe bis vor kurzem seitdem jegliche Konfrontation mit diesem Thema schleifen lassen und wollte diese Probleme einfach nicht mehr aktuell haben. Meine Oma hat es geschafft trocken zu werden, sie trinkt nicht mehr seitdem es mir so schlecht ging. Mein Vater hat sich auch zusammengerissen....dann bekam er leider 2008 Krebs und verstarb ein Jahr später als ich 16 war. Das habe ich bis heute nicht verarbeitet, damals habe ich nur verdrängt.
Habe dann 2010 meinen Realschulabschluss absolviert und bis 2012 meinen Sozialassistenten + Fachabitur. In dieser Zeit stand ich relativ gut im Leben, allerdings hatte ich immernoch emotionale Probleme. 2012 lernte ich dann auch meine Ex- Freundin kennen, die mir nochmal einen Schub gegeben hat. Allerdings nach ca. 1 Jahr wurde es dann bei mir wieder schlimmer. Hatte zeitweise Depressionen, wenn auch nur leicht. Ich weis nicht woher die Probleme wieder kamen. Und jetzt seit einigen Monaten geht es mir nicht mehr so gut, mein Leben und Soziales Leben leidet enorm. Dementsprechend litt auh die Beziehung und dann kam jetzt die Trennung. Jetzt sind wir bei meinem Ist-Zustand angekommen.
Ich hatte heute den zweiten Termin bei der Psychiaterin. Bin mit dem Fahrrad los, musste auf halbem Weg zurück da mich die Angst überkam. Wollte sie anrufen, aber keine Sprechzeiten. Momentan ist es echt schwer, richtig weiter weis ich nicht.
Vielleicht finde ich hier ja Leute mit Tipps, Erfahrungen oder einfach nur zum Austausch. Ich bedanke mich schonmal für jeden Leser und jede Antwort.
Liebe Grüße
Jojo
23.02.2015 18:26 • • 24.02.2015 #1