Gerti´s Atemkontemplation Wähle einen passenden Tageszeitpunkt sowie einen ruhigen Ort, wo Du Dich wohl fühlst und breite eine Sitzunterlage (Decke, Gymnastikmatte) aus. Wähle eine Sitzposition, die es ermöglicht
a) frei zu atmen
b) die Wirbelsäule aufrecht zu halten
c) den Oberkörper stabil zu halten und
d) Dich insgesamt wohl zu fühlen.
Dazu ist für Viele eine Art unvollständiger Schneidersitz ("Halber Lotossitz") oder z. B. die "Burmesische Haltung" sehr gut geeignet. Hierfür benötigt man idR jedoch ein stabiles Sitzkissen, auf dessen vorderen Drittel man sich draufsetzt. Die Knie und Unterschenkel bilden dann mit dem Gesäß ein stabiles gleichschenkliges, liegendes Dreieck. Alternativen sind der Kniesitz, der oft mit einem Meditationsbänkchen unterm Gesäß unterstützt wird. Du solltest die von Dir gewählte Position für ungefähr 10 Minuten angenehm halten können. Notfalls kannst Du es auch in einer anderen für Dich verträglichen Körperhaltung versuchen. Liegen ist jedoch - zumindest anfänglich - nicht gut dafür geeignet.
Die Hände ruhen mit den Handflächen nach oben aufeinanderliegend. Wenn Du magst, können sich die beiden Daumenspitzen so berühren, dass sie mit den darunterliegenden Handflächen ein Oval ("Mudra") bilden. Es soll sich für Dich natürlich und locker anfühlen – mach kein Drama draus.
Sofern Du jetzt ein wenig aufgeregt bist, gönne Dir einige tiefe Atemzüge, spüre die Berührungspunkte des Körpers, sehe und akzeptiere Dich und diesen Körper so, wie er still sitzt und atmet. Das Blut fließt verlässlich in ruhigen Bahnen, transportiert Sauerstoff in jede Zelle, der Geist sucht nach einem Denkobjekt – alles ganz natürlich. Die Augen sollten zwar geöffnet sein, jedoch irgendwo vor Dir auf einem Bodenbereich ruhen und eher "halbinteressiert verweilen". Es ist nicht "verboten", etwas zu "sehen", aber es ist jetzt schlicht
unwichtig. Obwohl die Augen offen sind, geht nun der Blick eher "
nach innen"... Eine warme Lichtquelle oder Kerze, eventuell auch eine leichte Abdunkelung des Raumes kann helfen, eine Atmosphäre der stillen Achtsamkeit zu schaffen. So, wie Du es magst.
1. Stell Dir vor, wie es ist, die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind zu verspüren (aus dem Erleben der Mutter heraus). Spüre die natürliche, selbstlose, allgütige Liebe für dieses Wesen, nicht nur deswegen, weil es "Dein" Kind ist, sondern weil diese Liebe einfach
unausweichlich da ist. Wenn Du Dich aus irgendeinem Grund mit Mutterliebe schwer tust, denke an die
unbedingende Liebe zu einem Menschen. Nicht in romantischer, anhänglicher, selbstbezogener oder ero. Hinsicht, sondern in Form einer eher
fürsorglichen, gütigen Liebe. Diese Liebe sollte auch Aspekte des
Mitgefühls und der
Mitfreude, des
Mitverständnisses für die Sorgen und Anliegen dieses Menschen bzw. Wesens mit beinhalten.
2. Wenn dieses Gefühl halbwegs spürbar im Geist "etabliert" ist, lasse es nun
Dir selbst gegenüber zuteil werden. Auch wenn das vielleicht anfangs ungewohnt oder gar unangenehm oder peinlich ist - versuche es:
Dich so zu sehen, wie Dich ein selbstlos liebendes Wesen sieht. Sieh den Schmerz und die Angst dieses Wesens und nimm es in den Arm. Erkenne die Freude, die dieses Wesen einmal gespürt hat und freue Dich mit ihm. Habe Verständnis mit jedem Aspekt dieses Wesens (von Dir). Es kann sein, dass hier starke Emotionen aufkommen, Tränen können fließen, auch Lachen vor Glück kann vorkommen, sogar Trauer – egal –
nimm Dich geistig so in den Arm, wie Du bist.
3. Wenn sich diese Selbstliebe natürlich und unangestrengt "etabliert" hat, kombiniere die Zusendung dieser Liebe an Dich mit der
Einatmung. Beginne damit dort, wo die Ausatmung ihren "tiefsten Punkt" erreicht hat und stell Dir vor, dass
parallel zu dem Einströmen der Luft diese Liebe Deinen Körper, so wie Du ihn gerade wahrnimmst, von unten nach oben auffüllt. Alternativ kannst Du es auch von oben nach unten gestalten (letztere Version "erdet" Dich mehr). Es wird somit ein Einströmen von Liebe, Wohlwollen und Mitgefühl. Dabei wirst Du feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, diese Vorstellung in der relativ kurzen Einatmungsphase zu realisieren.
Das ist ein wichtiger Punkt, hier wird "der Körper nach und nach folgen". Und gleichzeitig
wird der Geist (also die geistige Visualisierung) dem Körper folgen. Der Geist harmoniert den Körper und der Körper harmoniert den Geist. Wenn Du dieses Auffüllen mit Liebe geradezu
körperlich spüren kannst, hat sich diese Harmonie vollständig etabliert!
Dieses Erleben ist sehr entscheidend für eine Einsicht, die man schwerlich in Worte fassen kann und deshalb sollte man dies auch gar nicht versuchen. Sie würden nie das erlebte Faktum beschreiben können, denn sie wären eine Interpretation des Erlebten und nicht das Erleben selbst! (Eventuell werden wir irgendwann später noch auf eine weiter reichende Einsicht aus diesem Erleben zu sprechen kommen.)
In dieser Übungsphase kommt der
Ausatmung lediglich die Funktion der
Entspannung und des Luftentlassens zu.
4. Irgendwann wird die Einatmung ein harmonisches "Auffüllen Deiner selbst mit liebender Güte" darstellen. Du wirst feststellen, dass dadurch die Einatmung evtl. auch etwas länger und ggfs. tiefer wird. Das ist OK,
aber nicht notwendig. Wichtig ist, dass es sich "richtig" anfühlt,
wie es gerade ist. Nun wendest Du Dich der
Ausatmung zu:
Wenn Die Einatmung ihren "höchsten Punkt" erreicht hat, lässt Du die "liebende Güte"
anderen Menschen/Wesen in Deiner unmittelbaren Umgebung zukommen. Zuerst den Wohnungsnachbarn: Stell sie Dir vor, wie sie mit ihren Sorgen und Freuden ihr Leben fristen und schenke ihnen Deine selbstlose Liebe. Fülle sie damit auf, sende sie ihnen zu, umarme sie, durchstrahle sie. Egal, wie Du zu ihnen stehst, ob Du sie magst oder eher nicht, ob sie Dir normalerweise egal sind – sie sind letztlich wie Du und Du wirst spüren, dass die vorher praktizierte "liebende Einatmung" geradezu nach einer "Verteilmöglichkeit"
verlangt.
Sie will sich ausbreiten, mitteilen, geben... Deshalb kannst Du irgendwann auch weiter entfernte Menschen damit "erreichen": das ganze Stadtviertel bzw. Dorf, den Landkreis, das Land, den Kontinent... Ich z. B. "sende" diese liebende Güte gerne sozusagen in
alle Richtungen bis in die Tiefe des Universums und schließe somit alle lebenden, verstorbenen und noch kommenden Wesen mit ein.
In dieser Übungsphase kommt der
Einatmung lediglich die Funktion der
Regeneration und des Luftholens zu.
5. Im letzten Übungsschritt kannst Du versuchen, ganz allmählich
die beiden Vorstellungen abwechselnd mit dem Ein- und Ausatmen zu kombinieren. Auch hier gilt es, sich Zeit zu lassen – der Körper wird irgendwann folgen und das ist keine Frage von Fleiß sondern lediglich von Beharrlichkeit und freudigem Interesse. Manchmal gelingt die Einatmung besser, manchmal die Ausatmung, mal klappt aber auch die vollständige Sequenz prima. Je
natürlicher und realistischer Dir das gelingt, umso friedlicher, ja vielleicht sogar glücklicher wird der Geist sein. Und das nicht aufgrund der Übung, sondern
aufgrund der Einsicht, die sich daraus ergibt.
Obwohl ich diese Variante ein wenig auf Deine individuellen Bedürfnisse formuliert habe, sind zwei Aspekte sehr wichtig:
a) Deine geistige Haltung während der Praxis darf NICHT sein, Dein "Atemfokusproblem" zu lösen. Du darfst keine Absicht verfolgen, kein Ziel. Es geht hier nicht um Heilung, denn Du bist ja nicht krank. Es geht um Einsicht. Dass sich aus der Einsicht die
Ursachen für Dein (aktuell als Problem empfundenes) Thema
auflösen, ist lediglich eine
natürliche Folge.
b) Diese Übung hat keinen therapeutischen Plan in medizinischer Hinsicht als Grundlage. Sie führt im Laufe der Praxis zu Einsichten, die weit über Psychotherapie hinausreicht und "Ich und Welt" beleuchten – und damit das, was wir gemeinhin als Sinn des Lebens bezeichnen, aus einem anderen Blickwinkel sehen können.
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