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Hallo ihr da draußen,

ich habe schon seit vielen Jahren Zwangsgedanken. Bis vor kurzem hatte ich diese sehr gut unter Kontrolle.

Seit etwa 3 Monaten aber sind diese teils sehr aggressiv. Dazu kommen Ängste und eine Depression (verursacht durch Zwang und Angst).

Es geht bei meinen Zwangsgedanken immer darum, dass ich Angst habe etwas Schlechtes über jemanden auszusprechen.

Also ich denke zum Beispiel das Person X sehr schlechte Dinge über andere Personen sagt. Wenn ich nun in der Öffentlichkeit bin, dann spreche ich innerlich immer irgendetwas (zum Beispiel einen anderen Namen) über meine Gedanken - aus Angst das ich sonst meine schlechten Gedanken ausspreche oder das jemand meine schlechten Gedanken sieht (obwohl ich weiß dass das nicht möglich ist!).

Ich habe nun seit knapp einer Woche Escitalopram verschrieben bekommen. Vor 2 Tagen hatte ich das Gefühl das ich für eine paar Stunden weniger Druck in mir hatte. die Gedanken und Ängste nicht so aggressiv waren. Heute ist es aber wieder ganz schlimm gewesen. Kann das alles schon an den Medis liegen? Also schon eine erste Wirkung aber auch ein Teil der Erstverschlimmerung?

Das wirksamste für mich wäre sicherlich das ich einfach meine Gedanken laufen lasse oder? Ich hab solche Angst dies zu tun. obwohl ich weiß das diese niemand sehen kann. aber ich befürchte sie auszusprechen.

Kennt jemand ähnliche Zwänge? Oder könnt ihr mir sonst irgendwelche Tipps geben?

Vielen Dank euch!

03.10.2023 15:55 • 09.10.2023 x 1 #1


12 Antworten ↓


Das können schon Anfänge der Wirkung sein. Das ist ein gutes Zeichen!

Gegen Zwangsgedanken könnte dir die Akzeptanz und Commitment Therapie (ACT) helfen. Mir gefällt das Buch Das Leben annehmen. Google mal, der Titel itrifft es nicht so ganz.
Man lernt darin, mit negativen Gedanken umzugehen. Wie man sie akzeptieren kann, was sie im Idealfall weiterziehen lässt.

Wenn deine Gedanken dir nicht so eine Angst machen würden, sondern du sie annehmen könntest als das, was sie sind, nämlich Worte in deinem Kopf, würden sie dir nichts mehr anhaben können.

Gute Besserung.

A


Zwangsstörung + Escitalopram

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Zwecks dem Medikament.. tritt die Wirkung nicht erst nach Wochen, insbesondere bei Zwängen, ein?

Das Buch klingt interessant.. hat es dir selber auch geholfen? Danke!

Die volle Wirkung, so las ich und habe es bei mir (Angst/Depression) selber so empfunden, entfaltet sich bis 4 bis 8 Wochen nach Erreichen der Zieldosis.

Man merkt aber oft in den ersten Tagen schon etwas. Oft die unliebsamen (Neben-)Wirkungen, manche aber auch positive Wirkungen wie Antrieb oder kurze Gefühle von Hoffnung.

Das Buch hat mir auch bei meinen Gedanken geholfen. Keine Zwangsgedanken im klassischen Sinne, aber halt niederdrückende, verzweiflungverstärkende, angstmachende Gedanken, die mein Leiden deutlich verstärkt haben.

Meine Ärztin hat meine Dosis nun erhöht. Ich nehme ab heute 15 mg. Mal sehen wie sich das auswirkt. Meine Zwangsgedanken sind momentan immer noch sehr aggressiv. Ich vermute (und hoffe) das dies an dem Antrieb liegt den das Medikament versursacht..

Zitat von Spezie:
Meine Ärztin hat meine Dosis nun erhöht. Ich nehme ab heute 15 mg. Mal sehen wie sich das auswirkt. Meine Zwangsgedanken sind momentan immer noch ...


Ziemlich sicher. Beim Einschleichen verschlimmert sich bei vielen erstmal die Symptomatik.

Hallo @Spezie und willkommen,

der Trick, über Zwangsgedanken geistig drüberzusprechen um sie damit an der Äußerung zu hindern ist keine Lösung, auch keine temporäre. Sie ist vielmehr eine den Zwangskreislauf erhaltende Komponente. Das Drübersprechen (eigentlich: Drüberdenken) kostet letztlich mehr Energie, als die Angst vor der - vermeintlichen - Katastrophe: dem tatsächlichen Aussprechen der (vermeintlich) schlechten Gedanken.

Ich weiß nicht, an welcher funktionellen Position die Zwangsgedanken im Gemenge Angst und Depression bei Dir ursprünglich stehen bzw. standen. Meistens arbeiten Ängste und Zwänge Hand in Hand, d. h. sie erschaffen und erhalten sich gegenseitig: kein Zwang ohne Angst vor... und keine Angst ohne Zwang wegen.... Wer das jahrelang mitmacht kann dabei ohne Frage auch eine Depression entwickeln.

Um nun einen Ansatzpunkt für eine wirksame, dauerhafte Lösung zu finden, empfiehlt es sich, als Arbeitshypothese mal davon auszugehen, dass Angst die eigentliche, zentrale Komponente ist.

Mit Sicherheit hast Du über Angst schon einiges gelesen oder in Therapien gehört und bist Dir bewusst, dass sie zum Menschsein dazu gehört. Allerdings unterscheiden sich die Menschen z. T. deutlich darin, wie sie mit ihrer Angst umgehen. Ich betone, dass jeder Mensch individuelle Ängste entwickelt oder vielleicht sogar mitbringt.

Im Idealfall lernt der Mensch, diese Ängste a) zu benennen, b) sie hinsichtlich ihrer Angemessenheit zu untersuchen und c) (auf a) und b) aufbauend!) angemessen auf sie zu reagieren - oder sie gar zu nutzen. Je jünger ein Mensch ist oder je unerfahrener er diesbezüglich bleibt, umso leichter bietet sich der Zwang als Werkzeug an, mit diesen Ängsten umzugehen. Statt Ängste klar zu benennen und ggfs. darüber offen zu sprechen, etabliert sich ein Dauerkonflikt aus Angst und Zwang.

Der Zwang ist jedoch die falsche Antwort - oder besser, er ist die vermeintlich richtige Antwort auf einen falschen Anspruch: nämlich, dass Angst unnatürlich ist und deswegen weggehen soll. So kindlich die Formulierung ist, so kindlich ist auch die Reaktion in Form von Zwängen, die geradezu mystisch ein Gegengift darstellen sollen.

In Deinem Fall lautet die (etwas verkürzte) Zwangslogik: Wenn ich geistig drüberspreche, kann nix passieren. Die Folgen dieses tragischen Logikfehlers spürst Du leider tagtäglich im eigenen Geist.

Es gibt nur eine einzige wirkliche Heilung: die Beendigung der etablierten Zwangslogik. Das Verstehen des eben Geschilderten ist immerhin der Einstieg dazu. Das intellektuelle Verständnis schafft erstmal die Basis, soviel Anfangsvertrauen aufzubauen, um als zweiten Schritt die verhängnisvollste Komponente bewusst zu mindern: den Glauben an die Wirksamkeit der Zwangshandlung.

Es hilft, sich vor Augen zu führen, dass die Zwangshandlung bis heute überhaupt nichts gebracht hat! Unsere Ängste sind immer noch da, sonst würden wir nicht - immer noch - mit Zwangshandlungen darauf reagieren!

Diese Einsicht sollte uns den Mut geben, die Zwangshandlung zu unterlassen. Und zwar ohne Wenn und Aber, ohne Kompromisse - alles auf die Zwölf!

Je öfter wir in der Folge erleben, dass ohne die Zwangshandlung eigentlich auch nix passiert, umso schwächer wird der die Überzeugung, dass die Zwangshandlung wirkt bzw. nutzvoll ist bzw. war.

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, die ursprüngliche Angst zu adressieren und sie vernünftig zu bennenen und zu untersuchen. Dies ist keine Kleinigkeit, weil wir ja bisher stets falsch (in Form von Zwängen) darauf geantwortet haben. Wir dürfen das nun endlich neu lernen: Ängste zu verstehen und ggfs. sogar zu nutzen.

Die erste Frage hier kann dann z. B. lauten: Vor was habe ich wirklich Angst? Diese Frage ist wahrscheinlich gar nicht (mehr) so leicht zu beantworten, denn im Laufe der Jahre hat man vor allem eine - alles verdeckende - Angst vor der Zwanghaftigkeit entwickelt, die jedoch nun langsam bröckeln sollte. Wir müssen nun behutsam und geduldig darauf warten, ob die ursprüngliche Angst sich meldet.

Es kann aber auch sein, dass sie eigentlich schon längst erledigt ist.

Vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag!

Ich bin mir bewusst und weiß, dass ich durch mein Darüber-Sprechen meinen Zwang nähre und am Leben erhalte.. das ist mir wirklich bewusst!

Leider ist aber meine Angst etwas Schlimmes auszusprechen (also das ich jemanden den ich als gefährlich/gewalttätig einschätze schlecht mache indem ich sage das er andere Personen beleidigt) so groß das ich mir nicht traue meinen Zwang zu unterlassen..

Ich weiß aber das ich das tun muss um Heilung von meinen Zwängen zu erfahren! Mein Psychotherapeut sagt mir auch, dass ich nichts aussprechen werde was ich nicht aussprechen möchte.. also genauso wie keine Mutter ihr Kind erstechen wird wenn sie das nicht willentlich tun will..

Wenn ich es nur einfach schaffen würde meine Gedanken laufen zu lassen ohne etwas dagegen zu tun..

Zitat von Spezie:
Wenn ich es nur einfach schaffen würde meine Gedanken laufen zu lassen ohne etwas dagegen zu tun.

Du tust ja nichts dagegen, sondern dafür...

Zitat von Spezie:
Leider ist aber meine Angst etwas Schlimmes auszusprechen (also das ich jemanden den ich als gefährlich/gewalttätig einschätze schlecht mache indem ich sage das er andere Personen beleidigt) so groß das ich mir nicht traue meinen Zwang zu unterlassen.

Könntest Du das noch etwas ausführlicher beschreiben - vielleicht anhand eines Beispiels?

Zitat von Spezie:
Das wirksamste für mich wäre sicherlich das ich einfach meine Gedanken laufen lasse oder?

Du kannst es laufen lassen mit Hilfe eines ungefährlichen Mediums, z.B. durch Malen. Mal einfach, was dir einfällt, ohne zu kontrollieren. Es geht dabei nicht um Kunst, eher um bewusste Kunsttherapie.
Zitat von Pauline333:
Wie man sie akzeptieren kann, was sie im Idealfall weiterziehen lässt.


Die Meditation hilft mir dabei, zu üben, Gedanken unzensiert kommen und gehen, weiterziehen zu lassen.

Ich habe dir eine private Nachricht geschickt..

Meine Gedanken entsprechen ja auch niemals der Wahrheit. Kein Mensch sagt das was meine Zwang sich einbildet. Das ist so schrecklich weil ich dadurch extreme Gewissensbisse habe. Ich möchte das alles niemals denken..

Zwangsgedanken sind, objektiv betrachtet, nichts anderes als die üblichen Sinnesobjekte innerhalb eines Sinneskontaktes.

Ein Sinneskontakt liegt erst vor, wenn das Sinnesorgan ein Sinnesobjekt (für)wahrnimmt. Es braucht dafür also dreierlei: Organ + Objekt + Organbewusstsein (also die Aufnahmebereitschaft etwas zu erkennen/wahrzunehmen). Wenn eine dieser drei Komponenten fehlt, entsteht kein wirklicher Sinneskontakt.

Gedanken sind insofern nichts anderes als andere Sinnesobjekte wie z. B. Optisches, Hörbares, Schmeckbares, Riechbares und Fühlbares - mit dem Unterschied, dass wiederkehrende Gedanken (vermeintlich) von innen kommen. Doch jeglicher Gedanke speist sich aus vergangenen Sinneskontakten und den daraus gebildeten geistigen Gestaltungen. Jegliche Gestaltung besteht aus unerfassbar vielen Sinneswahrnehmungen, Gefühlen und Bewertungen. Dieser automatisierte Komplex erscheint uns, im Gegensatz zu bewussten Sinneskontakten mit äußerlichen Objekten als ein Teil von uns selbst. Wir identifizieren uns damit, glauben, wir wären Schöpfer dieser Gedanken.

Dieser Denkfehler führt zu weiteren, darauf aufbauenden Denkfehlern, wie z. B. Selbstverurteilungen, Stolz, Scham usw.

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