@ Darky,
ich habe leider tatsächlich keinen normalen Alltag mehr aufgrund meiner Angst vor dem Fuchsbandwurm. Immer und immer wieder versuche ich etwas zu finden das mich beruhigt.
Wenn ich daran denke, dass es nur 500 gemeldete Fälle von alveolärer Echinokokkose (so heißt eine Fuchsbandwurminfektion beim Menschen) in Deutschland gibt (die Dunkelziffer ist sicher noch höher, aber gemessen an der Einwohnerzahl ist es dennoch eine seltene Krankheit), dass man davon ausgeht, dass 80% aller Menschen immun sind und man vermutlich mehrere 100 infektiöse Eier aufnehmen müsste, um sich zu infizieren, beruhigt das schon mal kurzfristig.
Es ist also wirklich nicht wahrscheinlich sich zu infizieren...aber irgendwie ist es wohl auch ein bisschen magisches Denken was da reinspielt (mich bzw. meinen Sohn trifft es, wenn ich nicht aufpasse. Andere trifft es nicht, andere haben mehr Glück, passen besser auf usw., also schon irgendwie wie ein Fluch der mich verfolgt und ich kann ihn nur über Waschrituale abwenden).
Ich wasche mir mittlerweile seltener die Hände, aber wenn dann sehr ausgiebig. Ich verbrauche aber dafür mindestens 10-20 Einmalhandschuhe pro Tag, denn die ziehe ich bei schmutzigen Arbeiten/ Handlungen an, um mir die Hände seltener zu waschen.
Ich habe aber auch vor der Fuchsbandwurmphobie schon so Sauberbleibrituale gehabt. Z.B. habe ich Schmutzwäsche in einem anderen Korb transportiert als die saubere Wäsche. Schmutzige Wäsche durfte (und darf nach wie vor) nie an die Außenstellen der Waschmaschine kommen, sonst muss ich die Waschmaschine an der Stelle abwaschen, wo die Wäsche sie berührt hat. Aber das war nie so stark mit Angst besetzt damals.
Es ist nach und nach immer mehr dazu gekommen. Wasserhahnhebel zuhause waren ok, bis dort mehrmals Hackfleischmasse (die mit Ei vermischt wurde) dran klebte, wenn mein Mann gekocht hatte. Seit dem kann ich Wasserhahnhebel nicht mehr bedenkenlos anfassen. Mülltonnen waren auch kein Problem, bis mir irgendwann auffiel wie versifft die Griffe und Deckel immer sind. Ampeldrücker waren ebenfalls unbedenklich, bis ich sah, dass eine Jugendliche ihn mit der Schuhsohle betätigte. Das Zig. an Zig. war auch unproblematisch, bis mir mal jemand erzählte, dass er in einen reingepackt hätte, wo vorher reingepinkelt wurde.
Es gab eine Zeit, da habe ich mich überall auf den Boden gesetzt (im Schulflur, auf dem Waldboden, Feldwegen, Wiesen usw.), habe meinen Rucksack bedenkenlos im Fußraum vom Auto abgelegt usw.. Aber ich war bis dahin auch noch nie in Hundekot getreten und somit war es auch nicht präsent, dass Hundekotspuren theoretisch überall da sein können wo Leute mit ihren Schuhen langgehen oder Hunde mal selbst hingemacht haben.
Ich würde so gerne wieder so bedenkenlos Dinge tun können wie früher...aber ich schaffe es nicht loszulassen und einfach darauf zu vertrauen, dass schon nichts passieren wird, wenn ich die Kontrolle aufgebe...denn die Angst davor, was passieren könnte wenn ich einfach so lebe als gäbe es keine Keime und Parasiten und nur etwas bei offensichtlicher Verschmutzung wasche, ist zu groß. Es ist ein Urmisstrauen in die Welt, eine Welt voller Gefahren und Tücken.
Nun muss ich sagen, dass bei mir die Zwänge nur Ausdruck einer Angststörung sind. Hände waschen beruhigt halt erstmal, man hat was gemacht, hat das Gefühl von Kontrolle. Theoretisch hätte meine Angst auch HIV sein können statt Fuchsbandwurm, aber da funktioniert die Ratio besser (es muss frisches Blut oder eine andere frische Körperflüssigkeit mit eine gewissen Anzahl an Viren in meine Blutbahn gelangen. Über offene Wunden passiert das nicht einfach, denn das infizierte Blut müsste dann schon in die offene Wunde reingepresst werden (wie beim Sex durch den Druck und die intensive Reibung oder eben bei einer Nadel, wo das Blut direkt in die Haut oder gar Vene gespritzt wird). Letztendlich braucht die diffuse Grundangst ein Gesicht, eine greifbare Gestalt und das kann dann Angst vor eine bestehenden Krankheit sein, vor Ansteckung mit eine bestimmten Krankheit oder was auch immer.
Aber wenn man sich ein Mal auf eine Sache eingeschossen hat, dann ist sie nicht mehr einfach wegzudenken. Dann bleibt das Objekt (Viren, Parasiten, Tumor, Herzinsuffizienz oder was auch immer) Thema der Angst, denn wenn der Angst eine Gestalt verliehen wird, meinen wir, wir könnten etwas dagegen tun (Hände waschen, duschen, putzen, zum Arzt rennen) und tatsächlich beruhigt es auch kurzfristig.
Nun, ich denke das Einzige was hilft ist einen guten Therapeuten/ Therapeutin zu finden, der einem hilft der Welt wieder mehr zu vertrauen und durch weniger Angst die Dinge, die einen vorher ängstigten, dann auch wieder realistischer betrachten zu können. Auch wenn man sich da erstmal bei mehreren auf die Warteliste setzen lässt (ist völlig legitim bei der langen Wartezeit mehrgleisig zu fahren). Man muss halt nur irgendwie die Zwischenzeit überbrückt bekommen. Ich hoffe, dass das Forum mir dabei eine Hilfe sein kann.
Musstest du dich wegen der Ratte oder dem Berühren des Altglases und/oder Containers duschen? Bei mir wäre es vermutlich wegen des Altglases -falls da alte Essensreste drin oder dran gewesen wären oder wegen des Containers, falls ich den berührt hätte, gewesen. Liest sich bei dir aber mehr, als wenn es wegen der Ratte war. Die Ratte hattest du nur fast berührt, wovor hattest du denn konkret Ekel? Also welche Vorstellung löste das aus? Was kann denn von einer toten Ratte an Gefahr ausgehen? Gibt es da Krankheiten bei Ratten, deren Erreger auf den Menschen übergehen können und die durch Schmierinfektion übertragbar sind und sich dann noch lange genug halten um über Umwege von der Schuhsohle (falls diese die Ratte tatsächlich berührt hätten) in deinen Körper zu gelangen? Also ist da wirklich eine pot enzielle Gefahr, die du siehst/ gesehen hast oder einfach nur Ekel?
13.02.2020 00:52 •
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