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Hallo gemeinsam,

ich hoffe dieses Thema passt hier rein. Ich wüsste nicht wo es sonst passen würde, denn ich habe nirgendwo etwas vergleichbares finden können. Ich fühle mich mit diesem Problem daher sehr alleine gelassen, da ich das Gefühl habe niemand anderes hat solche surrealen Gedanken oder Ängste wie ich.

Seit einigen Wochen nehme ich ein Medikament gegen ADHS. Elvanse 30mg. Seitdem sind meine Ängste stärker geworden und ich habe Zwangsgedanken entwickelt, die so fürchterlich, irrsinnig und irrational sind, dass es mir peinlich ist darüber zu schreiben.

Mein Kopf hat mir eingeredet, dass ich nächste Woche von Freitag auf Samstag Nacht sterben werde und an einem anderem Ort in einem weißen Raum aufwachen werde. In diesem Raum werde ich für immer und ewig eingesperrt sein und werde auf ewig alle Schmerzen spüren, die alle Menschen auf der Welt erleben können und zwar alles gleichzeitig von verbrennen, ertrinken, einfach alles was man an Schmerzen fühlen kann und das x 8 Milliarden (so viele Menschen wie es eben gibt).

Auf der einen Seite weiß ich natürlich, dass dies Quatsch ist, so wie man das bei Zwangsstörungen immer weiß. Und trotzdem muss man seine Zwangshandlung ausführen, damit die Anspannung nachlässt, weil man glaubt damit ein Unheil abwenden zu können. Man weiß ja trotzdem, dass dies unnötig und irrational ist. Und trotzdem habe ich Angst, dass das wirklich passiert und ich für immer und ewig irgendwo unerträgliche Schmerzen erleiden muss.

Ich weiß nicht mehr weiter. Hatte jemand schonmal so etwas vergleichbares?

PS: Das Medikament nehme ich seitdem nicht mehr. Einen Termin beim Psychiater habe ich am 10.08.

29.07.2023 13:24 • 30.07.2023 x 1 #1


9 Antworten ↓


Willkommen @FloraFinia17

darf ich fragen, welche Zwangshandlungen Du im Zuge der o. g. Gedanken ausführst?

Waren Zwänge schon länger Thema bei Dir oder erst seit der Elvanse-Einnahme?

Siehst Du irgendwelche (versteckten?) Muster, die latent eine Bestrafung Deinerseits rechtfertigen (Erziehung, Elternhaus, Religion, Moral, Ethik, Ideologie)?

A


Selbstzerstörerische Zwangsgedanken

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@moo Danke für deine Antwort. Ich hatte mir vorgenommen in der Nacht einfach nicht zu schlafen. Aber dann sagt mir mein Kopf es passiert eben die Nacht davor oder danach. Es gibt keine einzige Zwangshandlung, die ich ausführen könnte, um die Angst zu lindern. Es wird einfach passieren…zumindest sagt mir das mein Kopf-wie kann man sich nur selbst so quälen Also es ist ja nur ein Hirngespinst, aber dann denke ich mir was ist wenn ich einschlafe und es doch passiert und dann bekomme ich eine riesen Angst und immer wenn ich versuche mir Handlungen auszudenken, die ich machen könnte, um dieses Szenario abzuwenden schaltet sich mein Kopf wieder ein und sagt mir ich wäre machtlos dagegen und kann nichts tun. Ich werde eine riesen Angst haben an dem Tag bevor ich ins Bett gehe und unmittelbar bevor ich einschlafen will.

@moo Ach ja und Zwangsgedanken und Handlungen sind bei mir schon seit ein paar Jahren Thema, nicht erst seit Elvanse.

Danke für Deine Rückmeldung.
Zitat von FloraFinia17:
Es gibt keine einzige Zwangshandlung, die ich ausführen könnte, um die Angst zu lindern.

OK, dann ist das Zwangsdenken sozusagen bereits die Zwangshandlung.

Der Kreislauf wird in diesem Fall gebildet aus der Angst davor (dass etwas passieren wird) und der Erleichterung danach (dass nichts passiert ist). Dieses Wirkungspaar kann man nun näher betrachten:

Jeder Zwang ergibt sich nicht von selbst sondern hat durchaus seinen Sinn, seine Funktion. Und, so irre und widersprüchlich es sich anhört, die Hauptfunktion einer Zwangshandlung ist die (vermeintliche!) Kontrolle! Obwohl wir uns subjektiv als Opfer fühlen, fungiert die Angst davor unterbewusst als ein Kümmern, ein Beobachten, ein Dranbleiben: Solange wir uns drum kümmern, sind wir in Sicherheit (= geistiger Aktionismus). Wenn die Erleichterung eintritt, schaffen wir bereits wieder das Klima für eine neue Angst - denn sorgenlos zu sein erlebt der Geist unterbewusst als gefährdet zu sein.

Dies veranschaulichst Du hier sehr präzise:
Zitat von FloraFinia17:
... und immer wenn ich versuche mir Handlungen auszudenken, die ich machen könnte, um dieses Szenario abzuwenden schaltet sich mein Kopf wieder ein und sagt mir ich wäre machtlos dagegen und kann nichts tun.

Ganz genau. Das ist die perfekte Zwangsetablierung - so hebelst Du quasi eine vorzeitige Lösung von vornherein aus.

Bemerkenswert finde ich, dass derlei Zwänge vorwiegend ziemlich intelligente Menschen entwickeln. Es ist also schon fast ein Luxusproblem des gebildeten Geistes. Ich persönlich glaube auch, ganz tief darunter eine gewisse Sehnsucht nach Ausgeliefertsein zu erkennen. Es nimmt uns ein Stück weit Verantwortung ab. Auch das kann man als - äußerst subtile - Form von Kontrolle interpretieren.

Hilft Dir das?

Ich habe festgestellt, je mehr man über seine persönliche Zwangsstruktur Einsicht erlangt, umso freier wird man davon. Praktisch gibt es ja in therapeutischer Hinsicht eh nix anderes als dem Zwang zu widerstehen und eben eine Zwangshandlung dauerhaft nicht auszuführen. Das ist aber bei Zwangsgedanken nicht so einfach. Deshalb rate ich eben zu der geistigen Durchdringung der Zwangsstruktur. Ich sehe darin den Königsweg, denn er macht den Zwängen ein für allemal den Garaus - er entzieht ihnen sämtliche Nährstoffe...

Eine andere Möglichkeit besteht in Deinem konkreten Fall z. B. darin, die einzelnen Aspekte der Situation zu untersuchen: Wochentage, Tag und Nacht, Zeit generell sind alles letztendlich Narrative des menschlichen Geistes. Würden wir diese Narrative nicht erschaffen haben, könnten wir uns nicht davor fürchten. Das gilt auch für weiße Räume (Was ist denn Weiß? Wo fängt Raum an und wo endet Raum?)... . Was ist ein Schmerz, was der Schmerz von 8 Milliarden?

Mit solchen fast spielerisch anmutenden Untersuchungen wirst Du die letztendliche Illusion unserer vermeintlichen Begriffe intuitiv erfahren. Das gilt insbesondere für unseren Geist selber: letztendlich ist alles nichts anderes als eine Fata Morgana - auch der, der sie erlebt.

Man kann es auch etwas weniger drastisch aber vielleicht praktischer ausdrücken: Niemand hat(te) jemals Kontrolle.

Zitat von moo:
Ich persönlich glaube auch, ganz tief darunter eine gewisse Sehnsucht nach Ausgeliefertsein zu erkennen.


Moo, Du bist einfach eine Freude, eine wahre Bereicherung für diesen Planeten. Deine Berichte und im speziellen auch dieser wieder, zeigt ein tiefes Verständnis gegenüber dem Menschsein, seinem geistigen Konstrukt, seiner Verwirrungen und möglichen Lösungsansätzen. Ich wäre Dir dankbar auf die sogenannte «Sehnsucht» noch etwas genauer einzugehen. Mit herzlichem Gruss und Dank

Hallo Flora,

da Du davon ausgehst, das das Medikament Deine Zwangshandlungen ausgelöst oder wesentlich
verstärkt hat, finde ich es gut, das Du das Medikament abgesetzt hast.

Zitat von FloraFinia17:
Mein Kopf hat mir eingeredet, dass ich nächste Woche von Freitag auf Samstag Nacht sterben werde und an einem anderem Ort in einem weißen Raum aufwachen werde.

Deine Beschreibung finde ich nicht genau genug. Das hat zur Folge, offensichtlich macht es Dir das
etwas schwieriger Dein gedankliches Problem einzukreisen.
Wenn Du mit Schmerzen im Knie, zu einem Arzt gehst und sagst, mein Körper hat ein Problem kann
der Arzt die Ursache vermutlich zunächst gar nicht feststellen.
Damit will ich sagen. Wir wissen heute sehr viel darüber, was in unserem Kopf abläuft. Vor allem auch
darüber, was unsere Ängste betrifft, unsere Gefühle, unser Unterbewusstsein und auch das, was wir
unseren Verstand (unser Bewusstsein) nennen.
Die Zwangsgedanken entstehen meiner Ansicht nach rund um den Bereich, unsere Angst und wie wir
teilweise versuchen über unser Angstgefühl die Kontrolle zu bekommen oder zu behalten.

Zitat von moo:
die Hauptfunktion einer Zwangshandlung ist die (vermeintliche!) Kontrolle!

Zitat von moo:
Solange wir uns drum kümmern, sind wir in Sicherheit (= geistiger Aktionismus).

Hier und auch in anderen Teilen, stimme ich den Aussagen von moo völlig zu.

Zitat von FloraFinia17:
Auf der einen Seite weiß ich natürlich, dass dies Quatsch ist, so wie man das bei Zwangsstörungen immer weiß.

Zitat von FloraFinia17:
Und trotzdem muss man seine Zwangshandlung ausführen, damit die Anspannung nachlässt, weil man glaubt damit ein Unheil abwenden zu können.

Ich finde das erklärt sich auf folgende Weise. Hier sind zwei Bereiche in Deinem Kopf am arbeiten.

Die Forderung, die Zwangshandlung auszuführen, wir durch ein oder mehrere Gefühle erzeugt.
Wir sind uns hier wohl einig darüber, dies kommt von einem Gefühl nach Sicherheit.
Wir sprechen also über die Gefühlsebene.

Mit unserer Gefühlsebene arbeitet die Verstandesebene ganz eng zusammen. Deine Verstandesebene
versucht Dir zu sagen. Führe ich nun den Zwang aus, ist das Quatsch.
So möchte ich das nicht bezeichnen. Schließlich verfolgst Du vermutlich doch klar das Ziel dabei,
Deine Sicherheit zu erhöhen. Leider merkst Du dabei aber auch. Es gelingt Dir nicht so recht, mit
der Handlung Dein Gefühl nach Sicherheit dauerhaft zu verbessern.
Ich würde Dir deshalb empfehlen mal zu versuchen, Deinen persönlichen Blick etwas mehr genau
auf die Stelle zu richten, wo Deine Gefühle und Dein Bewusstsein (oder auch der Verstand) zusammenarbeiten.

Wenn Dein Verstand sagt: Eigentlich ist es Quatsch, wie ich versuche mehr Sicherheit zu bekommen.
Dann frage ich Dich.
Was kannst Du tun, dass Dein Verstand zukünftig sagt, jetzt bekomme ich immer häufiger Signale
von Gefühlen, die sagen.
Ich finde, ich lebe und bewege mich immer mehr in einem weitgehend sicheren Bereich.

@moo Vielen lieben Dank für deine netten und durchdachten Worte, du hast mir sehr geholfen!

Das in etwa hat mir mein Partner übrigens auch gesagt:

,,Wochentage, Tag und Nacht, Zeit generell sind alles letztendlich Narrative des menschlichen Geistes.''

Da habt ihr beide sehr Recht.

Ich habe gestern folgende Übungen probiert: mir ein Stoppschild vorstellen, wenn negative Gedanken auftauchen. Ich denke die Gedanken werden kleiner, wenn ich sie nicht mehr füttere. Meditation und Imaginationsübungen.
Ich denke so werden die Ängste von Tag zu Tag kleiner. Negative und destruktive, gar solche selbstzerstörerischen Gedanken sind nicht die Realität. Diese schrecklichen und angstauslösenden Gedanken habe ich mir selbst konstruiert und nun muss ich herausfinden, warum ich solche Ängste in mir erzeugen möchte und wie ich Macht über meine Gedanken haben, anstatt umgekehrt.

@Hotin Auch dir vielen lieben Dank für deine netten Worte!

Zitat von FloraFinia17:
Diese schrecklichen und angstauslösenden Gedanken habe ich mir selbst konstruiert und nun muss ich herausfinden, warum ich solche Ängste in mir erzeugen möchte

Ich glaube hier stellt sich die wichtige Frage. Konstruierst Du Deine angstauslösenden Gedanken wirlich selbst?
Vielleicht bist Du gar nicht hauptsächlich dafür verantwortlich.
Ich vermute mal, dass Du auch keine starken Ängste in Dir erzeugen möchtest.
Nach meiner Sichtweise passiert da etwas anderes.

Unsere Angst ist ein Gefühl. Gefühle tauchen mal hier und mal dort auf, meistens ohne das wir
bewusst etwas dafür tun. Gefühle steuern somit unser Leben fast ausschließlich indirekt.
Ich glaube nicht, dass Du Deine Ängste erzeugst. Ich vermute, Du kennst nur die Technik noch nicht
gut genug, wie Du mit Deinem bewussten Denken auf Gefühle, also auch Ängste beruhigend eingehen
kannst und dadurch verhindern kannst, das ein Gefühl (und nicht Dein bewusstes Denken) darüber entscheidet, ob Du Dich gut und zufrieden oder schlecht und unglücklich fühlst.

Ein besonders gutes Beispiel dafür ist meiner Ansicht nach die Situation, wenn wir mit jemandem
reden, der uns versucht zu beruhigen.
Wenn ein Mensch mit uns beruhigend redet, dann leiht er uns für eine gewisse Zeit sein
bewusstes D
enken.
Damit unterbricht derjenige den negativen Überdruck, mit
dem unsere Gefühle versuchen uns zu
überstimmen und zu beeinflussen.

Beispiel: Bin ich beim Arzt, beruhigt er mich. Bin ich wieder zuhause, verschwindet der beruhigende
Effekt häufig bald wieder. Das Gedankenkarussell arbeitet wieder und verunsichert unser bewusstes
Denken aufs neue..

Zitat von FloraFinia17:
und wie ich Macht über meine Gedanken haben, anstatt umgekehrt.

Macht kannst Du über Deine Gedanken dann bekommen, wenn Du nicht nur auf Deine Gefühle hörst,
sondern manchmal auch völlig unabhängig von Deinen Gefühlen entscheidest.
Möglichst danach entscheidest, ergibt es einen Sinn, wenn ich auf diese Gefühl höre?
Oder sollte ich mich lieber gegen dieses Gefühl entscheiden? Was bringt mich weiter?
Unsere Gefühle sind so etwas wie unsere Berater. Und es ist toll, wenn man Berater hat.
Aber müssen wir alles denken und machen, was uns unsere Berater erzählen?

A


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