ich habe in den letzten Wochen viel durchmachen müssen. Vorweg, ich bin seit diesem Frühjahr (wieder) in psychologischer Behandlung um meine Kindheit aufzuarbeiten und es ging mir auch ganz gut damit. Außerdem habe ich seit ein paar Monaten einen Freund, der mich liebt und mir beisteht.
Vor ein paar Wochen fing ich aber an plötzlich aggressive Zwangsgedanken zu haben (z.B. dass ich meinem Freund oder meiner Katze weh tun könnte. Auch dass ich mir weh tun könnte.). Ich bekam wahnsinnige Angst, weil ich sowas vorher noch nie hatte. Zudem wurde ich auch tatsächlich manchmal richtig wütend und hätte jemanden anschreien können. In der Zeit waren wir auch kurz im Urlaub und ich war total schnell gereizt und hab mich über andere Leute aufgeregt. Zudem hatte ich ausgerechnet im Urlaub mit meinem Freund plötzlich das Gefühl ich würde ihn nicht mehr lieben, weil ich immer wieder emotionslos war. Außerdem bekam ich plötzlich furchtbare Albträume. Meinem Freund fiel auf, dass ich viel schneller gereizt war und hat es auch angesprochen, was mich wahnsinnig verunsicherte.
Kurzum: ich habe mich permanent schuldig gefühlt, dachte ich mache gerade eine krasse Charakterveränderung durch und verliere meinen Verstand. Mein Freund und meine Therapeutin, denen ich natürlich alles erzählte, mussten mir die ganze Zeit versichern, dass ich nicht verrückt oder zur Gewalttäterin werde, weil ich mir selbst nicht mehr glauben konnte. Ich fühlte mich so schuldig, weil ich diese Wut und Emotionslosigkeit in mir spürte und kritisierte jedes Gefühl das ich hatte, jeden Gedanken, jede Handlung, alles an mir.
Manchmal versuchte ich die Wut zu unterdrücken. Extra lieb zu jedem Menschen zu sein, der mir begegnete, egal wie unfreundlich derjenige war. Ich traute mich nicht mal meine Katze von mir runter zu heben, wenn sie auf mir rumlief und mir weh tat. (Wie absurd. Normalerweise hätte ich ohne nachzudenken Aua geschimpft und sie von meinem Bauch geschoben.) Am Ende des Tages war ich dann so geladen, dass ich noch mehr Angst vor mir selbst hatte. Ich konnte nicht mal Bücher lesen oder etwas im Fernsehen ansehen was mit Gewalt zu tun hatte, weil ich sofort dachte Oh Gott, bin ich auch zu so etwas fähig?. Ich wollte sogar nicht mehr einschlafen bzw. mich ans Bett ketten, weil ich Angst davor hatte im Halbschlaf etwas schlimmes zu tun.
Nun aber kam raus, dass ich unbemerkt schwanger war und dass die Zwangsgedanken, die Wut, die Emotionslosigkeit und die Heulattacken genau in dieser Zeit angefangen haben. Meine Recherche hat schon ergeben, dass viele Schwangere mit emotionalem Auf und Ab zu kämpfen haben und schneller gereizt sind. Seitdem ich mir diese Phänomene mit der Schwangerschaft erklären kann und mich nicht mehr für wahnsinnig halte, geht es mir um einiges besser. Zwar habe noch Gefühlsschwankungen, aber die sind nun aushaltbar, weil ich weiß, dass sie wieder aufhören und ich mir den Ursprung erklären kann. 1-2 Anflüge von Zwangsgedanken hatte ich auch noch, aber die konnte ich mit einem gedanklichen Nein beenden. Das Selbstvertrauen kehrt sozusagen langsam zurück.
Nichtsdestotrotz, eine kleine Restangst, dass die Zwangsgedanken oder die Aggressionen bleiben, habe ich dennoch. Dann komme ich wieder ins Zweifeln und Selbstzweifel sind, wie man an meinem Beispiel sieht, der beste Nährboden für eine emotionale Abwärtsspirale. Hätte ich gleich gewusst, dass ich schwanger bin, hätte ich den Dampf vielleicht einfach so rausgelassen und es wäre nie zu dieser krassen Belastung gekommen. Meine Frage lautet daher, habt ihr ähnliche Erfahrungen in der Schwangerschaft machen müssen? Ging es euch danach wieder besser?
(Die Schwangerschaft breche ich aber ab, falls mir jemand gratulieren möchte. Rechtfertigen werde ich mich dafür auch nicht, weil es mein Recht ist und Generationen von Frauen für dieses Recht gekämpft haben. Ihr werdet nicht glauben wie viele Frauen(!) mir in den letzten Tagen schon ein schlechtes Gewissen einreden wollten. Das empfinde ich als Verrat an den Errungenschaften der Zivilisation.)
Viele Grüße
05.10.2017 12:41 • • 07.10.2017 x 1 #1