Servus (ebenfalls aus Bayern) und willkommen David,
Zitat von DavidS: Ich beschäftige mich viel mit Philosophie und habe dann beim Laufen über das Wesen der Realität nachgedacht. Das hat mich letztendlich so verstört, dass ich in eine schlimme Angstphase gerutscht bin.
Das kenne ich gut...es war eine spirituelle Krise, die meine erste Angstperiode ausgelöst hat. Heute verstehe ich, dass das wirklich existenzielle Nachdenken über das, was wir leichthin als Realität bezeichnen, ja eigentlich Angst machen
muss! Denn
was erkennen wir denn beim genauen Hinschauen (oder besser: was erkennen wir
nicht)? Bestenfalls bringen uns derlei Einsichten von unseren bisherigen Pseudoüberzeugungen ab und führen zu einer direkteren Sicht.
Ein wichtiger Aspekt ist dabei m. E. jedoch zu bedenken: Es ist
eine Seite der Medaille, etwas wirklich Existenzielles zu begreifen und die andere, das auch zu
verkraften! Einleuchtenderweise sind wir Ängstler, Zwängler, Depressive etc. sehr oft nicht mit oberflächlichen Lebensentwürfen abzuspeisen - wir zweifeln! Wir zweifeln an uns, an der Menschheit, am Leben, am Tod, an der Realität, an Gott, an Himmel Hölle etc. Auch in meinem Fall war der Zweifel geradezu existenziell (sic!). Gleichzeitig leiden wir an diesem Zweifel, denn wie das Wort so schön versinnbildlicht, sind wir sozusagen ent-zweit und nicht ver-eint.
Zitat von DavidS: Mit darauf bezogenen Gedanken und panischer Angst sowie Depression hatte ich dann zwei Wochen zu kämpfen, bevor es etwas besser wurde.
Mich würde interessieren, welche Gedanken Dir hier durch den Kopf gingen, die Dich so verängstigt haben?
Zitat von DavidS: Nun geht es darum, dass ich Angst davor habe, kontrolliert / gesteuert zu werden bzw. keinen freien Willen zu haben. Dies kenne ich schon aus vergangenen Phasen.
Wir Zwängler (und auch in vielen Bereichen die Ängstler) kreisen ständig um das
Kontrollthema. Ich gehe davon aus, dass ich Dir da nichts Neues sage!? Hinzu kommt der Glaube (der gleichzeitig auch die Angst davor beinhaltet), unser Denken bzw. Handeln könnte irgendeinen wirkmächtigen Einfluss auf das objektive Geschehen (die Welt) haben.
Der freie Wille ist ja ein Kernthema der Philosophie. Ich persönlich bin der Meinung, das ein Ich jeglichen freien Willen verunmöglicht. Ein Ich, ein Selbst
muss immer Vorlieben und Abneigungen folgen. Ein Ego besteht aus nichts anderem als aus diesem Wollen und Nichtwollen. Zu dem Wollen gehört,
a) dass
es die Kontrolle haben will und
b) dass
es nicht kontrolliert werden will.
Der freie Wille, so wie ich ihn verstehe, wäre Selbst-los und deshalb letztendlich hinfällig (s. o.).
Zitat von DavidS: Dieses Mal kommt dazu ein vermeintlicher Kontakt zu Gott, was mir furchtbare Angst macht.
Tja, eine Altlast aus unserer monotheistischen Erziehung bzw. Kultur. Ich kenne das sehr gut aus meiner Pubertät. Diese innere, göttliche Stimme, die alles was ich denke, sage oder tue auf seine Reinheit, Tugend und natürlich Schlechtheit und Sündhaftigkeit hin kommentiert, kann einen wirklich in den Wahnsinn treiben. Sie bietet (und bot auch in meinem Falle) einen sehr weitverbreiteten Nährboden für Zwänge, die sich bis ins Unaushaltbare steigern können. Ich bin damals durch fast alle Stadien gegangen.
Du musst hier bedenken: Geist ist immer nur Geist! Selbst ein Gott (sofern vorhanden) ist letztendlich nur Geist. Du wirst kein Ich hinter Deinem Geist finden, ebensowenig einen Geist hinter einem Gott. Ich habe seinerzeit in tiefster Verzweiflung verstanden, dass der ganze dualistische Mist (Gott/Teufel, Himmel/Hölle etc.) ein absoluter Irrweg ist. Stattdessen sah ich keine andere Wahrheit sondern der Irrweg löste sich lediglich auf!
Zitat von DavidS: Seit 4-5 Tagen kann ich kaum noch irgendeine Arbeit im Haus verrichten. Ich bin gar nicht bewusst da und habe ständig heftige Angst und meine Gedanken kreisen um die Echtheit dieser Vision und Auswirkungen auf mich.
Das ist in fortgeschrittenen Zwangs(gedanken)stadien völlig normal. Hier hilft m. E. sehr, sich regelmäßig zu erden. Selbstberührungen (z. B. einen Daumen mit der anderen Hand umschließen), Metta-Meditation uvm. währen akute Möglichkeiten, zu Dir zu kommen. Du brauchst tatsächlich ein gewisses Maß an Selbst-Sicherheit um die Unsicherheit des Selbst erkennen und v. a. verkraften zu können. Dann allerdings kann die Befreiung sehr zügig vonstatten gehen. Vielleicht kann @Flame noch ein paar Gedanken hierzu äußern?
Zitat von DavidS: weil ich mich mit den Bildern, die Leute mit Zwangsgedanken schildern, normalerweise nicht ganz identifizieren kann
Zwänge und Zwangsgedanken haben viele Gesichter und jeder
erlebt sie ganz individuell. Die unterschiedlichen Klassifizierungen bieten nur begrenzte Unterstützung bei der Behandlung. Viel wichtiger im eigentherapeutischen Kontext ist, dass Du die tieferliegenden Ursachen suchst und nicht die Zwangsinhalte überinterpretierst.