Das ist allerdings ein sehr großes Problem. Ich gehe nicht einkaufen, ich nehme nicht am öffentlichen Leben teil, ich gehe nicht zur Schule, ich gehe nicht mal mehr spazieren, ich habe von der eigenen Familie abgesehen überhaupt keine Außenkontakte / Freunde mehr. ich mache rein gar nichts und sitze Zuhause in meinen sicheren vier Wänden, oder soll ich besser Gefängnis dazu sagen? Wenn ich meine Familie nicht hätte, wäre ich aufgeschmissen.
Ich habe immer gedacht, das ist ein schulspezifisches Problem. Durch das damalige (2012-2013) extreme Mobbing, dass ich belästigt wurde, angefasst wurde, gefilmt wurde, auf dem Nachhausewegen die Typen aufgetaucht sind, und dass ich einfach nur Sorge vor meinen neuen Mitschülern habe, mir es schwerfällt, generell die Schulen noch zu besuchen, aber nein, das ist kein schulspezifisches Problem. Derselbe Widerstand und innerlicher Kampf, der findet generell statt, wenn es heißt, ich muss raus. Nicht auf Schulen beschränkt, sondern auf alles, was sich draußen abspielt. Und dadurch habe ich entsprechend überhaupt nicht mehr das Bedürfnis dazu. Das ist ein sehr großes, fettes Problem.
Ich habe eine tolle Schule, die sehr viel Verständnis für mich aufbringt, und mein Verhalten uneingeschränkt toleriert und meine Fehltage entschuldigt, weil ich ehrlich zu ihnen bin, sie in alles einweihe, sie wissen, WAS ich durchlebt habe. Ich habe eine super liebe Sozialarbeiterin an der Schule, die mich seit Beginn des Schuljahres betreut, und auch meine Ansprechpartnerin vom Sozialpsychiatrischen Dienst weiß Bescheid. Und ich habe das mündliche Versprechen, dass ich das Schuljahr nach dem Sommer wiederholen darf.
Doch dafür muss ich ihr und der Schule aber auch Fortschritte präsentieren, und das gestaltet sich sehr schwierig. Entsprechend groß, ist die Sorge, wie es mit mir nun dann weitergehen soll. Wenn ich die Entscheidung treffe zur Schule zu gehen, einkaufen zu gehen, herauszugehen, möchte ich nicht mehr das Bedürfnis haben, mich zurückziehen zu müssen, mich weiter Zuhause isolieren zu müssen, oder diesen innerlichen Konflikt mit mir austragen müssen, der größte Gegner bin ich mir selbst. Sondern ich möchte das tun, weil ich es will und zu 100% auch dahinterstehe. Ohne Erwartungshaltungen oder Druck. Das muss von mir kommen, wenn das funktionieren soll, und es kann auch nur so funktionieren. Aber wie gelingt mir das?
Meiner Sozialarbeiterin nach, muss ich für mich selbst die passende Geschwindigkeit finden, sie findet aber auch, dass ich in diesem Schuljahr sehr zielorientiert geworden bin, und dass ich kontinuierlich an meinen Zielen arbeite, ich gute Fortschritte mache, und auf einem sehr guten Weg bin. Sie hat zumindest in dem Punkt recht, dass ich mich noch nie so gründlich und intensiv hinterfragt habe, wie in diesem Schuljahr. Es fühlt sich wirklich an, als würde mein 9-jähriges Isolationsleben gründlich durchgeschüttelt werden, als würde ein Bagger eine fette Abrisskugel dagegen klatschen. Und das ist unfassbar gruselig und verunsichert mich.
08.05.2022 17:18 • • 06.02.2023 x 8 #1