Guten Morgen moo! Vielen Dank für deinen ausdauernden Beitrag und die interessanten
Informationen.Besonders das Denken bei Sucht interessiert mich, weil es mir verstehen hilft,
wie meine Familie gedacht hab und was ich auch selber übernommen habe als normal.
Die Grenze zu Co-Süchtiger und Süchtiger ist sehr schwimmend, finde ich.
Zitat:Du hast Dein Leben lang auf Feedback von Deiner Familie gewartet, aber nie erhalten. Die ständigen Anschuldigungen erzeugten unterbewusst die Gewissheit es liegt immer (!) an MIR.
Meine Wahrnehmung und Interessen wurden nie gesehen oder bekräftigt oder eher als falsch
und schlecht hingestellt . Das verunsichert sehr, ich hatte viele Jahre DP / DR Erlebnisse, weil ich
und alles mir zu unwirklich vorkam.
Stattdessen kamen Erwartungen, die ich nicht sehr nachvollziehbar fand und oft auch sprunghaft,
die aber durch Gruppenzusammenschlüsse oder auch Folgen per Worten, Strafen usw meine
ganze Realität so ausgemacht haben.
Das eigene Wahrnehmen hat sich erst durch Therapie und auch Selbsthilfegruppen dann
verändert, dass ich eine andere Art Feedback bekommen habe und mich selbst mehr
wahrnehmen konnte. Aber sicher bin ich mir da nicht, da war das andere doch sehr viel mächtiger.
Zitat:Nichtsdestoweniger ist sie ebenso ungeeignet wie Dein Vater, eine Familie zu gründen.
Sollte man meinen, aber da hat man sich früher wohl nicht soviele Gedanken gemacht,oder die
Vorstellung hat gereicht ja da müssen Kindern sein.Wir waren auch mehr ein Unfall.
Beim ersten Kind hat meine Mutter erst im 8. Monat gemerkt, dass sie schwanger war.
Hatte es auch mal mit Hellinger versucht, der ja auf starke Störungen in den Vorgenerationen
schaut und in so einem Fall sagt man da wohl eher Danke für das Leben, dass du mir geschenkt
hast, den Rest mache ich alleine.
Zitat:A-iker wünschen sich grundsätzlich keine Veränderungen. Alles muss so bleiben, damit sie weiterhin Gründe (Ausreden!) für ihren Konsum finden. Deswegen sind sie für ihr Umfeld auch so toxisch (= Co-Abhängigkeit von Angehörigen). Sie lähmen unsere eigene Entfaltungs- und Entwicklungsfähigkeit.
Und das Bild Entwickeln ist unmöglich und die Ängste an den Grenzen hab ich ja sogar
auch sehr übernommen. Das war ja nicht nur im Leben schwer, ohne Unterstützung, und da
geht ja auch so mal was schief, wenn man was versucht, sondern die Bremsen und
Verunsicherungen durch Familie folgten zusätzlich.
In der Jugend bin ich zwar oft mit dem Kopf durch die Wand, aber es folgte ein Riesentheater.
Später war ich dann zwar die äußeren Bremsen eher los, aber die Introjekte machten mir zu
schaffen, bis hin zu völliger Identifizierung mit den ganzen Vorstellungen, insb.von meiner Mutter.
Dann alles alleine schaffen ohne Vorbilder und auch Rückschläge, das raubte mir die
letzte Energie, sodass ich mich selber zurückzog und resignierte.
Ich hatte auch ein Händchen dafür, mir ähnliche Partner und Bekannte zu suchen, die auf
Entwicklung nicht soviel Wert legten oder das nicht nachvollziehbar fanden.
Die dann die Resignation und Blockade bekräftigten.
Wenn ich mal ein kurzes Selbstgefühl hatte, war der Weg zum Rückfall nicht weit.
Zitat:Klar, A-iker brauchen den Heimvorteil. Auswärtsspiele sind die Hölle für sie. Außerdem ist dort u. U. kein Nachschub verfügbar. A-iker sind zutiefst verunsicherte Menschen und benötigen ihr selbsterschaffenes Gefängnis um sich halbwegs sicher zu fühlen.
Ja, das finde ich irgendwie nachvollziehbar. Wenn man einmal aufhört mit Entwicklung,
dann fühlt man sich dem ganzen nicht mehr gewachsen.
Da hab ich auch weniger Hass und Verachtung sondern eher Bedauern und Mitleid
für meine Eltern. Sie erleben ja nichts schönes.
Dass man den Kindern ein Gefühl für das Leben verwehrt oder zumindest sehr große Steine
in den Weg legt, das hätte besser laufen können.
Aber soweit ist mir das in der Therapie und eigenen Prozessen dann schon klar geworden,
dass sie es nicht mit bewusster böser Absicht gemacht haben, sondern aus ihrer Perspektive
gar nicht besser wussten und können.
Das einzige, was ich vorwerfen könnte ist, dass sie ihre Wahl ignoriert haben, das Leben
anders zu sehen, Beziehung anders zu leben.
Zitat:Das war ihr Weg, mit der dysfunktionalen Familiensituation umzugehen. Es ist legitim und verdient einen gewissen Respekt. Solange ihr Weg aufgeht, behält sie verständlicherweise ihre Scheuklappen bei (ggü. Deiner Therapie). Man kann es ihr nicht verdenken.
(Schwester) Ja, sie hat sich mit einer Art Optimismus und Pragmatismus ihren Weg gebahnt
und macht es noch.Wahrscheinlich muss sie auch für sich rechnen, was sie geben kann, damit
alles andere überhaupt erhalten bleibt. Da bleibt nicht viel Spielraum.
Ich merke, wenn ich das auch respektiere, dass meine Schwester es auch schwer hat und
ihren eigenen Umgang hat, und darin ja auch irgendwie konsumiert ist und rigide, dann
habe ich auch mehr Verständnis.
Sie hatte eh nie die Verantwortung für mich als Kind, das hat sie sich pragmatisch auch
mit so aufgelastet. Und ich war über jeden Strohhalm dankbar.
Und sie hat absolut null damit zu tun, dass ich eine Sehnsucht hab nach seelisch da sein
und Freiheit fühlen und einer weiten Wahrnehmung der Welt.
Das gab dann auf meiner Seite auch oft Frust, wenn das nicht vorkam, und auf ihrer Seite Überforderung, wenn sie das spürte, und war auch ein Punkt, wo sie dichtmachte, flüchtete usw.
Was ich ihr auch hoch anrechnen muss, sie ist nie so aggressiv und zerstörerisch wie meine
Mutter, wenn ihr was nicht passt. Sie hat da schon ein sehr nettes freundliches Wesen,und
sie blendet dann aus und wendet sich ab.
Zitat:Es ist logisch, dass jemand der aus derlei Familienverhältnissen ausbricht, als persona non grata abgestempelt wird. Das hat mit Dir überhaupt nichts zu tun.
Ja, nicht einverstanden sein und anderes wollen, oder hier auch notwendig brauchen, denn
ich hab offen unter diesem System gelitten, das passt den anderen nicht, die mit dem System
gut klar kommen.
Die anderen kamen mir auch agierender und gestaltender vor, das hab ich mich nicht getraut
und mir fehlte ja auch die Basis ich bin. Mir fehlte das Formulieren von Vorstellungen und
anderen sagen So läufts.
Und wenn, kam das ja rüber wie ein Zwergenaufstand, der entweder ignoriert wurde oder
es kamen die ersten Betitelungen,wie ich auf was komme.
Selbst wenn das So läufts ja nur mich alleine betraf, wurde ich da aber angegangen.
An diesem Abgrenzen hab ich noch echt zu knabbern. Und gleichzeitig zu sagen ich bin wer,
ich hab ein Gewicht, wenn es um meinen Raum, meine Zeit, meinen Willen geht, was
meine eigenen Dinge angeht.
Zitat:Als ich erstmals eine Psychoanalyse anfing, wollten meine Eltern keine Details wissen, weil sie ahnten, dass sie da u. U. nicht so gut wegkamen. In Wirklichkeit hatten sie wenig Schuld, aber nahezu alle Eltern mögen es gar nicht, wenn jemand von außen ihre Erziehungsfehler (die überall stattfinden) aufdeckt. Ist verständlich, aber letztendlich für sie eine vertane Chance, zu lernen.
Um Schuld geht es ja eigentlich auch gar nicht oder Fehlersuche.Aber ich glaube, das denken
viele, dass da eine Art Gerichtsverfahren auf sie zukommt.
Es besteht schon irgendwie eine Angst, genauer hinzusehen.
Dabei könnte ein Gespräch doch einfach nur etwas zeigen, eine Verbindung bringen und dann für
sich erst mal wirken. (statt Tabu, Blockade).
War die Methode der Psychoanalyse denn gut für dich?
Konnte die wirklich so im Unbewussten etwas bewirken?
Zitat:Zitat von Feuerschale:
Aber im Verlauf der hiesigen Therapie hab ich nach ca 8 Jahren Funkstille den Kontakt wieder aufgenommen.
Weshalb? Wegen dem oben beschriebenen vorauseilenden Gehorsams?
Nein.
Einmal hatte die Therapeutin sich interessierter gezeigt, wie meine Eltern aufgewachsen sind,
was das für ein Grundstück war, da war auch eine kleine Firma drauf ect und sie war sogar mal
da hat sie gesagt, wobei ich das schon überraschend fand.
Und sie meinte auch, dass ich ja auch ein Recht auf meinen Heimatort hätte, denn ich fühlte mich
wie eine Vertriebene auch etwas, und ich war so gerne am Fluss und der Mündung spazieren
und bin jahrelang nicht mehr dahin.
Letztendlicher Auslöser war aber eine Art von psychotische Phase, die ich Ende letzten Jahres
hatte. Zum einen war die Motivation währenddessen etwas absurd (passte zu der empfunden
Geschichte ) Und ich hatte das Gefühl, dass diese Phase auch meine tieferen Werte hochgebracht hat.
Ich bin zum einen Vegetarier geworden, und zum anderen fand ich es doch zu kopfig und herzlos,
den Kontakt ganz abzubrechen, so schwer es auch ist, ihn zu halten.
Ich war dann schon gerührt, als ich meine Mutter gesehen hab, hab sie auch umarmt, obwohl
wir das nie gemacht hatten.
Jetzt ist meine Welt wieder normaler und die Ratio viel mehr da, aber eine Art von Kontakt
halten, eher lose, ist immer noch ok.
Ich vermute, es wird eine Riesenübung, mit meinen Erwartungs-Erwartungen klar zu kommen,
mit diesen Introjekten hauptsächlich, denn so sehr zerrt meine Familie ja real gar nicht an mir,
wenn ich mich wieder außerhalb ihrer Welt befinde.
Zitat:Zitat von Feuerschale:
Jetzt sitze ich aber in der Wohnung und spüre irgendie den Erwartungsdruck. Es sind zwei Wochen nach meinem letzten Besuch verstricken, ohjee ich muss
mich melden.
Was passiert denn im schlimmsten Fall, wenn Du Dich nicht mehr meldest - nie mehr?
Von ihrer Seite kommt da eigentlich nicht mehr viel.
Meine Mutter zieht seltsame dramatische Erklärungen heran, warum ich mich so verhalte
(die könnte irgendwelche Horror-Dramen intonieren, wenn sie von Menschen und
der Welt spricht oder sie von mir einzelne Dinge erfährt ), würde aber selber kaum mal
anrufen oder Kontakt suchen.
Sie würden über mich absurdes, unwahres denken, aber das könnte ich auch in der Präsenz
nicht ausräumen, das machen sie sowieso.
Im Grunde hab ich aber gesehen, die kommen schon ganz gut ohne mich klar.
Also mehr kann ich von dem Kontakt nicht erwarten, als mal Kaffee trinken und
Strategien finden, dass man da keine Migräne bekommt und innerlich nicht abgeht.
Mal rausgehen, einzeln mit den Kindern mal unterhalten, Katze streicheln, praktisch
mithelfen usw.
Das schwierigste ist für mich, eine Dosis zu finden, wieviel Kontakt ich will und die zu vertreten,
hauptsächlich schon in mir drin das klar zu haben und für ok zu befinden.Da höre ich innen
eher du musst wie ein alternativloses Programm incl. begleitender Emotionen, Druckgefühl.
Aber auch wenn dezente oder direkte Hinweise von meiner Schwester kommen ich dachte,
du meldest dich mal. Da fühle ich mich irgendwie hilflos in die Ecke gedrängt, sehe nichts
als Gründe für mich an, warum ich nicht will, sondern es fühlt sich an wie Verteidigung und
Ausrede,oder da ist Leere und mir fällt überhaupt nichts ein.
Ich will so und so, das reicht mir erst mal wäre mir total fremd. Und so laviere ich und
reagiere wieder um die Denkweise von Mutter und Schwester.
Zitat: Auch hier wirst Du konsumiert.
Konsumiert finde ich wirklich einen guten Begriff, da wo durch eigene Einstellungen,
Tätigkeiten, Umfeld das wahre Selbst nicht so sein darf. Und man selber agiert nur noch nach
Vorstellungen.
Zitat:Durch Reflektionen wie diese hier, verlagerst Du Deine Position und die Zwangsgedanken werden schwächer. Wie ganz oben schon gesagt: Je mehr Einsicht, desto freier bist Du.
Ja, ich merke dass manches doch so deutlicher wird, eine andere Perspektive kommt oder
Verständnis, warum die anderen das so wollen und warum ich so reagiere.
Zitat:Die Familie hat Dich nicht besiegt...
Im Grunde sind das alles Opfer. Aber dort sind sehr rückständige blockierte Strukturen.
Ich fand es nur immer auch schade, dass man es weiterlebt. Bis ich ja selber bei mir merke,
dass ich an manchen Stellen doch sehr verharre.
Vielen Dank nochmal für den Austausch und einen guten Sonntag!