Meine Therapeutin meint, dass meine Mutter sich wahrscheinlich sehr große Sorgen macht und daher jedes Mal überreagiert, wenn etwas nicht stimmt - und damit zu sehr in die falsche Richtung. Ich merke aber auch oft, dass meine Mutter oft denkt, ich würde simulieren, und da weiß ich einfach nicht, woher das kommt.
Ich habe als Kind zwar manchmal so getan, als wäre ich krank, damit ich nicht in die Schule muss, aber das hat doch jeder mal?
Sie hat mich eigentlich nie betüttelt. Selbst, wenn ich wirklich krank war, hat sie mich trotzdem in die Schule geschickt, solange ich kein Fieber hatte. Vielleicht habe ich so gelernt, dass man funktionieren muss und nicht kaputt oder krank sein darf. Keine Ahnung.
Sie hat mir mal gesagt, sie wollte alles besser machen als ihre Eltern. Ihrem Kind sagen, dass sie es lieb hat, oft loben, sowas eben. Aber irgendwie kam da ja das totale Gegenteil raus. Also, aus meiner Sicht, rückblickend, war sie keineswegs jemand, den man liebende Mutter nennen könnte. Ich hatte eigentlich die meiste Zeit in irgendeiner Form Angst vor ihr, wenn auch unbewusst. Aber da sie die einzige Bezugsperson war, konnte ich dem auch nicht ausweichen.
Sie will, dass einfach alles gut ist. Und wenn es das nicht ist, dann brennt da scheinbar irgendwas durch bei ihr. Vielleicht denkt sie, sie hat als Mutter versagt, kann damit nicht umgehen und lässt die Spannung dann wieder an mir aus. Ich weiß es nicht. Ich glaube, sie weiß es selber nicht.
Sie hat auch mal gesagt, sie denkt immer, wenn ich sage, ich will nicht mehr leben, will ich ihr nur damit weh tun. So ein Quatsch.
Ich versteh das einfach alles nicht.
Bei meinem ersten Mal ist sie auch total ausgerastet, weil mein Freund und ich halt etwas unvorsichtig waren (ich war 16, er 17) und hatten anfangs kein Kond. benutzt, weil er meinte, bei ihm kommt irgendwie eh nie was (habe zu der Zeit noch nicht hormonell verhütet). Ich meinte dann irgendwann, dass ich doch will, dass wir eins nehmen, aber letztendlich war da dann dieses Problem, weil er dann doch konnte, und dann kam leichte Panik auf von wegen - was, wenn was passiert ist?
Vermutlich ist damals gar nichts passiert. Aber ich hatte einfach total Angst und wusste auch nicht, wen ich fragen soll, was man da macht. Also hab ich es natürlich meiner Mutter am nächsten Tag erzählt, weil sie schon wieder gemerkt hat, dass was nicht stimmt, und sofort gefragt hat. Es war mir sowieso schon total unangenehm. Ich meinte Ich bin vielleicht schwanger, ziemlich zögerlich, und sofort ist die Stimmung im Raum umgeschlagen, sie sofort, WAS?!, stürmt ins Wohnzimmer, sagt es sofort meinem Stiefvater, der wird auch total wütend. Seitdem durfte mein Freund uns auch nicht mehr besuchen (bis heute nicht). Mein Stiefvater sagte noch, er würde ihm den Hals umdrehen.
Ich hab dann beim FA die Pille danach bekommen, und bzgl der Nebenwirkungen (Übelkeit etc) meinte meine Mutter nur, da wäre ich halt dann selber schuld, wenn mir schlecht wird.
Durfte dann meinen Freund nicht mehr sehen, bis ich hormonelle Verhütung hatte.
Außerdem wusste es danach auf einmal jeder Betreuer/Arzt in der Tagesklinik.
Als ich das meiner Therapeutin erzählt habe, fand sie das schrecklich. Sie meinte, das wäre ja ein riesiger Vertrauensbruch. Dass man jemandem so etwas anvertraut und dann diese Art von Reaktion bekommt, und es dann auch noch jeder weiß.
Insgesamt wurde von mir einfach immer zu viel Reife abverlangt. Meine Mutter war schon als ich klein war immer enttäuscht über meine Geburtstagsgeschenke an sie, weil die so lieblos waren. Ich habe damals einfach noch nicht den Sinn vom Schenken begriffen, dass es nicht darum geht, ein Objekt zu verschenken, sondern der Gedanke dahinter. Irgendwann war es soweit, dass ich mich im Jugendalter an ihrem Geburtstag kaum getraut habe, ihr über den Weg zu laufen, aus Angst, etwas falsch zu machen.
Und zum Thema Ernstnehmen - ich bin im Grundschulalter, als eine Freundin bei mir war, mit der lockeren Leiter von meinem Hochbett nach hinten umgekippt und voll mit dem Rücken gegen die Wand gekracht. Ich konnte für ein paar Sekunden nicht mehr sprechen. Es ging nicht, es kam nur Geröchel raus, was ehrlich gesagt ziemlich beängstigend war in dem Moment. Allerdings sind wir dann trotz allem zum Spielplatz gefahren. Und ich wurde von meiner Mutter noch angemault, dass ich jetzt nicht so eine schlechte Laune haben soll, das wäre ja total blöd für meine Freundin (ich hatte Kopfschmerzen und mir war schwindelig). Zum Arzt sind wir deswegen nie.
So viel dazu.
Heute denke ich mir - was war da los? Sie hat doch genau mitbekommen, wie es mir buchstäblich die Sprache verschlagen hat. Das gibt mir wirklich zu denken...
Sie musste mich ja auch oft genug abholen von der FOS, weil ich starke Panikattacken hatte und dachte, ich müsste sterben. Sie war dabei, als meine Psychologin die Diagnose DR/DP stellte. Und trotzdem, wann immer ich es mal erwähnte, hieß es, Das Wort gefällt dir jetzt, oder?
29.09.2016 21:14 •
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