Hallo @Freisein
ich weiß, ich melde mich gerade recht selten.
Ich bin ja mittlerweile wieder zu Hause, ich war auch sehr froh am Samstag, wieder nach Hause zu können.
Die Woche in Regensburg war leider gar nicht so sonderlich schön. Ich habe mich wieder wie in Watte gepackt gefühlt, alles war so gedämpft, so unheimlich, so surreal. Außerdem habe ich gemerkt, dass zudem meine Emotionen fast komplett abgeflaut sind. Ich spüre seit geraumer Zeit so gut wie gar nichts mehr - und das ist noch viel schlimmer, als traurig zu sein.
Ich würde lieber weinen, als einfach gar nichts zu spüren. Auch meine Bedürfnisse nach Nähe (wie schon gesagt), nach Essen, nach Spaziergängen oder Zeichnen sind einfach weg. Ich möchte gar nichts mehr tun, möchte niemanden sehen, ich erkenne mich selbst einfach nicht mehr wieder. Vor allem das Zeichnen - es war so gut wie schlagartig einfach so, dass ich keine Lust mehr darauf hatte.
Gestern habe ich versucht, ein wenig meine Tagträumerei aufzuschreiben, das habe ich auch schon öfter getan und war nie schlecht. Ich habe aber irgendwann wieder abgebrochen, weil mir einfach der Antrieb gefehlt hat.
In Regensburg war es genauso - eigentlich wollte ich ja gerne spazieren gehen, Sachen unternehmen, die Stadt anschauen - aber als ich da war, war das alles wie weggeblasen. Im Grunde haben wir die Woche mit Fernsehen verbracht. Das war auch nicht gerade zufriedenstellend.
Aber als wir einmal in der Stadt waren, da war es mir schon wieder viel zu viel und ich wollte nur so schnell wie möglich wieder in die Wohnung zurück.
In den ersten Tagen ging es noch, da habe ich auch die Wohnung mal auf Vordermann gebracht und mich ums Abendessen gekümmert. Aber mein Antrieb hat sich mehr und mehr verflüchtigt. Ich bin so unglaublich passiv geworden. Zurückgezogen, in mich gekehrt.
Ich bin zwar ein introvertierter Mensch, aber diese Person, die ich jetzt bin, die ist mir fremd.
Meine Therapeutin meinte, ich bin wohl schon mit dem Gedanken aufgewachsen, es ist besser, bedürfnislos zu sein, sich anderen anzupassen. Und dass dieses Niemanden-Sehen-Wollen vielleicht mehr als ein Reifeprozess gesehen werden kann - also, dass man weniger von anderen abhängig ist, und man besser mit sich alleine sein kann. Letzterem konnte ich aber nicht zustimmen. Es ist nicht so, dass ich nicht nur kein Bedürfnis habe - ich lehne es geradezu ab.
Meine Theorie war: Menschen, die mich schon lange kennen, haben ein Bild von mir. Da ich aber nicht in die Köpfe von Leuten schauen kann, weiß ich nicht, wie dieses Bild aussieht. Und dann weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll, um in dieses Bild zu passen - etwas krankhaft, aber so ist es tatsächlich.
Ich war schon immer (unbewusst) darauf aus, Menschen zum Lachen zu bringen. Jetzt geht das nicht mehr, jetzt geht es mir schlecht. Ich kann zu niemandes Leben aktiv etwas beitragen, und es geht nicht in meinen Kopf, dass allein meine Existenz Menschen wichtig ist. Ich verstehe nicht, dass die Leute mich wegen meiner Persönlichkeit mögen und nicht wegen meinen Taten. Objektiv macht das schon Sinn, aber ich kann es nicht verstehen. Vielleicht, weil ich mich einfach selbst nicht mag.
Ich habe immer Angst, anderen nichts bieten zu können. Dann fehlt mir das Feedback, die Bestätigung, aus der ich Energie ziehe. Dann bin ich einfach nur da. Und das wiederum kann wieder sehr anstrengend sein.
Was mich allerdings fasziniert ist: meine Träume bilden immer mehr ein Zweitleben auf. Nachts träume ich von Dingen, die ich unternehme, und ich verspüre tatsächlich Freude, Zufriedenheit, manchmal auch Trauer, aber ich spüre etwas. In der Realität spüre ich nichts, auch nicht, wenn ich die selben Dinge tun würde. Aufwachen wird von Tag zu Tag frustrierender. Ich würde am liebsten nur noch Träumen.
Mein Psychiater meinte, ich solle die Dosis vom Sertralin (im Moment 50mg) erhöhen, weil es vielleicht einfach noch nicht anschlägt. Nachdem ich aber im Kalender meine Stimmung und Aktivitäten zurückverfolgt habe, ist mir aufgefallen, dass dieses Gefühlsvakuum und die Antriebslosigkeit erst so stark wurden, als ich angefangen habe, Sertralin zu nehmen. Vor allem auf Zeichnen hatte ich dann schlagartig keine Lust mehr.
Jetzt weiß ich nicht, ob das nur ein Zufall ist ... und ob ich die Dosis erhöhen, oder lieber das Ganze wieder ausschleichen soll. Die Panikattacken haben nachgelassen, seit ich wieder zu Hause bin. Aber auch sonst sind eben sämtliche Gefühle einfach weg.
~
Es ist aber nicht alles schlecht.
Ab dem 6. Dezember kann ich ins BKH in die Tagesklinik. Mein Psychiater meinte, das wäre eine gute Idee, da ich einen sehr differenzierten Eindruck mache und man mit mir therapeutisch sicher gut arbeiten kann.
Außerdem komme ich mit meiner Mutter seit Abbruch der Schule wieder sehr gut aus. Das ist eine Erleichterung.
Sie möchte jetzt auch ihre Arbeit kündigen und eine Ausbildung in der Seniorenpflege machen. Das freut mich, weil sie schon seit Ewigkeiten sagt, wie sehr ihr Beruf sie nervt und dass sie ihn eigentlich nur gelernt hat, damit sie eben etwas hat.
Sie hat auch zwei mal mit meiner Therapeutin gesprochen, und vieles ist jetzt einfach besser.
Offenbar war die schwere Lungenentzündung, die sie bei/nach meiner Geburt hatte, wie ein Trauma für mich, da sie sich nur auf ihr eigenes Überleben konzentrieren konnte und kaum für mich gesorgt hat. Daher meine Unsicherheit, die Angst, die Probleme bei Bindungen - und die Angstschübe, die sich wie Fallen anfühlen - also die Angst, fallengelassen zu werden.
Ich bin froh, dass ich so bald einen Platz in der Tagesklinik bekommen habe. Bezüglich dem Sertralin bin ich aber etwas ratlos. Mein Psychiater hat dieses Jahr auch keine Termine mehr frei. Ich weiß grade einfach nicht so recht...
Ich will mich nicht noch mehr isolieren, das kann doch auch nicht gesund sein.
31.10.2016 14:01 •
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