Lieber PQhope2023
Zitat von PQhope2023: Die Zuwendung hin zu dem, was einen zufrieden macht oder was man an seinem Leben gut findet - das achtsamer wahrzunehmen - ist aus meiner Sicht ja bestimmt richtig und wohltuend, doch das zu verknüpfen mit: Dir geht es doch deutlich besser als so vielen anderen ... Sorry, aus meiner Sicht kontraproduktiv.
Das Leben ist allem voran ein stetiges Leiden. Not und Leid begegnen uns jeden Tag. Sind immer da und verfolgen uns wie unser Schatten, lassen uns niemals los.
Der Mensch ist mit seinem einzigartigen Bewusstsein, anders als die von Instinkten gelenkte Kreatur, allerdings sowohl in der Lage, als auch dazu aufgerufen das Leiden zu beenden, sich ihm mit kreativen Lösungen entgegen zu stellen.
Nun gibt es, zusammengefasst, drei Arten/Klassen darüber nachzudenken wie man/ich dem Leiden entrinnen könnte.
1.
Problemorientiertes/Defizitäres Denken: Das mich immer wieder und oft quälend daran erinnert, wie schlecht es mir doch geht, was mir immer noch alles zum Glück fehlt und sich bei sich selbst wie anderen darüber zu beklagen oder gar Schuldgefühle in anderen wie sich selbst zu erzeugen. Nicht minder dadurch auch den Blick neidvoll auf all' das zu richten was die anderen alles haben, ohne mich zu fragen, ob ich bereit und überhaupt dazu fähig bin; es mir so viel wert wäre, dafür auch den u.U. sehr hohen Preis zu bezahlen bereit bin.
2.
Positives Denken/Dankbarkeit: Das mich immer wieder daran erinnert was ich im Leben schon alles erreicht habe und wie viel Gutes, u.U. ohne mein geringstes Zutun mir vom Leben gegeben oder zuteil wird. Ja nur schon ein Leben zu haben, am leben zu sein, sein zu dürfen. Das mich davon abhält anderen etwas zu neiden oder zu missgönnen, weil ich mir klar darüber bewusst bin, dass alles im Leben einen Preis hat, den der andere, für all' das was er hat oder ist, zu bezahlen bereit war, bzw. sein musste.
3. L
ösungsorientiertes Denken: Ich sehe aus dieser Warte nicht nur das Problem, das Leiden, sondern kann, dank meines Bewusstseins und meiner Verstandesleistungen auch etwas dagegen unternehmen. Ich bin dadurch als Mensch dem Schicksal nicht hilflos und ohnmächtig ausgeliefert, sondern kann
immer etwas tun, etwas dagegen unternehmen.
Habe ich mir einen Dorn im Fuss eingefangen, so weiss ich, dass ich nur den Fuss anheben und ihn herausziehen kann/muss, damit der akute Schmerz alsbald nachlässt. Bekomme ich mit zunehmendem Alter mehr und mehr gesundheitliche Probleme, so kann ich durch das Verändern meiner inneren Haltung, das Altern als unabänderlich gegeben mit Würde anzunehmen, dem Leiden gelassener entgegen treten. Ganz einfach weil ich weiss und akzeptiert habe, dass ich trotz allem medizinischen Fortschritt, den körperlichen Verfall am Ende nicht werde aufhalten können und, wie alle anderen Menschen auch, irgendwann dahinscheiden, sterben muss.
Viele Menschen verharren (leider) im Problemorientierten/Defizitären Denken. Das ist natürlich auch viel einfacher, weil es den Menschen, den Betroffenen vor der Verantwortung für sein Leben und die bewusste Gestaltung seines Schicksals entbindet.
So meine Frage an Dich und Antwort zugleich:
Was ist, im Sinne des Positiven Denkens und der damit verbundenen Dankbarkeit, verwerflich daran, einfach nur
dankbar zu sein für alles was ich Gutes erfahren durfte und welche Leiden mir, zumindest bis heute, bisher erspart geblieben sind, ohne mich auch nur im Geringsten daran ergötzen oder hochziehen zu müssen, wie schlecht es anderen im Vergleich zu mir geht?
Zitat von PQhope2023: Depression ist aus meiner Sicht sehr verbunden mit Selbstabwertung und Schuldgefühlen. Letztere werden eher noch verstärkt, wenn man Vergleiche zieht.
Die Depression ist eine umfassende Niedergeschlagenheit die alle möglichen Facetten und Leidensgrade aufweisen und annehmen kann. Aus meiner Sicht leidet der Depressive vor allem daran, den Sinn in seinem Leben verloren zu haben. Weiss nicht mehr für was er überhaupt da, am Leben ist.
Entgegen Deiner Auffassung ist er gerade in genau die ihn so quälende Situation geraten, weil er sich ständig mit anderen vergleicht und/oder inneren wie äusseren Forderungen ausgesetzt sieht, die er nicht erfüllen kann oder, was es vielleicht sogar besser trifft, aus seinem tiefsten Inneren heraus und ggf. unbewusst, gar nicht erfüllen will.
Das oft von Depressiven vorgetragene
Ich kann nicht ist im Grunde daher eigentlich ein
Ich will nichtIch stimme Dir hingegen daher völlig zu, dass genau das noch mehr vergleichen, das Hervorheben der positiven wie negativen Unterschiede, das Gefühl der eigenen Niedergeschlagenheit, die erlebte eigene Nutz- und Sinnlosigkeit noch verstärkt.
Hält dieser Zustand der Hilflosigkeit zu lange an, so formt sich sogar unser Denkapparat in einer Weise um, die u.U. nur schwer wenn überhaupt reversibel sein kann, da sich diese Lebenshaltung bis hinein in die Genexpression auswirken und sogar neurophysiologisch manifestieren kann. (Ich verweise hierbei auf die umfangreichen Arbeiten und Forschungsergebnisse des Psychiaters, Physiologen und Nobelpreisträgers Eric R. Kandel.)
Fazit: Es ist nicht im Geringsten nötig, ja wäre sogar mitmenschlich verwerflich, sich daran zu orientieren wie schlecht es anderen geht, um sich besser zu fühlen. Das wäre im Grunde ja Schadenfreude! Es genügt daher völlig einfach nur dankbar zu sein für das was ich heute bin und das Gute in meinem Leben, das ich selbst erfahren durfte und an andere weitergeben konnte/durfte.
Den Blick einmal darauf zu richten, dass es anderen tatsächlich schlechter geht kann aber durchaus hilfreich und nützlich sein das Gute wieder in das Bewusstsein derer zu rücken die das Gute gar nicht mehr sehen können.
Es kommt dann immer darauf an wie der Empfänger das aus welchem Blickwinkel sehen will und nicht zuletzt viel Auskunft über sein Denken und seine Haltungen gibt
Darauf, den Blick auf das Gute in meinem Leben zu richten und sich stets daran zu orientieren ist heilend.
Den Blick auf die Leiden der anderen zu richten kann dich ggf. sogar unbewusst irgendwann zum Hypochonder oder gar selbst krank machen.
In diesem Sinne vielen lieben Dank für Deinen Beitrag der viel zur Präzisierung und vielleicht auch Klärung beigetragen hat
Liebe Grüsse
Achtsamkeit