Ich müsste etwas weiter ausholen, um meine Angststörung zu erklären. Bitte verzeiht, falls es euch zu lange ist, ich schreibe unten noch ein tl;dr dazu.
Ich habe seit Anfang des Jahres eine Freundin (meine erste wirkliche Beziehung) und bin extrem stark verliebt (und ihr geht es ebenso). Wir kennen uns seit einigen Jahren, damals war sie aber in einer Beziehung und es war alles nur freundschaftlich. Dann hat sie sich getrennt und seit Oktober letzten Jahres hatten wir wieder vermehrt Kontakt, seit Dezember dann sehr intensiv (fast täglich).
Über Weihnachten/Silvester habe ich dann gemerkt, dass ich (starke) Gefühle für sie entwickelt habe, auch unsere Nachrichten (WhatsApp) und Gespräche (Discord) wurden immer privater und vertrauter. Da hatte ich schon schlaflose Nächte, aber eher aus der Sorge, dass es für sie nur weiterhin was Freundschaftliches ist.
Hab sie dann direkt Anfang des Jahres nach einem Date gefragt und sie hat sofort zugesagt, konnten uns aber erst vor 2 Wochen treffen, da sie die WEs davor verplant war und leider sehr weit weg wohnt (im Norden Deutschlands, ich im Süden).
Sie hat es dann aber nicht länger ausgehalten und mir wenige Tage darauf ihre Gefühle gestanden und ich daraufhin ihr ebenso. Es passt einfach alles perfekt: Wir verstehen uns extrem gut, sind total auf einer Wellenlänge, haben ähnliche Interessen, einen ähnlichen Geschmack bei Musik, Filmen, Serien, Videospielen, Überschneidungen bei den Hobbies, und sie sieht on top auch noch super toll aus! Ich könnte nicht glücklicher sein!
So, jetzt kommen wir zum Punkt:
Schon kurz nachdem wir uns unsere Gefühle gestanden haben und jeden Tag so viel Zeit wie möglich miteinander verbracht haben (per WA, Discord – tw. mit Webcam, Telefon), habe ich angefangen, mir plötzlich Gedanken zu machen, wenn sie nicht geantwortet hat. Man muss dazu sagen, dass sie meist sehr schnell antwortet, häufig innerhalb weniger Minuten. Die Frage war dann immer: Warum antwortet sie nicht? Und jedes mal der Gedanke: Vllt. ist ihr was passiert (Gedanken darüber, dass sie ihre Gefühle verloren hat, hatte ich kaum bis gar nicht). An den WEs, an denen sie tw. mehr als 100 km weit gefahren ist, wurde es dann besonders schlimm: Was, wenn sie einen Autounfall hat? Wenn sie stirbt?
Ich habe da dann tw. Panikmomente gehabt, konnte kaum mehr klar denken, mich kaum noch beruhigen.
Das ging sogar so weit, dass an dem Morgen vor 2 Wochen, als ich zum ersten mal zu ihr gefahren bin, ich eine Panikattacke hatte. Sie hatte mir um 8 Uhr morgens keinen guten Morgen gewünscht hat, obwohl wir das jeden Tag tun. Sie hatte mir am Abend zuvor mehrmals gesagt, um 8 Uhr aufzustehen. Sie meldete sich erst eine halbe Stunde später, weil sie ihren Wecker stattdessen auf halb 9 gestellt hatte. Ich fühlte und fühle mich so dumm, weil es ja so banal war, aber in dem Moment dachte ich, sie sei im Schlaf an einem Herzfehler oder ähnlichem gestorben.
Ich hatte gehofft, dass es besser wird, sobald ich bei ihr war, aber stattdessen ist es danach und seit letztem WE (als ich das 2. mal bei ihr war) nur noch schlimmer geworden.
Ich weiß, aus rationaler Sicht, dass die Wahrscheinlichkeit für ein so plötzliches Ableben infolge eines Unfalls sehr, sehr unwahrscheinlich ist. Ich bin auch schon stundenlang Statistiken darüber durchgegangen und habe mir zusammengerechnet, wie unwahrscheinlich das alles ist. Aber meine rationale Seite erreicht meine emotionale Seite kaum und kann sie fast nicht beruhigen. Emotional habe ich einfach nur wahnsinnige Angst, dass das schlimmste vorstellbare eintritt.
Meine Angst hat sich zudem verändert: Neben der akuten Angst, wenn sie sich gerade nicht meldet, kommt eine Trauer hinzu, als habe ich sie bereits verloren oder als würde sie mit Gewissheit demnächst sterben. Das ist schrecklich und vernichtend. Ich male mir in Gedanken aus, wie mein Leben ohne sie wäre, wenn ich wieder allein wäre, wie ihre Beerdigung aussehen würde, was ich mit den ganzen Sachen mache, die mich an sie erinnern. Ob ich jemals wieder eine wie sie finden könnte. Sogar so Horror-Gedanken, bei denen ich mir vorstelle, wie sie überfahren wird oder mit dem Auto in einen furchtbaren Unfall gerät. Unerträglich!
Ich habe den fürchterlichen Fehler gemacht, nachts immer wieder in Trauerforen nachzulesen, in der Hoffnung, dass das Worst-Case-Szenario gar nicht so schlimm ist. Nun: Ist es. Da waren viele Leute dabei, die sich von dem Verlust der Liebe ihres Lebens nicht wieder erholt haben und in monate- bis jahrelange Depressionen gerutscht sind.
Ich habe kaum noch Appetit (und seit Weihnachten 4½ Kilo abgenommen!), kann seit Anfang Januar nicht mehr als 6 Stunden schlafen (meist weniger, und ich brauche mind. 7 um fit zu sein) und heule mehrmals täglich.
Mittlerweile kann ich nicht mal mehr die Zeit mit ihr richtig genießen, weil ich immer wieder daran denke, dass sie bald tot sein könnte.
Sie hat relativ schnell gemerkt, dass ich immer wieder einen traurigen und niedergeschlagenen Eindruck mache und nachgebohrt, bis ich ihr alles gesagt habe (jedoch nicht jedes schlimme Detail erzählt). Sie findet es zwar ein wenig süß, dass ich mich um sie Sorgen mache, doch sie leidet auch unter meiner Angst und will, dass ich mich um meine Angststörung kümmere (was ich auch tue).
Morgen fährt sie in der Früh 400 km weg und kommt erst am Sonntag wieder zurück, und ich habe Angst, dass sie einen tödlichen Unfall bei den langen Autofahrten hat.
Morgen Vormittag ist aber auch ENDLICH wieder der Termin bei meinem Psychotherapeuten, der Anfang des Jahres im Urlaub war und den ich seit November letzten Jahres (als er einen Termin gesundheitsbedingt abgesagt hat) nicht mehr gesehen habe. Er weiß also noch gar nichts davon, dass die Hypochondrie (wegen der ich vorher in Behandlung war) kein Problem mehr ist, stattdessen aber ein viel größeres aufgetaucht. Ich hoffe, dass er mir irgendwie helfen kann. Andernfalls blieben mir nur noch Psychopharmaka.
Mein bester Freund, den ich ziemlich früh eingeweiht habe, ist mittlerweile der Meinung, ich sollte mich sofort in eine Klinik einweisen lassen. Damit würde ich jedoch nicht nur die Beziehung zu meiner Freundin massiv gefährden, sondern auch meine Promotion, und das will/kann ich nicht.
Ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte. Warum gibt es nicht einfach einen Schalter, um die Angst wieder abzuschalten?!
noch ein bisschen was zu mir, was vllt. etwas mehr Kontext bringt:
Ich war in meinem Leben schon einige Male sehr schwer verliebt, aber jedes mal unglücklich. Da habe ich mich in Frauen verliebt, die entweder bereits vergeben waren oder (wahrscheinlich) nicht an mir interessiert. Jedes mal habe ich darunter auch sehr gelitten.
Dazu bin ich jemand, auf den Frauen (scheinbar) eher nicht stehen und der gerne in der Kategorie Kumpel/Freund geparkt wird.
Ich war also viele Jahre lang auf der Suche, auch unterwegs im Datingbereich (mit sehr überschaubarem Erfolg) und habe keine Frau gefunden, die zu mir passt und/oder die mich auch will.
Dass ich jetzt also, nach so vielen Jahren, so ein Glück habe und es dann auch noch nicht nur ganz gut, sondern EXTREM gut passt – das ist ein Glück, das ich gar nicht fassen kann. Wie in einem Hollywood-Film. Sie sagt mir häufig, wie toll sie mich findet, dass sie mich schön (!) findet, wie viel Glück sie mit mir hätte. Sie gibt mir so viel und es ist besser als ich es je erwartet hätte.
Als Kind hatte ich ebenfalls eine Zeit lang starke Verlustängste – ggü. meiner Mutter. Sie war meine einzige Bezugsperson, da mein Vater extrem viel gearbeitet hat und, wenn er zuhause war, oft schlecht gelaunt. Ich hatte kein liebevolles Verhältnis zu ihm. Meine Mutter habe ich jedoch geliebt (und liebe sie immer noch).
An einem Nachmittag, da war ich so 10 oder 11, wollte sie von der Arbeit nach Hause kommen, aber sie kam nicht, daher rief ich sie auf dem Handy an. Sie nahm ab und wir sprachen miteinander als plötzlich mit einem komischen Geräusch die Verbindung weg war. Als ich sie wieder anrief, kam direkt nur die Mailbox. In diesem Moment erfasste mich die Angst, dass meine Mutter bei einem Autounfall gestorben war und ich bekam eine veritable Panikattacke, mit Heulkrampf, Herzrasen, Übelkeit, und bin nur noch heulend und schreiend durchs Wohnzimmer gelaufen, bis ich dann meine Großmutter anrief, zu der ich zwar keine sehr große Bindung hatte, die aber sehr einfühlsam und nett war und mich beruhigen konnte, sodass meine Panik zu Ende ging und ich nur noch Angst hatte. Wir telefonierten bis meine Mutter kam und ich mich wieder beruhigen konnte. Der Akku ihres Handys war leer gegangen.
Das wiederholte sich dann noch viele Male immer wenn sie zu spät nach Hause kam und nicht per Handy erreichbar war. Diese Verlustangst schlich sich erst mit Einsetzen der Pubertät aus und war dann nach einiger Zeit völlig verschwunden.
Dieselbe Sorge wie bei meiner Mutter habe ich nun auch bei meiner Freundin. Der Gedanke, dass der Person, die ich am meisten liebe, etwas passiert, ist unerträglich für mich.
kleiner Hintergrund zu mir hier im Forum:
Ich hatte hier bereits vor knapp 2 Jahren geschrieben, damals mit einer schlimmen Hypochondrie-Episode bzgl. ALS. Habe mich damals auch direkt in Psychotherapie begeben, die mir lebenstechnisch geholfen hat, bei der Hypochondrie eher weniger. Hatte danach noch 3 weitere Episoden, wieder ALS, dann Hirntumor, dann Kehlkopfkrebs, aber jede Episode nach 1 bis anderthalb Monaten wieder rum und zwischendurch auch beschwerdefreie Monate gehabt. Seit Juli 2023 hatte ich dann erstmal keine Episoden mehr und auch aktuell habe ich keine übermäßige Sorge um mich selbst.
tl;dr:
Ich bin das erste mal in meinem Leben glücklich verliebt und habe innerhalb der letzten Wochen immer stärker werdende Verlustängste entwickelt, dass sie bei einem Unfall oder ähnlichem stirbt. Ich leide unter häufiger Angst, manchmal bis hin zu Panik, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und tiefgreifender Traurigkeit, wenn ich mir ihren Tod bzw. ein Leben ohne sie vorstelle.
07.02.2024 15:10 • • 13.02.2024 #1