Hallo Aldia,
was du über dich schreibst, kann ich z.T. sehr gut nachvollziehen, ging mir zu Ende der Schulzeit und bis ca. 27, 28 ähnlich.
Zuerst zu deinen 3 Grundproblemen wie du sie nennst. Ich vermute, dass Problem 1 (Bindungsangst / nicht lieben können) und Problem 2 (Angst zu verreisen) zusammen hängen. Du schreibst, du hattest kein gutes Verhältnis zu deiner Mutter gehabt. Vielleicht fehlt dir dadurch so eine Art Grundvertrauen und das Vertrauen, die Gewissheit, sich grundsätzlich sicher fühlen zu können. Dann wäre deine Reiseangst ein Symptom dieses fehlenden Vertrauens, denn Reise bedeutet immer auch Unsicherheit: Man verlässt die gewohnte Umgebung, begibt sich auf einen Weg voll Unvorhersehbarem. Vielleicht drückt diese Angst das Bedürfnis nach grundsatzlicher Sicherheit aus? Hast du solche Ängste denn auch in anderen Bereichen? Ich finde, dass auch dein Verhalten zu deinem Ex dazu passt: Du warst lang mit ihm zusammen, obwohl nicht genug Liebe dabei war. Vielleicht hast du auch bei ihm Sicherheit und Vertrauen gesucht. Und weil dir das so wichtig ist, nimmst du die fehlende Liebe in Kauf - zumindest für eine gewisse Zeit. Kann das sein? Wenn meine Vermutung stimmt - bin natürlich kein Arzt - dann glaube ich aber, dass sich diese Angst auch noch in anderen Bereichen und Symptomen zeigen könnte. Was meinst du? Hör mal in dich rein.
Nun zu deinen beruflichen Schwierigkeiten: Dieses Chaos kenne ich auch sehr gut. Ich wusste lange nicht, was ich wirklich machen will, was zu mir passt, was mir liegt, und bin ziemlich herumgeirrt. Meinen eigentlichen Berufswunsch konnte ich aus persönlichen Gründen nicht verwirklichen, dann war ich total orientierungslos und hab lange gebraucht, bis ich etwas gefunden habe, das mir Spaß gemacht hat und wo ich sagen konnte: Das passt zu mir und damit kann ich mich identifizieren und es macht mir Spaß. Diese Unsicherheit haben viele junge Leute, aber ich glaube, dass die Unsicherheit und Orientierungslosigkeit bei mir viel tiefer reichte und grundlegender war als bei anderen - und vielleicht ist es bei dir ähnlich?
Im Nachhinein weiß ich, dass die Ursache für das Straucheln udn Suchen folgende war: Ich wusste nicht so recht, wer ich eigentlich bin und v.a. konnte ich nicht zu mir stehen und sagen: Ich bin ich, das macht mich aus, und das ist gut so. ICH BIN OK so wie ich bin. Das konnte ich ganz lang nicht. Erst als das besser wurde, wurde auch die berufliche Orientierung klarer. Meine Therapeutin nannte das immer sich zeigen - und ich finde diese Bezeichnung so treffend, denn es bedeutet alles - sich vor anderen zeigen, gesehen werden, ohne dass es einem etwas ausmacht, aber vor allem bedeutet es auch: Zu sich selbst stehen können! Für diese Formulierung bin ich ihr bis heute dankbar, denn sie hat mich wahnsinnig weiter gebracht! Ich erzähle dir das, weil ich dir ein paar Denkanstöße geben möchte - vielleicht findest du ähnliches in dir. Vielleicht auch nicht, aber das wäre ja auch eine Erkenntnis.
Ich habe damals auch eine Psychoanalyse gemacht. Mir hat sie sehr sehr gut geholfen! Aber es dauert eine ganze Weile, bis sie wrklich anschlägt und sich grundlegende Dinge verändern. In den ersten Monaten sind z.T. Phasen dabei, in denen es einem noch schlechter geht. Schlimme Tage kommen immer wieder mal, immer dann, wenn man wirklich Eingemachtes bearbeitet und dies durch das Sprechen in der Therapie aufweckt und beginnt zu verarbeiten. Aber mit der Zeit wird es besser, wirklich besser. Aber vielleicht bist du zu so grundsätzlichen Punkten noch gar nicht vorgestoßen?
Ich hoffe, ich kann dir ein wenig helfen und freue mich auf deine Antwort.
Liebe Grüße,
Grashüpfer
14.11.2015 13:25 •
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