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Ich möchte diesen Thread eröffnen, um eigene Gedanken rund um die Verhaltensstrategien Perfektionismus und Narzissmus einzubringen, und gleichzeitig Ansichten, Meinungen, Ideen, Gedanken anderer aus dem Forum dazu sammeln.
Zuerst einmal meine subjektive Definition. Die beiden sind gewissermaßen Geschwister.
Perfektionismus ist der Wunsch, Aufgaben oder Vorhaben meistens oder grundsätzlich möglichst perfekt zu erledigen, weil man im tiefsten Herzen die eigenen Schwächen und Fehleranfälligkeiten nicht akzeptieren kann.
Narzissmus hingegen ist der Wunsch, sich selbst besser (perfekter) zu inszenieren als man in Wirklichkeit ist. Man kaschiert also eigene Schwächen und Fehleranfälligkeiten, indem man die eigene Person inszeniert.
Auf Grund meiner langjährigen generalisierten Angststörung habe ich mich verschiedentlich mit eigenen perfektionistischen und narzisstischen Verhaltensstrategien auseinander gesetzt. Sie habe diese sicherlich sehr früh gelernt, da mein Vater zeitlebens Perfektionist war und, je älter er wurde, immer narzisstischer wurde. Mit Sicherheit wurde ich früh davon geprägt! Ich finde das sehr fruchtbar, weil ich gelernt habe, mehr zu eigenen Schwächen und Fehlern zu stehen, was Ängste mildert, und weniger zu kaschieren, was Ängste subtil verstärkt, da das den Erwartungsdruck an mich selbst oder an meine Aufgaben, die ich zu erledigen habe, am Ende nur erhöht.
Trotzdem werde ich in meinen Alltag den Eindruck nicht los, dass es sehr viele Menschen gibt, die tendenziell perfektionistisch oder narzisstisch sind, ohne in irgendeiner Weise schlecht damit zu fahren. Im Gegenteil: Ihr Alltagserfolg basiert regelrecht auf diesen Strategien. Sie entwickeln keine Erwartungsängste, sondern toben sich ständig auf ihrer Lebensbühne aus, sammeln Erfolge und Kraft. Während unsereins unter diesen Strategien leidet, profitieren sie stets davon.
Wie kommt das? Warum kann ein Verhalten sich in seinen Wirkungen beim einen so entwickeln, beim anderen ganz gegenteilig? Ich freue mich über eure Beiträge.

10.11.2022 08:22 • 12.02.2023 x 4 #1


31 Antworten ↓


Das Narzissten keine Erwartungsängste entwickeln, sollen Außenstehende natürlich denken, ist so aber nicht unbedingt richtig. Üblicherweise leben grandiose Narzissten davon, dass sie angehimmelt werden, dass man sie beneidet für ihren Erfolg, ihnen folgt, stetig zustimmt, sie überhöht darstellt und das erwarten sie, haben aber in der Regel permanent Angst, dass ihnen das irgendwann nicht mehr zukommt. Dementsprechend inszenieren sie sich um im Fokus zu bleiben. Allzuoft werden solche Menschen depressiv, wenn ihnen diese Überhöhung nicht mehr zugestanden wird. Allerdings gibt es ein breites Spektrum im Bereich des Narzissmus und nicht nur den grandiosen und oft findet man zusätzlich psychische Auffälligkeiten anderer Art bei diesen Menschen.

Bezüglich Perfektionismus bin ich der Meinung, dass es darauf ankommt, in welchem Zusammenhang dieser Anspruch gesehen wird. Daher ist Perfektion per se nichts schlechtes. Kritisch sehe ich es aber, wenn Menschen meinen, Sie selbst wären perfekt oder wenn sie meinen, sie müssten es mit allen Mitteln anstreben, perfekt zu werden. Vor allem dann, wenn es um rein oberflächliche Attribute geht, wie das Aussehen oder Darstellen.
Ein vorhandenes Talent perfektionieren zu wollen, ohne das andere dadurch negativ tangiert werden, sehe ich entspannter. Wobei dieser Wunsch bisweilen auch selbstschädigende Tendenzen fördern kann, wenn man das Maß dieser Bestrebung nicht mehr unter Kontrolle hat.

Kurzum, beneidenswert finde ich Menschen die in diesen Extremen ihr Dasein sehen nicht.

A


Perfektionismus und Narzissmus

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Generell gilt, dass andere von uns nicht wirklich verändert werden können. Deswegen ist es auch ziemlich egal, was die tun.

Allerdings liegt es an uns, in wieweit wir anderen den Umgang mit uns gestatten.

Als Kind eines waschechten Narzissten kann ich ein Lied davon singen, wie schwierig und auch prägend sich negative Verhaltensweisen auswirken können. Allerdings ändert diese Erkenntnis auch nichts mehr an den Schäden. Und nun nützt alles nichts, jetzt ist man eben selbst gefragt, wie man mit seinen Schäden umgehen will.

Ich bin auch sehr perfektionistisch, natürlich mal aus dem Grund heraus, so wenig wie möglich Angriffsfläche zu bieten. Wenn man das aber alles weiss, ist letztendlich nichts mehr so wirklich schlimm, immerhin hat man eine Erklärung für seinen Stress.

Über allen steht doch die eigene Bewertung, die man sich irgendwann zurechtgezimmert hat, um durchs Leben zu kommen. Manchmal muss man nur diese Denkmuster verändern und - tata - Stress und Angst relativieren sich deutlich.

Wenn ich Perfektsein als Stress empfinde, kann ich mich dazu umpolen, jetzt perfekt unperfekt sein zu wollen. Ist auch anstrengend und irgendwann findet man den Mittelweg.

Dann bzgl. Narzissmus, es gibt unterschiedliche Formen. Ich spreche von der pathologischen Form :

Der Einfachheit halber von Wikipedia geklaut:

Pathologischer Narzissmus kann sich sowohl durch Prahlen und Hochstapelei äußern wie auch durch unersättliche Ansprüche und Erwartungen. Menschen mit einer NPS neigen dazu, Personen in ihrem unmittelbaren Umfeld emotional zu missbrauchen (besonders Sexualpartner und Kinder), um dadurch den eigenen Selbstwert (ihr „Ego“) auf Kosten anderer zu erhöhen. Andere Formen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind durch ein instabiles, rasch wechselndes Selbstwertgefühl gekennzeichnet, das im Extrem zwischen Grandiosität und schamvoller Zerknirschung pendeln kann. Vorkommen kann auch eine im Inneren chronisch schwelende Wut, die schon bei geringem Anlass explodieren kann (vor allem bei Kritik oder subjektiv empfundener Kränkung).[2][3]

Servus @Holger-,

danke für das interessante und sicher lehrreiche Thema!

Vorweg: mir fällt auf, dass viele Menschen bereit sind, sich als Perfektionist zu outen, doch nur sehr wenige würden offen zugeben, narzisstisch zu sein. Ähnlich verhält es sich mit den Diagnosen Burnout und Depression. Warum ist das so (sofern ich richtig liege)? (M)eine Erklärung wäre, dass man sich einerseits in den Begrifflichkeiten Perfektionist und Burnoutler relativ komfortabel als Opfer wahrnehmen kann und beides offiziell (= bei Laien) als tragischer Nebeneffekt hoher Leistungsbereitschaft empfunden wird.

Deine oben geschilderten Definitionen würde ich genauso formulieren. Ebenso den Link zum Thema Angststörung möchte ich hervorheben - beides, sowohl Narzissmus als auch Perfektionismus konnte ich im Zuge der Therapien bei mir selber feststellen und sie haben seinerzeit zur Erschöpfung, Angst und Sucht maßgeblich mit beigetragen. Deine daraus abgeleiteten Einsichten kann ich also ebenfalls unterschreiben.

Nun zu Deinem offenen Punkt:

Zitat von Holger-:
Trotzdem werde ich in meinen Alltag den Eindruck nicht los, dass es sehr viele Menschen gibt, die tendenziell perfektionistisch oder narzisstisch sind, ohne in irgendeiner Weise schlecht damit zu fahren. Im Gegenteil: Ihr Alltagserfolg basiert regelrecht auf diesen Strategien. Sie entwickeln keine Erwartungsängste, sondern toben sich ständig auf ihrer Lebensbühne aus, sammeln Erfolge und Kraft. Während unsereins unter diesen Strategien leidet, profitieren sie stets davon. Wie kommt das? Warum kann ein Verhalten sich in seinen Wirkungen beim einen so entwickeln, beim anderen ganz gegenteilig?

Hierzu kann ich sagen, dass ich seinerzeit diesen Alltagserfolg tatsächlich mittels beider Strategien über viele Jahre hinweg erzielt habe, sowohl beruflich als auch in gewisser Weise privat. Privat dahingehend, dass ich mich selbst insgeheim als einen solch tollen Freak empfand.
Allerdings zahlte ich über all die Jahre hinweg einen ziemlich unschönen Preis: das vage Gefühl, dass ich eigentlich

- ein Blender bin
- Angst vor Aufdeckung hatte
- schlecht schlief
- ein permanent schlechtes Gewissen hatte.

Dieses latent ungute Gefühl hielt ich mit allerlei Strategieergänzungen in Schach:

- Suchtmittel
- exzessive Hobbies
- Onlinesucht
- Genusssucht
- Literatursucht uva.

Erst als sich eine Depression Bahn brach, stand ich mit dem Rücken zur Wand und musste (erst mal vor mir selber) blank ziehen. Ich musste mir meine beiden sich gegenseitig stützenden Strategien erstmal eingestehen und gleichzeitig lernen, weshalb ich sie entwickelte und darüber hinaus, wie ich künftig ohne sie klarkommen kann. Keine leichte Aufgabe...

Ich möchte damit sagen: wir können nicht wissen, wie (dauerhaft) erfolgreich die sogenannten Perfekten und Narzissten wirklich und im Endeffekt sind. Vielleicht steuern sie auch nur auf ein letztlich sehr dunkles Erleben zu. Ich mag das alles nicht bewerten und kann nur für meine eigene Erfahrung sprechen. Allerdings glaube (!) ich zunehmend bei vielen, v. a. auch älteren Menschen in meinem Umfeld, ein ziemlich schmerzhaftes Finale ihrer lebenslangen Strategien am Horizont aufdunkeln zu sehen. Soweit wollte ich es - glücklicherweise - bei mir nicht kommen lassen.

Moin @moo,
du hast Recht, Perfektionismus lässt sich einfacher verkaufen, da er es meinem Gegenüber leicht macht, ihn zu relativieren oder auch sein Positives, meinen Erfolg, zu erwähnen. Beim Narzissmus-Outing schrillen aber unüberhörbar die Alarmglocken, da Narzissten als Meister der Manipulation bekannt sind, und wer möchte denn jemanden auch nur graduell bewundern, wenn er/sie immerzu nur bewundert werden möchte. Narzissmus hat etwas extrem aufdringliches! Mein Vater ist übrigens so jemand, der erst im Alter depressiv erkrankt ist. Bevor die Krankheit ausbrach, hat sein Narzissmus, seine Selbstinszenierung so dermaßen zugenommen, dass es unerträglich wurde und zu heftigen Konflikten führte. Das war exakt so, wie es im Drama des begabten Kindes von Miller beschrieben wird. Mittlerweile hat sich das wieder etwas eingependelt und ist nicht mehr so extrem.

Zitat von Icefalki:
Wenn ich Perfektsein als Stress empfinde, kann ich mich dazu umpolen, jetzt perfekt unperfekt sein zu wollen. Ist auch anstrengend und irgendwann findet man den Mittelweg.

Das hast du wirklich schön gesagt. Merke ich mir!
Ich erinnere mich nicht mehr ganz exakt. Aber vor langer Zeit hat mal eine Freundin kritisch zu mir gesagt:
Du bist immer so extrem!
Ich: Echt? Ich dachte, gerade in letzte Zeit wäre ich eher offen.
Sie: Ja schon, aber man kann halt auch extrem offen sein.

Wahrscheinlich wäre mein Ergebnis ähnlich, wenn ich perfekt unperfekt sein will. Tatsächlich habe ich so zwei Seiten. Ganz selten bin ich heutzutage noch perfektionistisch. Nachdem ich mal ganz dicke auf die Schnauze gefallen bin, habe ich ihn mir mehr und mehr abgewöhnt und durch Gelassenheit ersetzt. Klappt im Grunde recht gut.

Zitat von Disturbed:
Daher ist Perfektion per se nichts schlechtes.

Hi Disturbed, ich habe ein bisschen nachgedacht über diesen Satz. Ich hätte ihn intuitiv genauso geschrieben, weil ich relativierende Sichtweisen immer gut finde.
Ich frage mich aber auch, ob es wirklich so etwas wie eine „gute“ Perfektion gibt in Abgrenzung zur schlechten, überfordernden.
Gestern habe ich beim Training meiner Tochter unsere Nachbarin gesehen, wie sie im Nebenraum Kraftsport trainierte. Sie ist etwa 17, erfolgreiche Judoka, Sportstipendiatin. Ein sehr nettes Mädel. Und sie wird, wenn sie Glück hat, viel Erfolg haben mit ihrem Talent und dem Ziel, dieses zu perfektionieren. Da sie - zumindest wirkt es so - total nette Eltern als Förderer hat, sollte alles in die richtige Richtung gehen: Erfolg, (Annäherung an) Perfektion.
Aber ist nicht genau das ein gewisses Problem? Wenn ich den Weg nur noch nach meinem Ziel ausrichte? Wenn ich keine Muße mehr habe, Seitenpfade zu entdecken, meine Zeit zu verschwenden und sie damit gleichzeitig kostbar zu machen?

Zitat von Holger-:
Aber ist nicht genau das ein gewisses Problem? Wenn ich den Weg nur noch nach meinem Ziel ausrichte? Wenn ich keine Muße mehr habe, Seitenpfade zu entdecken, meine Zeit zu verschwenden und sie damit gleichzeitig kostbar zu machen?

Schöne und m. E. wichtige Frage! Sidney Poitier sagte mal in einem Film: Wenn Dein Beruf Dir wirklich Freude macht, werden Krankheit und Tod es irgendwann leid, Dir nachzustellen. Das hielt ich lange für mein Credo.
Später in der Klinik haben wir bzgl. Erschöpfungsdepression gelernt: Am Anfang vieler Burnouts steht die Euphorie.
Dieser Satz war damals echt ein kleiner Paradigmenwechsel, denn bis zu meinem Zusammenbruch glaubte ich, meinen Beruf und meine Stellung darin zumindest zu mögen, egal, welche Schwierigkeiten und Opfer er mit sich brachte.

Heute jedoch sehe ich das ganz anders, weil ich qua Krise(n) ein weitgehend völlig anderer Mensch wurde. Ich glaube, dass wir in vieles, was wir als unseren Weg bezeichnen, in hohem Maße eher reingeschlittert sind - durch äußere Umstände, beschränkte Horizonte etc.

Die entscheidende Zutat für die eventuellen Seitenpfade ist, glaube ich, Achtsamkeit. Und zwar gehört dazu, hin und wieder innezuhalten, ehrlich zu sich zu sein und sich immer wieder zu fragen: Will ich so leben - und wenn ja, warum?

Den eigenen Willen und seine Antriebe zu erkennen, nenne ich für mich Lebenserfahrung und das alleine empfinde ich durchaus als eine erfüllende Lebensaufgabe.

Zitat von Holger-:
Sie [Narzissten] entwickeln keine Erwartungsängste, sondern toben sich ständig auf ihrer Lebensbühne aus, sammeln Erfolge und Kraft. Während unsereins unter diesen Strategien leidet, profitieren sie stets davon.
Wie kommt das?

Der Narzissmus selbst ist bereits eine unbewusste Kompensationsstrategie, gegen das Gefühl der Kleinheit und Ohnmacht. Man hat in der Folge der Kompensation des verletzlichen Ichs durch das grandiose Ich das Gefühl niemanden zu brauchen, alles alleine zu gemacht zu haben, zu schaffen, niemanden bewundern zu müssen usw..alles eine Abwehr gegen bewussten und unbewussten Neid.
Manche Narzissten erscheinen für eine Zeit grandios, die Kehrseite sind die narzisstische Wut und die Nichtswürigkeit. Man ist der großartigste Mensch und noch im Leid muss das so sein: Keiner kann sich vorstellen, was ich durchgemacht habe.
Manche haben in der Tat bemerkenswert wenige Erwartungsängste, wenn sie es schaffen, die anderen zu entwerten: Vor minderwertigen Idioten braucht man keine Angst zu haben.
Sie können aber auch große Ängste haben, wenn da doch jemand ist, den sie idealisieren, dass sie dann versagen.

Narzissten können perfektionistisch sein, viel öfter fordern sie aber Perfektion bei oder von anderen ein, während sie selber nachlässig und oberflächlich sind, was sie durch Entwertungen, Anmaßungen und Verzerrungen aber zu kaschieren versuchen.
Zwanghafte Menschen neigen zu mehr Perfektionismus und sind auch dann noch selbstkritisch bis unzufrieden, wenn alle anderen sie loben.

Zitat von Holger-:
Ich frage mich aber auch, ob es wirklich so etwas wie eine „gute“ Perfektion gibt in Abgrenzung zur schlechten, überfordernden.

Ich denke, es kommt eben entscheidend auf die eigene Sichtweise an, was man als perfekt erachtet. Da kommt das Anspruchsdenken ins Spiel und das sollte idealerweise in einer gewissen Relation zu den Möglichkeiten gesehen werden. Die Natur hat im Laufe der Evolution vieles hervorgebracht, das ich als Perfekt bezeichnen würde. Es brauchte halt Zeit und die passenden Umstände. Vieles was der Mensch perfektionieren will, sehe ich eher dem Ego (im ungünstigen Fall wird es zwanghaft) oder dessen geschuldet, was andere von Ihm halten sollen (im ungünstigen Fall entwickelt oder befeuert es den narzisstischen Anteil bis hin zum ausgeprägten Narzissmus). Da verschwindet dann auch wohl irgendwann die Sichtweise, dass manchmal ist das Bessere der Feind des Guten ist. Beispiele finden sich in der Geschichte der Menschheit ja haufenweise.
Zitat von Cbrastreifen:
Narzissten können perfektionistisch sein, viel öfter fordern sie aber Perfektion bei oder von anderen ein, während sie selber nachlässig und oberflächlich sind, was sie durch Entwertungen, Anmaßungen und Verzerrungen aber zu kaschieren versuchen.

Diese Ansicht kann ich durch eigene Erfahrung im Bezug auf einen Menschen, den ich lange kenne, bestätigen. Nun halte ich diesem Menschen zu Gute, dass er viel für seinen Erfolg gearbeitet hat und sogar, dass er als Chef einer Firma ein gewisses Maß an Perfektion von seinen Angestellten in der Ausführung Ihrer Arbeit wünscht. Doch hat er vergessen, dass es auch den Umständen geschuldet war, in die auch andere Menschen involviert waren, die Ihn dahin brachten, wo er heute ist. Ihm ist mittlerweile völlig abhanden gekommen, dass er ohne Lehrer nichts hätte lernen können, dass er ohne Menschen die ihn inspirierten, vielleicht nicht mal auf die Idee gekommen wäre, eine bestimmte Richtung einzuschlagen und er legt alles daran, Dinge oder Menschen (besonders aus der eigenen Familie) mit denen er nicht so gerne in Verbindung gebracht werden will, möglichst für andere unsichtbar zu halten. Dafür nutzt er genau diese Mittel, Entwertungen, Anmaßungen und Verzerrungen. Zudem gibt er sich gerne auffallend großzügig denen gegenüber, die Ihm in irgend einer Weise in seinem Ansehen zuträglich sein könnten, wo dies aber nicht der Fall ist, hat niemand etwas von Ihm zu erwarten. Ich weiß nicht ob er jemals etwas perfekt gemacht hat, tendenziell würde ich Ihm aber einen auf sich bezogenen Perfektionismus zugestehen. Der (offene) Narzissmus kam aber eindeutig mit wachsendem Erfolg zunehmend zu tragen.
Zitat von Cbrastreifen:
Zwanghafte Menschen neigen zu mehr Perfektionismus und sind auch dann noch selbstkritisch bis unzufrieden, wenn alle anderen sie loben.

Hierbei sehe ich Parallelen zu meinem eigenen Umgang im Anspruchsdenken gegenüber mir selbst. In gewisser Weise habe ich schon die Bestrebung, etwas perfekt zu leisten. Bin mir aber im klaren, dass ich dies vor mir selbst insofern nicht erreichen kann, da ich immer das fehlerhafte in meiner Leistung erkenne, selbst wenn andere das nicht so sehen. Gedanklich ist das für mich oft schwer auszuhalten, wenn andere etwas, dass ich geleistet habe, als toll oder sonst irgendwie aufwertend bezeichnen, wo ich selbst doch nicht 100% zufrieden damit bin. Kann es aber mittlerweile zumindest öfters unterlassen, mich selbst dafür zusätzlich zu entwerten.
Ich habe mal etwas über vulnerabelen Narzissmus gelesen und sehe da sogar Tendenzen bei mir. Allerdings fand ich auch widersprüchliches in der Auslegung der Symptomatik. So sehe ich mich nicht als verkanntes „Genie“ oder Denke nicht, dass meine Leistungen nicht ausreichend gewürdigt würden. Empfinde mich auch nicht generell ungerecht behandelt.

Zitat von Disturbed:
Der (offene) Narzissmus kam aber eindeutig mit wachsendem Erfolg zunehmend zu tragen.

Das ist tatsächlich ein Problem. Narzissten überschätzen sich in der Regel maßlos und scheitern in der Regel im Laufe des Lebens, weil man mit 60 dann vielleicht doch nicht mehr das aufstrebende, unentdeckte Talent ist, dessen Stunde noch kommt.
Erfoilgreiche Menschen können das natürlich besser kompensieren. Narzissten scheitern oft vor allem im Privatleben, wobei ihr Beziehungsmodell eben auch anders ausgerichtet ist, auf Schein und Glanz, statt auf Näge und traute Zweisamkeit.
In dem Moment wo die narzisstische Fassada zusammenbricht ist ein Narzisst erst mal gefährdet, sich das Leben zu nehmen, auf der anderen Seite aber auch ansprechbar und je älter diese Menschen werden, umso besser sind sie zu therapieren, die Ausnahme sind jene, in denen ein hoher Grad an Aggression der Psyche beigemischt ist, je mehr Aggression, desto schlechter die Prognose.
Aber Narzissmus deckt ein sehr breites Spektrum ab.

Zitat von Disturbed:
Hierbei sehe ich Parallelen zu meinem eigenen Umgang im Anspruchsdenken gegenüber mir selbst.

Etwas Narzissmus ist normal und versetzt einen in die Lage, sich um sein eigenes Wohlergenhen zu kümmern.
Er brauchen ihn zur Selbstzufriedenheit, auch dafür beliebt sein zu wollen, was der Antrieb halbwegs gutartiger Narzissten ist, sie wollen nett und bei allen beliebt sein.
Die narzisstische Persönlichkeitsstörung (die demnächst offiziell gestrichen wird) ist eine andere Hausnummer und zunehmend aggressiven und antisozialen Tendenzen sind am Ende die schwersten Fälle.

Zitat von moo:
Am Anfang vieler Burnouts steht die Euphorie.

Das ist eine große Weisheit! Merke ich mir!
Ich habe selbst auch irgendwann gemerkt, dass ich oft mit großem Elan bei der Sache bin. Und selbst wenn es mir längst Zuviel wird, immer noch weiter mache, weil ich mit Überzeugung und Inbrunst dabei bin.
Schon in der ganz frühen griechischen Philosophie hat irgendein Vorsikratiker (Anaxagoras?) das toll auf den Punkt gebracht, das sich im Leben Prozesse oft in ihr exaktes Gegenteil verkehren. Dein Beispiel finde ich sehr passend dafür!
Irgendwie fehlt uns Menschen manchmal die Fähigkeit zur Selbstregulation. Wir finden den Punkt nicht, wenn aus genug zu viel wird.

Zitat von Holger-:
Irgendwie fehlt uns Menschen manchmal die Fähigkeit zur Selbstregulation. Wir finden den Punkt nicht, wenn aus genug zu viel wird.

Finde ich gut beobachtet, aber das kann man ja lernen, oder?

Zitat von Cbrastreifen:
Finde ich gut beobachtet, aber das kann man ja lernen, oder?

Zumindest arbeiten wir daran, das ist ja das Wichtige.

Zitat von Holger-:
Zumindest arbeiten wir daran, das ist ja das Wichtige.

Wenn man nach Freud geht, besteht ja unser gesamter Gesellschaftsvertrag darin, dass wir unsere Triebe aufschieben und für diese Verzicht Schutz und Anerkennung bekommen.
Wenn es stimmt, dass wir uns inzwischen mehr dem Ich-Ideal unterwerfen, statt dem Über-Ich, dann ist einer der Effekte, dass wir im Grunde weniger Schutz und Anerkennung erwarten können. Für den Einzelnen ist der Gewinn vielleicht höher, wenn er ankommt - er ist der große Gewinner - aber es ist viel schwieriger anzukommen, da es nun nicht mehr gut ist, wenn man so ist, wie die meisten anderen, sondern gut ist, einzigartig und besonders zu sein. Das ist dieses narzisstische Prinzip in der Gesellschaft, das immer mehr Menschen ausmachen.

Ich verlinke mal die Sendung, die ich sehr hörenswert fand:
https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendunge...m-100.html

Zitat von Cbrastreifen:
Für den Einzelnen ist der Gewinn vielleicht höher, wenn er ankommt - er ist der große Gewinner - aber es ist viel schwieriger anzukommen, da es nun nicht mehr gut ist, wenn man so ist, wie die meisten anderen, sondern gut ist, einzigartig und besonders zu sein. Das ist dieses narzisstische Prinzip in der Gesellschaft, das immer mehr Menschen ausmachen.

Gut formuliert! Und ich glaube, die Digitalisierung fördert diese Entwicklung. Je vermeintlich größer der Vergleichshorizont umso notwendiger die Erhöhungstendenz des Subjekts.

Zitat von moo:
Und ich glaube, die Digitalisierung fördert diese Entwicklung. Je vermeintlich größer der Vergleichshorizont umso notwendiger die Erhöhungstendenz des Subjekts.

Ja, das sehen die meisten so, Die sozialen Medien bieten jedem eine Plattform sich zu inszenieren und eine starke Reichweite zu entfalten. Ich würde sie auch als Verstärker ansehen.

Sie bedienen, hat man sich einmal drauf eingelassen, natürlich dieses Muster, sein Leben als gelungen und einzigartig zu inszenieren. Je mehr es uns gelingt, diese Dynamik zu erkennen und zu verstehen, umso besser können wir auch aus ihr aussteigen.

Aber wir sind längst nicht so wehrlos wie häufig getan wird. Aber es ist halt eine bequeme Entschuldigung alles auf die Erziehung, die Gene, die Manipulation durch die Massenmedien und Algorithmen, das Gehirn und dergleichen zu schieben, weil man sich dann weiter als Opfer inszenieren kann.
Das ist unterm Strich bequemer, aber es ist unpopulär das zu sagen.
Sponsor-Mitgliedschaft

Ich denke auch, dass es bequem ist, in einer Opferrolle zu verharren, wenn man sich erstmal in solch einer Rolle sieht. Schuldzuweisungen an andere sind auch immer recht schnell zur Hand. Aber auch Narzissten bedienen sich gern diesem Modus und stellen sich als Opfer dar, allerdings oft ausschließlich so, dass andere sie ja aus niederen Beweggründen so verteufeln, weil sie im Grunde ja nur selbst gerne so wären, wie sie, es aber aus welchen Gründen auch immer, nicht sein können. Der Vergleichshorizont ist da auch sicher sehr eingeschränkt und lässt vermutlich kaum mehr eine Sicht auf die eigenen Unzulänglichkeiten zu. Schließlich gibt ihnen ja „ihr“ Erfolg recht. Das dieser Erfolg auch in Abhängigkeit von anderen zu sehen ist, können Sie offensichtlich gut ausblenden. Läuft etwas richtig, liegt das nur an Ihnen, läuft es falsch, sind nur alle anderen schuld daran. Was es aber grundsätzlich braucht, ist eine Bühne, auf der man dies auch inszenieren kann und da hat sich halt in den letzten Jahren ein regelrechter Markt aufgetan. Nun kann man sagen, der Bühnenbauer trägt ja keine Schuld daran, dass der Künstler eine miese Darbietung abliefert, aber dennoch hat er sie mit ermöglicht. Dumm für den Bühenbauer, wenn der miese Künstler etwas an der Bühne finden kann, dass natürlich eindeutig dafür sorgte, dass die Darbietung mies war.

Zitat von Disturbed:
Aber auch Narzissten bedienen sich gern diesem Modus und stellen sich als Opfer dar, allerdings oft ausschließlich so, dass andere sie ja aus niederen Beweggründen so verteufeln, weil sie im Grunde ja nur selbst gerne so wären, wie sie, es aber aus welchen Gründen auch immer, nicht sein können.

Ja, alle sind insgeheim neidisch auf sie, weil sie so toll sind. Meinen sie.
Zitat von Disturbed:
Das dieser Erfolg auch in Abhängigkeit von anderen zu sehen ist, können Sie offensichtlich gut ausblenden. Läuft etwas richtig, liegt das nur an Ihnen, läuft es falsch, sind nur alle anderen schuld daran.

Richtig.
Zitat von Disturbed:
Nun kann man sagen, der Bühnenbauer trägt ja keine Schuld daran, dass der Künstler eine miese Darbietung abliefert, aber dennoch hat er sie mit ermöglicht.

Das sehe ich durchaus auch so.
Wobei man schon anmerken muss, dass Social Media Betreiber mit Emotionalisierungen ihre Klickzahlen vergrößern und darum ein Interesse daran haben, wenn User heiß laufen.
Aber prinzipiell hoffen wir immer noch, dass wir selbst entscheiden können.
Und es gibt gute Gründe dafür, dass wir es tatsächlich können.

Bestimmt ist Narzissmus auch ein gesellschaftliches Problem, das mal offener und mal verdeckter gelebt wird.
Bei mir persönlich habe ich irgendwann feststellen müssen, dass ich mich in Narzissten total verbeiße. Wie ein kleiner Köder im Bein eines Fremden. Ich hatte z.B. mal einen Konrektor als Chef an meiner Schule, über den ich mich tagelang aufregen konnte, wie hinterhältig, herablassend und machtbesessen er ist. Wir gerieten immer mal wieder aneinander. Er hat das dann regelrecht forciert, mich zu provozieren, weil ich auch oftmals nicht klein beigeben wollte und er Machtkämpfe geradezu als Bereicherung seines Alltags empfand. Heute weiß ich aber, dass ich den Preis für das ganze Spektakel bezahlen musste. Und für ihn war ich nur eine weitere Naht in seinem Muster, das er zwanghaft vor sich hin strickt.
Aber so ist das, wenn man die Ohnmacht von kleinauf bei seinem Vater erlernt hat. Dann fühlt man sich lange Zeit klein und unterdrückt und begehrt auf. Obwohl die Bedrohung nur noch im eigenen Kopf stattfindet.
Mittlerweile ignoriere ich Narzissten konsequent, soweit mir das möglich ist. Sollen sie sich andere Marionetten suchen!
Außerdem gibt es ja auch noch den blinden Fleck, dass man sich selbst für besser hält, aber damit umso eher dazu neigt, selbst narzisstische Tendenzen auszuleben.

A


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Mira Weyer
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