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Guten Morgen!

Ich melde mich bei euch da ich einige Dinge auf dem Herzen habe. Vielleicht habt ihr eine Idee, wie ich besser mit dem Thema umgehen kann. Das ich gerne eine Therapie beginnen möchte, steht für mich fest, ich konnte jedoch noch nicht über meinen Schatten springen. Ich habe gemerkt, dass bei mir alles Zeit braucht, sehr viel Zeit.

So und nun zu meiner Geschichte:
Ich bin aufgewachsen in einem Dorf. Ich hatte eine schöne Kindheit, viele Hobbys, war musikalisch, vielseitig interessiert. In der Schule gab es nie Probleme, es viel mir eigentlich alles sehr leicht.
Vor 14 Jahren lernte ich meine erste feste Freundin kennen. Sie schloss ihr Abitur ab und wollte sich nun dem Studium widmen. Im Spätsommer wurde sie krank, sie bekam Fieber, hustete viel, hatte Herzrasen. Der Arzt attestierte ihr eine Grippe. Meiner Meinung nach ging es ihr in den nächsten 2 Wochen nicht wesentlich besser. Während einer dieser Tage musste sie dennoch mit dem Zug los. Sie berichtete mir abends, dass sie fast den Zug verpasst hat, gerannt sei und dann kaum Luft bekommen hat. Sie, bzw. wir schoben es auf die Grippe. Es folgte ein schöner Sommertag, sie war noch nicht fit, aber sie wollte gerne den Tag nutzen. Plötzlich bekam sie Schmerzen im Unterleib, Ich sollte sie nach Hause bringen, wollte sie aber lieber zum Arzt bringen, hätte ich das mal gemacht…. Sie sagte ich soll nach Hause fahren, sie wollte mich nicht mit Magendarm anstecken… Ich fuhr nach Hause…. Nachts gegen 3 Uhr erhielt ich dann die letzte Nachricht „Ich liebe dich!“ von ihr. Eigentlich sollte ich mich freuen. Allerdings erschien mir die Uhrzeit schon sehr merkwürdig. Ich schrieb ihr zurück, bekam bis mittags keine Antwort. Ich holte meinen Vater von der Arbeit ab, er sagte ich solle mich auf den Beifahrersitz setzen. Er fing an zu weinen. Es dauerte sehr lange, bis er mir erklären konnte, was passiert ist. Sie hatte eine Lungenembolie erlitten. Mit dem Begriff konnte ich nicht viel anfangen. Wusste nur, dass es sehr schlimm sein musste. Wir fuhren ins Krankenhaus. Dort angekommen viel mit ihre Mutter in die Arme. Sie sagte sie wird es nicht schaffen. Ich konnte mich verabschieden. Ihre Hand war kalt. Die Maschinen hielten sie am Leben. Später kam eine Seelsorgerin ins Zimmer, zündete eine Kerze an. Die Geräte wurden abgeschaltet. Ihr Puls wurde langsamer. Immer langsamer. Sie war verstorben. Mit 19 Jahren. Die folgenden Tage verliefen schwer. Meine Eltern bemühten sich darum, mich zu beschäftigen, mich abzulenken. Ich glaube am nächsten Tag sind wir losgefahren, haben Tapete gekauft, um einen Raum zu renovieren. Dabei war ich natürlich psychisch fertig, ich wusste nicht wohin mit meinen Gedanken. In den folgenden Tagen und Wochen machte ich mich zusätzlich zur Ausbildung selbstständig, engagierte mich Ehrenamtlich in verschiedensten Vereinen, unternahm viel mit Freunden. Ich habe aber auch irgendwie das Gefühl, dass ich verdrängt habe. Mich nicht mit dem Verlust auseinander gesetzt habe. Mich nicht meinen Gefühlen gestellt habe. Von meinen Freunden und meiner Familie wurde ich nie wieder darauf angesprochen. Das soll kein Vorwurf sein. Sie wussten wahrscheinlich ebenfalls nicht damit umzugehen, was auch verständlich ist. Ich wusste ja auch nicht, wie ich damit umgehen soll.
Ich beschäftigte mich also sehr viel in der Freizeit. Hatte viele Hobbys, viele Aufgaben. Das Problem in meiner Vergangenheit ist, dass ich nie mit Geld umgehen konnte. Ich habe mir alles gekauft was ich wollte. Ging auf Partys. Ich bekam eine neue Freundin, sie verlies mich aber kurze Zeit später während eines Auslandsaufenthalts. Wieder war ich emotional am Boden. Ich ging studieren. Parallel deckte ich meine Freizeit mit immer mehr Dingen zu. Parallel ging das Geld ausgeben weiter. Hier eine Party, hier eine Pizza, da ein Netflix Abo, Handyvertrag,…. Irgendwann lief mein Konto in‘s Minus. Dann folgte der wohl schwerwiegendste Fehler meines Lebens, den ich so unfassbar bereue. Ich habe Geld genommen. Geld welches nicht mir gehörte, über einen längeren Zeitraum. Während meiner Vereinsarbeit. Ich könnte kotzen, wenn ich darauf zurückblicke. Mir wird schlecht. Vor über 6 Jahren bekam ich dann plötzlich Panik, ich konnte nicht mehr in den Spiegel schauen, ich war erschrocken, enttäuscht und wütend auf mich selbst. Ich begann, in die Bücher zu schauen und prüfte, das auch alles Geld wieder zurückgeflossen ist. Insgesamt war das kein kleiner Betrag, der da im Laufe der Zeit entstanden ist. Von diesem Punkt an änderte ich mein Verhalten. Ich lernte mit Geld umzugehen. Schaute mir Videos dazu an, recherchierte viel im Internet. Ich nutzte Apps,…. Das klappt seit diesem Zeitpunkt vor 6 Jahren erstaunlich gut. Wenige Monate später zog ich mit meiner damaligen Freundin und mittlerweile Frau (wir erwarten ein Kind) in eine Wohnung zusammen, raus aus dem Elternhaus. Auch hier gab es keinerlei Probleme mehr, mit dem Umgang von Geld. Ich konnte sparen, so viel, das wir uns im vergangenen Jahr eine Eigentumswohnung kaufen konnten (natürlich zusätzlich noch finanziert). Vor 6 Jahren habe ich ebenfalls angefangen mich so reflektieren. Ich habe angefangen, zu erörtern, wieso ich gegen meine eigene Wertvorstellung gehandelt habe? Ich habe mich gefragt, was meine Wertvorstellungen sind? Ich habe mich intensiv mit mir auseinander gesetzt. Ich denke, es gibt nicht den einen Grund, weshalb ich dieses vor allem moralisch verwerfliche getan habe. Ich denke es ist eine Kombination aus vielem. Wie dem auch sei, ich habe niemanden, von meinen mittlerweile verjährten Fehltritten erzählt. Ich hatte Angst, vor allen vor sozialer Ausgrenzung. Ich hatte Angst vor der Reaktion meiner Frau, meiner Familie. Die Belastung damit zu Leben wurde in den letzten Jahren nicht weniger. Im Gegenteil. Sie nahm zu. Ich versuchte im Internet nach Angeboten und nutzte diese. Sei es die Telefonnseelsorge oder das Sorgentagebuch. Diese helfen, allerdings immer nur kurzzeitig. Vor wenigen Wochen war der innerliche Druck bei mir so stark. Ich habe es geschafft mein damaliges Fehlverhalten mit meiner Frau zu teilen. Sie war enttäuscht, erschrocken, stellte aber auch viele Fragen. Sie gab mir aber das Gefühl, mich nicht darauf zu reduzieren. Ich hatte wirklich panische Angst vor diesem Augenblick. Allerdings hat auch diese Beichte nur vorübergehend geholfen. Noch immer kreisen die Gedanken in meinem Kopf. Ich stelle mir die Frage, was kann ich noch machen? Was ist wenn jemand die (nur noch auf dem Papier vorhandenen) Auffälligkeiten/Unstimmigkeiten entdeckt? Ich weiß das vermutlich jetzt die richtige Anlaufstelle eine Therapie wäre. Ich habe aber noch nicht den Mut gefunden. Irgendwie braucht bei mir alles Zeit, sehr viel Zeit, zu viel Zeit.

Vielleicht habt ihr noch ein paar Ideen/Anregungen, die ich verfolgen kann.

Gestern 09:28 • 03.04.2025 #1


8 Antworten ↓


Es geht um das genommene und wieder zurückgegebene Geld?
Also besteht aktuell kein Schaden.
Wie schaut das strafrechtlich aus? Ist das überhaupt noch relevant oder bereits verjährt?
Wenn du es im Verein einfach beichtest? Bist du dort überhaupt noch engagiert?

A


Meine Vergangenheit belastet mich

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@alfred1992 hallo. Ich bin gerade auf der Arbeit und hab mich kurz zurück gezogen um deine Geschichte zu lesen.
Als erstes: trau dich. Mach den schritt zu Therapie. Es hilft ungemein, ich spreche aus erfahrung. Ich konnte mit vielem den Frieden schliessen, was mich jahrelang belastet hat. Zudem bedenke die enorme Wartezeit. Meist geht es Wochen oder gar Monate bis zu deiner ersten Sitzung.

Ich verstehe dich sehr gut, auch dein Handeln für dass du dich schämst. Ich habe auch mal etwas sehr verwerfliches gemacht. Ich hatte nach einem Autounfall aus angst meine eltern anglogen. Das führte dazu das die Polizei kam, ich diese auch an log, und das zog sich dann weiter bis zu versicherungsbetrug. Ich musste anschliessend alles richtig stellen und war auf mich allein gestellt. Ich hatte davon extrem hohe bussen bekommen, welche ich alle postzurückhaltend bezahlte.

Das resultierte bei mir aus einer Panick. Bei dir klingt es für mich mehr aus verlust. Sei es der verlust den du durchmachen musstest, oder verlust deiner selbst. Schliesslich klingt es nach jahre langer Verdrängung. Ich finde dein verhalten nicht verwerflich, es war ein Hilferuf. Ich verstehe dein verachten auf das verhalten, uch bin weiss gott auch nicht stolz auf meins. Aber sehe es nicht als schande an, sondern frage dich warum du es gebraucht hast. Ist es wegen dem nervenkitzel, um etwas zu fühlen? War es vieleichr sogar nur unterbewusst in der hoffnung erwischt und gesehen zu werden? Oder war es etwas ganz anderes.
Manchmal handelt man wegen solchen dingen falsch. Vorallem auch weil bei dir ja alle das ganze passierte totgeschwiegen haben.

Ich weiss nicht ob man versteht worauf ich hinaus möchte, aber verachte dich nicht dafür. Versuch für dich den grund zu finden, setze dich damit auseinander, und hol dir die hilfe die du brauchst.
Und sei versichert, ich verstehe dich.

Zitat von User_0815_4711:
Es geht um das genommene und wieder zurückgegebene Geld? Also besteht aktuell kein Schaden. Wie schaut das strafrechtlich aus? Ist das überhaupt ...

Es ist strafrechtlich inzwischen verjährt. Nein es besteht auch kein weiterer Schaden. Aber darum geht es mir auch nicht. Es geht mir um das moralisch Verwerfliche.

@alfred1992 du hast moralisch nicht gut gehandelt, aber man kann manche Fehler wieder gut machen. Dies ist so ein Fehler, da niemand zu Schaden gekommen ist. Du hast deine Lektion gelernt, es hat aus dir glaube ich einen besseren Menschen gemacht, was man daran sieht, dass du mit diesem
Gewissen nicht leben kannst. Glaub mir, viele würden darüber weder nachdenken, noch es der Frau beichten, wenn sie nicht müssten. Es spricht sehr für dich als Mensch, dass du jetzt so handelst, wie du handelst, dass du ehrlich bist etc. Du musst nun anfangen dir selber zu vergeben. Jeder Mensch macht Fehler und das war eben dein großer Fehler. Ich denke eine Therapie ist da die richtige Option.
Und mach dir bewusst, dass du kein schlechter Mensch bist, nur weil du etwas schlechtes getan hast.

Zitat von alfred1992:
Es geht mir um das moralisch Verwerfliche.


Ja, vordergründig, aber ich denke eher, es geht darum, den Tod der Freundin nicht verhindert zu haben. Insofern bestehst du nach wie vor aus Schuld.

Und da du natürlich auf der einen Seite weisst, dass das etwas unlogisch ist, hängst du eben in der anderen Sache fest. Vermute ich mal.

Unterm Strich geht es darum, dass man sich verzeihen darf und auch darum, irgendwann einen Schlussstrich zu ziehen.

Vergangenheit kann niemand mehr ändern. Die gilt es zu akzeptieren. Aber man kann daraus lernen. Und das hast du ja getan.

Lieber Alfred1992,
herzlich willkommen im Forum für Geplagte. Danke für deinen ausführlichen und nachvollziehbaren Bericht über deine Geschichte. Alles verständlich und, mit Verlaub: völlig normal. Was nicht normal ist, ist der Umstand, dass du kein sicheres Geländer für dein inneres moralisches Sein findest, zumindest noch nicht. Aber das gibt es natürlich auch für dich. Der Verlust deiner jungen Freundin ist ein schwerer Schicksalsschlag. So etwas hört man selten. Es ist verständlich, dass manche in deiner Umgebung nicht gut damit umgehen konnten, wie soll man das auch? Wie soll man das verarbeiten? Es gibt Dinge, die kann man gar nicht verarbeiten. Die bleiben als Schmerz, als Wunde und dann als Narbe bestehen. Die Berichte deiner weiteren Entwicklung sind beeindruckend. Du hast viel gemacht und viel erreicht. Vielleicht steckt in dir ein gewisser Mister Perfect drin. Das würde dein Problem mit den Fehlern, die du in deiner Vergangenheit begangen hast, erklären. Die Fehler, die du begangen hast, sind nachvollziehbar. Ich lehne mich einmal etwas aus dem Fenster: Es könnte sein, dass deine Kindheit nicht so gut war, wie du geschrieben hast, sondern, dass da einiges an emotionaler Wärme (Liebe) fehlte. Das könnte in meinen Augen deine Kaufsucht erklären. Die Veruntreuung von Geld war eine Straftat. Sie ist verjährt. Du empfindest starke Reue, das lese ich aus deinem Bericht heraus. Das ist die richtige Art der Verarbeitung! Viel mehr kannst du von dir nicht erwarten und du musst es auch nicht. Als Glaube und Kirche noch die Gesellschaft prägten, bis hinein in das Gewissen des einzelnen Menschen, hättest du als Katholik die heilige Beichte ablegen können, der Priester hätte dir eine Buße auferlegt, Gott hätte dir verziehen. Gott hätte dem Sünder verziehen. Heute steht man mit seinen Sünden alleine da, das ist das Problem. Deshalb fühlst du dich verpflichtet, deine Fehler anderen zu erzählen. Sie sollen dich lieb haben, obwohl du schwere Fehler (wie schwer sie wirklich sind, das kann man unterschiedlich bewerten) gemacht hast. Das ist der Kern der Angelegenheit. Ich habe in meiner Jugend auch einige Dinge getan, für die ich mich heute schäme und die ich so gut wie niemandem erzählen würde. Sie gehören zu meinem Erfahrungsschatz dazu und ich möchte sie nicht missen. Ich würde sogar sagen, sie haben mich „reicher“ gemacht. Du musst deine Fehler der Vergangenheit nicht jedem erzählen, um damit ins Reine zu kommen. Das musst du selbst machen: Du darfst und musst dich mit deinen Fehlern akzeptieren. Du bist wegen dieser Fehler kein schlechter Mensch, sondern du bist ein unperfekter Mensch, wie wir alle. Mister Unperfect. Kannst du damit leben? Als letzter Gedanke: Niemand hat das Recht, schlecht über dich zu urteilen, weil du konsumsüchtig warst und Geld gestohlen hast. Aber mache es nie wieder. Ich mache die schlimmen Dinge, die ich in meiner Jugend gemacht habe, auch nie wieder.
Herzliche Grüße

Zitat von alfred1992:
Aber darum geht es mir auch nicht. Es geht mir um das moralisch Verwerfliche.

Bei den Betroffenen beichten und um Absolution bitten.

Guten Abend zusammen,

ich möchte mich bei euch allen Bedanken, vor allem für die ausführlichen Beiträge!

Ja ihr habt recht, niemand ist Perfekt und ich auch nicht. Ich merke, dass es mir schwer fällt, mir das einzugestehen. Genauso kann ich mir irgendwie nicht selbst verzeihen.

Ob bei mir in der Vergangenheit, also in der Kindheit emotionale Wärme gefehlt hat. Vielleicht ist da was dran.

Ich weiß, dass für mich eine Therapie vielleicht nützlich wäre, einen Umgang mit den ganzen Thema zu finden.





Mira Weyer
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