Zitat von Queer Fellow:Das Gefühl frieren ist auch nur erstmal ein Gefühl wie z.B. die Emotion Angst also. Frieren kommt durch Kälte und Angst .. woher kommt die nun. Es muss ja denke ich immer eine Gefahr hinter jeder Angst stecken.
Das Entscheidende ist, dass die Gefahr hinter der Angst immer nur die wahrgenommene Gefahr sein kann. Wenn ich ein heranrasendes Auto nicht bemerke, habe ich in dem Moment auch keine Angst davor, obwohl eine reale Gefahr besteht. Wenn ein großer Hund auf mich zustürmt, der tatsächlich nur spielen will, habe ich wahrscheinlich Angst, ohne dass eine reale Gefahr besteht. Insofern ist der Einfluss des Denkens und Bewertens enorm.
Zitat von Queer Fellow:Hier spielen eigene Erlebnisse die man als gefährlich in seinem Leben erkannt hat immer eine Rolle sicher, z.B. eine erlebte PA. Das man dann davor Angst hat ist normal und nicht krank und ein Vermeidungsverhalten ist eigentlich für mich das logischste und normalste dabei. Und da brauche ich mir erstmal nicht viel Gedanken zu machen warum, der Grund ist offensichtlich diese erlebte PA.
Angst und Vermeidung als Konsequenzen einer PA sind logisch, die
wahrgenommene Gefahr ist schließlich groß. Aber wie groß ist die
reale Gefahr?
Zitat von Queer Fellow:Wenn ich die praktizierten Therapien aber richtig verstanden habe, bauen die nun auf Gedanken auf und versuchen da was zu bewegen. Aus meiner Sicht würde ich aber nun feststellen, das das ziemlich aussichslos ist, weil die Gedanken ja kaum Einfluss darauf haben können, bestenfalls sehr begrenzten Einfluss.
Die Therapien setzen bei der Bewertung der Gedanken an. Ist die wahrgenommene Gefahr tatsächlich so groß, oder ist da vielleicht gar keine reale Gefahr? Mit der Bewertung allein ist es natürlich nicht getan, man muss auch klären, ob eine Gefahr besteht, wie groß sie ist, ob man sie verringern kann und wie man mit Restrisiken umgeht. Es muss z.B. mal abgeklärt werden, ob man organisch gesund ist. Wenn man Angst hat, ohnmächtig zu werden, kann man üben, den Kreislauf z.B. auch bei längerem Stehen stabil zu halten, und man kann sich damit auseinander setzen, dass von einer Ohnmacht i.d.R. keine Gefahr ausgeht. Sie ist vielleicht peinlich und unangenehm, mehr aber nicht. Wenn man befürchtet, verrückt zu werden, muss man schauen, wie das eigentlich aussehen soll und wie wahrscheinlich es ist. Bei einer Hundephobie muss man sich klar machen, dass nur die wenigsten Hunde bissig sind, außerdem kann man üben, mit Hunden umzugehen.
Das ist aber längst nicht alles. Im Moment der Angst ist die Angst immer schneller als jeder klare Gedanke und erst recht viel schneller als korrigierte Bewertungen, die erst eingeübt werden müssen. Das ist aus evolutionären Gründen so, es ist nunmal sicherer fürs Überleben und die Gesundheit, einmal zuviel aus Angst wegzulaufen, als eine reale Gefahr zu übersehen. Nur ist es natürlich unangenehm, jedesmal an der Supermarktkasse, beim Spaziergang im Park oder sogar daheim auf dem Sofa einen gigantischen Fehlalarm zu erleben.
Deshalb macht man in der VT Folgendes: Erstens muss man das Korrigieren der Bewertungen üben, üben und nochmals üben. Man sammelt (natürlich in ruhigen Momenten) alle Befürchtungen, die so auftreten, und überprüft sie auf tatsächliche Gefahren. Dabei kann man sich auch Spickzettel machen, damit man die realistische Einschätzung auch im Ernstfall dabei hat. Im Ernstfall einer PA wird das aber noch nicht reichen. Deshalb muss man - wenigstens zu Anfang - die bewusste Entscheidung treffen, sich der Angst zu stellen, sich also zu konfrontieren. Das hat den Vorteil, dass man nicht kalt von einer PA erwischt wird, so dass die Korrektur der Bewertungen diesmal greifen kann. Außerdem wird das normalerweise durch Techniken ergänzt, mit denen man die Angst während der Konfrontation besser durchstehen kann. Damit macht man die
Erfahrung, dass keine reale Gefahr besteht. Und wenn man diese Erfahrung oft genug macht, setzt sich mit der Zeit auch wieder die automatische Bewertung ungefährlich durch.
Zitat von Queer Fellow:Irgendwie komm ich jetzt nicht klar, wieso positive Gedanken nun was ausrichten sollen.
Es geht nicht um positive Gedanken, sondern um realistische Bewertungen. Und es gehört auch dazu, abzuwägen, wieviel Risiko man einzugehen bereit ist. Das muss man immer selbst entscheiden. Wer auch nach reiflicher Überlegung absolut sicher gehen will, niemals in der Öffentlichkeit ohnmächtig zu werden, weil er das persönlich unerträglich fände, kann tatsächlich die eigenen vier Wände nicht mehr verlassen. Es gibt bissige Hunde, und wer absolut sicher sein will, niemals mit einem solchen in Kontakt zu kommen, muss Hunde und alle Orte, wo sich welche aufhalten könnten, komplett meiden. Es ist realistisch, dass Menschen einen Herzinfarkt erleiden können und dass dieser oft mit Schmerzen im linken Brustbereich einher geht. Aber es ist extrem unwahrscheinlich, dass einigermaßen junge, gesunde (und meist top-untersuchte) Menschen einen Herzinfarkt bekommen, und Herzstiche sind auch kein Symptom dafür. Komplett meiden lässt sich das Risiko eines Herzinfarktes auf das ganze Leben gesehen aber nicht.
Zitat von Queer Fellow:Ich denke auch, das die Ursachen immer VOR der ersten erlebten PA sein müssen, denn zuvor hat man ja immer solche Situationen (ohne sich jemals darüber Gedanken zu machen) gemeistert. Man hatte KEINE Angst davor ! Also kann hinter dem Gefühl Angst sich nicht die Lösung verbergen - oder doch ? Wieso doktort man nun an der Angst herum, sieht nur noch das Gefühl als krankhaft und als Folge falschen Denkens ?
In der VT unterscheidet man da mehrere Dinge: die Auslöser der Angst (1), die allgemeine Lebenssituation (2), in der die Angst dann erstmals akut geworden ist, grundlegende Überzeugungen (3), die man immer schon mit sich rumgeschleppt hat, und Bedingungen (4), die die Angst aufrecht erhalten.
Ad (1): Ein Auslöser kann ganz popelig sein - eine Körperwahrnehmung z.B., der man bisher nie Beachtung geschenkt hat. Man bemerkt einen Stich in der Herzgegend, denkt erstmals in diesem Zusammenhang an Herzinfarkt (womit man sich noch nie beschäftigt hatte) und steigert sich ruckzuck in die erste PA hinein.
Ad (2): Die meisten Menschen bekommen wegen (1) keine PA. Das wird so erklärt, dass normalerweise die Angstschwelle höher liegt. Wenn man aber schon ganz allgemein in irgendeiner Form unter Stress steht, braucht es nicht mehr viel (mehr), um richtig Angst zu bekommen. So, wie Hochwasser vom Deich zurück gehalten wird, aber eine einzelne Welle trotzdem mal drüber schwappen kann. Und zum Stress gehören auch durchaus positive Dinge, wie z.B. ein Schulabschluss (der ja mit massiven Veränderungen im Leben einher geht), ein Umzug, Heirat, Familienzuwachs etc.
Ad (3): Alle Menschen haben grundlegende Überzeugungen, die ihre Bewertungen von Situationen beeinflussen. Wenn man die Grundüberzeugung mitbekommen hat, dass man keine Schwäche zeigen darf, ist eine Ohnmacht in der Öffentlichkeit etwas Bedrohliches. Deshalb muss man an solchen schädlichen Überzeugungen (die ja auch Gedanken sind) arbeiten, sonst wird man seines Lebens nicht mehr froh.
Ad (4): Wenn man mal auf den Geschmack (der Vermeidung) gekommen ist, kann die einige nützliche Effekte haben. Vielleicht wird man bedauert, umsorgt und versorgt, findet Beachtung, wo man sonst keine fände. Vielleicht kann man wegen der Angst sehr schmerzhafte Konflikte nicht mehr angehen, wie z.B. die eigentlich fällige Trennung vom Partner. Vielleicht erspart die Angst vor der Busfahrt zur Uni die Auseinandersetzung mit einer größeren Angst, der Angst dort zu versagen. Nun hat das mit Gedanken und Bewertungen nicht so viel zu tun. Man muss sich trotzdem drum kümmern, weil man sonst an Gedanken und Bewertungen inklusive Konfrontation arbeiten kann, bis man schwarz wird...
Zitat von Queer Fellow:Aber vielleicht ist hier die PA nicht das richtige Beispiel, da es ja um Zukunftsängste (generalisierte Angsstörung) geht
Doch, doch, PAs sind m.E. geeignete Beispiele. Das Prinzip ist mehr oder weniger immer das Gleiche.
Liebe Grüße
Christina