Ich kenne diese Angst zu gut.
Ich habe seit Kind an mit einer unbehandelten Sinustachykardie gelebt. Mein Ruhepuls lag nie unter 100, wenn er mal bei 130 lag, dann empfand ich ihn als ruhig. Normal war bei mir ein täglicher Puls von 150 und höher.
Inklusive Schweißausbrüche, Zitteranfälle, Benommenheit, Atemnot, Schwindel, damit habe ich all die Jahre gekämpft und gelebt, habe mir mehrmals am Tag gedacht so, das wars jetzt, gleich fall ich um. Es war wirklich beängstigend und grausam.
Vor einem Jahr wurden meine Beschwerden das erste Mal ernst genommen, vorher wurde der hohe Puls immer auf die Aufregung geschoben, keiner glaubte mir, dass ich diesen seit Kind an pausenlos habe, dass mich dieser täglich begleitet.
Ich hatte schon fest damit gerechnet, herzkrank zu sein, ich war mir fest sicher, dass der Kardiologe etwas finden wird. Zumal ich auch null belastbar war, Sport? Ging gar nicht, Puls schnellte auf über 200 und ich bekam gar keine Luft mehr, schon nach nur wenigen Minuten. Irgendwann war auch das Treppen steigen eine Belastung.
Naja, der Kardiologe hatte nichts gefunden, im Ultraschall war alles bestens, hätte ich niemals gedacht! Langzeit EKGs waren auch in Ordnung, Belastungs EKG ebenfalls, nichtmal Rhythmusstörungen, wo ich immer das Gefühl hatte, dass ich sie habe, durch ein unruhiges und zittriges Gefühl in der Brust. Nichts wurde festgestellt, außer der viel zu schnelle Puls. Raus kam dann eine laut Kardiologe harmlose Sinustachykardie.
Seitdem nehme ich täglich Betablocker und mein Herzrasen ist verschwunden, hin und wieder habe ich mal Attacken, diese aber vielleicht 1-2 mal im Monat.
Ich kann auch endlich Sport treiben, ganz ohne Atemnot.
Ich kann es kaum glauben, dass es so gut mit den Betablockern funktioniert. Ich fühle mich wie ein neuer Mensch.
Ich merke aber mehrmals am Tag Stolperer, ich habe ganz deutlich spürbare Extrasystolen, es klopft einmal kräftig und mir bleibt die Luft weg, als wäre mein Herz kurz stehen geblieben. Manchmal sicher 10 mal die Stunde. Das jagt mir jedesmal einen riesen Schrecken ein, laut Kardiologe aber normal und harmlos, er meinte, dass alle Menschen sie haben, manche spüren diese deutlicher, manche überhaupt nicht.
Ich hatte auch immer ein Kribbeln, Flattern, Taubheitsgefühl in der Brust und im linken Arm, es kam auch schon vor, dass mir wochenlang immer wieder das linke Bein anschwill, da sagte ich mir wieder, dass es doch das Herz ist, eine Herzschwäche oder sowas. Ich war immer fest überzeugt.
Diese komischen Gefühle habe ich heute manchmal noch, besonders dann, wenn ich nicht abgelenkt bin.
Auch heute habe ich noch Angst, ich beobachte genau und schrecke bei jeder Beschwerde hoch. Auch heute zweifle ich manchmal, ob der Kardiologe auch wirklich recht hat und wirklich nichts übersehen hat. Dann merke ich aber auch wieder, dass ich Symptome bekomme, also scheint vieles auch psychisch zu sein.
Meinem Kardiologen muss ich vertrauen, trotz manchmal noch komischer Beschwerden.
Ich habe auch Angst, dass mein Herz schaden genommen hat, immerhin hat es über 20 Jahre pausenlos sehr schnell geschlagen, pausenlos über weit über 100 mal. (Als Kind lag mein Puls wirklich auch schon über 100, sagten meine Eltern mir und schon als Kind spürte ich deutlich, dass irgendwas nicht stimmt).
Gleichzeitig denke ich mir, ok... aber mein Herz hat mich dennoch nie im Stich gelassen, trotz der jahrelangen starken Belastung, es hat nie aufgehört und laut Kardiologe ist es dennoch gesund, das beruhigt mich dann wieder
Es hängt viel mit der Psyche zusammen, vieles wird erst dadurch ausgelöst und die Symptome verschlimmert. Ich kann ein Lied davon singen. Ich muss nur daran denken und schon spüre ich wieder etwas.
Es ist sehr schwer, das in den Griff zu kriegen.
08.01.2022 21:00 •
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