@ichbinMel
Hallo Mel,
ich muss mich bei dir einfach mal ganz herzlich dafür bedanken, dass du dieses Thema eröffnet hast.
Diese ganz großen Worst Case Szenarien, wie Atomkrieg, Pandemien....... u.s.w. möchte ich mal außen vor lassen.
Mir geht's eher darum, sich für 2 - 3 Wochen einigermaßen über Wasser halten und sich selbst versorgen zu können.
Bei diesen ganzen Überlegungen bin ich dann irgendwie in meiner Kindheit gelandet, die trotz einiger Schicksalsschläge auch sehr schöne und gute Zeiten hatte.
Aufgewachsen bin ich in einer Kleinstadt im Münsterland. Am Stadtrand hatten meine Großeltern ein Haus, Bj. 1886 und einen 800 qm großen Garten. Wir hatten 4 direkte und einige weiter entfernt liegende Nachbarn, die alle zusammen eine eingeschriebene Nachbarschaft bildeten. Das war damals nicht nur im Münsterland üblich.
Eigentlich war so eine Nachbarschaft eine Notgemeinschaft, in der man sich verpflichtete, sich in Notsituationen gegenseitig zu helfen.
Jeder Nachbar hatte einen `Notnachbarn , der in einer Notsituation als erster angesprochen wurde, reichte seine Hilfe nicht, halfen weitere Nachbarn mit. Notsituationen waren z.B., bei den Bauern, wenn eine Kuh kalbte, Erntehelfer gebraucht wurden, bei Krankheiten z.B. jemand den Haushalt übernahm. Bei Todesfällen eines oder beider Eltern, kümmerten sich immer zunächst die Nachbarn um die Kinder, bis die Verwandtschaft entschied was weiter geschieht.
Beerdigungen wurden durch die Nachbarn mit organisiert, Sargträger z.B. wurden immer von den Nachbarn gestellt.
Aber es wurde auch zusammen gefeiert. Karneval, damals nicht im Gasthof, sondern reihum bei den Nachbarn zu Hause, Sommerfeste, runde Geburtstage, Hochzeiten u.s.w. wurden nicht nur zusammen gefeiert sondern auch durch die Nachbarn mit organisiert und ausgerichtet.
Wurde ein Haus gebaut oder ein Dach eingedeckt, halfen alle mit, die es irgendwie einrichten konnten.
Sicherlich gab es auch schon mal Zoff untereinander. Meistens ging´s nur um Bagatellen und dafür wurde ein Nachbar als Schlichter gewählt.
In so einer ländlichen Region, auch in den kleineren Städten und auf den Dörfern, waren solche Nachbarschaften sehr wichtig.
Ich bin in einer tollen Nachbarschaft aufgewachsen, mit vielen Kindern in ungefähr meinem Alter. Gespielt wurde, wenn es das Wetter eben zuließ, draußen und das zu jeder Jahreszeit und mindestens bis es dunkel wurde. Völkerball, Brennball auf der Straße - Autos hatten damals die wenigsten Nachbarn, beim Fangen- und Verstecken Spielen ging`s dann auch durch die Gärten der Nachbarn, was auch schon mal für Ärger sorgte, wenn Beete zertrampelt und Bohnenstangen umgerissen wurden.
Das wichtigste Verkehrsmittel, vor allem für uns Kinder war das Fahrrad. Ohne Fahrrad geht im Münsterland nix. Da ging es oft raus in die nahe gelegenen Wälder- Axt, Säge, Spaten, Packschnur mitgenommen - und ganz wichtig - das Fahrtenmesser. Und dann wurden Höhlen, Unterstände, kleine provisorische Hütten und Hochsitze gebaut. Gesunde Bäume fällen, Nägel benutzen und Feuer machen oder Fallen bauen war absolut tabu. Benutzt wurde nur Totholz und Packschnur. Im Hochsitze bauen war ich unschlagbar, das hatte ich so oft mit meinem Vater gemacht.
Als ich 9 war, bekam ich meinen ersten Schlafsack. Den hatte meine Oma aus ein paar alten Bettlaken zusammen genäht, ich war stolz wie Oskar. Mein Freund und ich haben dann tatsächlich eine Nacht in einer selbst gebauten Laubhütte im Wald übernachtet.
Das wir die Hosen in der Nacht fast voll hatten, haben wir nicht zugegeben. Wir waren ganze Kerle.
Mein Vater erzählte mir viele Jahre später, er sei in der Nacht zweimal zu uns raus gefahren um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Wir hatten davon nix bemerkt. Naja, er kannte die Wälder bei uns wie seine Westentasche und war ein Weltmeister im Pirschen.
Ab 9 Jahren bin ich dann auch einer, von der Kirchengemeinde organisierten Gruppe beigetreten, die wiederum aus mehren einzelnen Gruppen bis max. 10 Jungs ( damals nur Jungs ) bestand. 14 täg. war Gruppentreffen und es wurden Spiele gemacht oder es ging raus in die Natur. Pfingsten gab es das Pfingstlager, jede Gruppe einzeln, irgendwo in den Wäldern der Umgebung. Mit den Fahrräder und Fahrradkarren wurde alles nötige mitgeschleppt und dann wurde von Fr. - Mo. Indianerleben zelebriert. Gruppenführer war immer ein mindestens 18 jähriger.
Zeltplatz vorbereiten, Zelt aufbauen, Feuerstelle ausheben, Kochgestänge aufbauen, Wachturm bauen ( manchmal ) und den Donnerbalken samt Grube anlegen.
Und dann wurde passendes Holz gesucht um sich seinen `Flitzebogen `zu bauen, Pfeile und Wurfspeere anzufertigen, um dann in kleinen Wettkämpfen damit auf Baumstubben oder Grastossen zu schießen oder zu werfen.
Schnitzeljagd oder Zielwandern stand auf dem Programm.
Eine Alarmanlage durfte nicht fehlen. Ein weiträumig ums Lager gespannte Leine, mit immer zwei sich berührenden Blechdosen daran befestigten Blechdosen, die bei Berührung der Leine anfingen zu klappern.
Es konnte schon mal sein, dass wir nachts von einer anderen Gruppe oder von einem einzelnen Gruppenführer überfallen wurden, um unseren Wimpel, unsere Gruppenfahne zu klauen.
Die konnte man sich evtl. später mal zurückerobern oder musste sie gegen `Lösegeld `, meistens Berge von Schokolade, tütenweise Harribo oder jede Menge Sunkist einlösen. Einlösen war ein Zeichen von Schwäche, lieber zurückerobern oder ihren Wimpel klauen, dann war man wieder auf Augenhöhe.
Und dann gab`s das große Sommerlager, 3 Wochen mit allen Gruppen in die Eifel oder ins Sauerland, das Highlight im Jahr.
Mit 13 und 14 Jahren bin ich ein paar Mal mit einem Freund im Sommer und im Herbst zum Nachtangeln auf Aal raus gefahren. Ein Zelt hatten wir nicht. Wir haben uns dann aus Fichtenzweigen und oder Laubholzzweigen einen Unterstand gebaut, unter dem man sitzen und liegen konnte., ohne bei leichtem Regen nass zu werden. Feuer angemacht, Schlafsäcke ausgerollt, Dosensuppe in die Glüht gestellt und die Angeln ins Wasser. Und die Nacht konnte kommen. Am nächsten oder übernächsten Morgen ging`s dann nach Hause.
Woher kamen die Ideen solche Dinge zu machen?
Zum einen war es bei mir sicherlich meine Herkunft, durch den Beruf meines Opas und meines Vater, Waldarbeiter und Berufsjäger, ständig draußen im Wald zu sein, zu jagen und zu fangen, zu Hause 2 Schweine im Stall, die je eins verkauft und eins auf dem Hof geschlachtet wurden. Hühner, Gänse, Enten und Karnikel, ( lach mich weg - fällt mir gerade der Film `Karniggels `von Detlef Buck ein, muss ich unbedingt mal wieder sehen. ) ein großer Garten mit allem was ein Selbstversorger braucht. Obstbäume, Gemüse, Salat Beerensträucher.........
Jaaaaa ---------- - und dann ----------- Winnetou und Old Shatterhand ---------- Kara Ben Nemsi-----------Lederstrumpf ----------------Chingachgook ------------ Robinson Crouso.....................
für uns Kinder war das mehr als die Bibel. Wir haben die Bücher nicht gelesen, wir haben sie gefressen.
Apropos Selbstversorger. Anfang der 60er hatten wir noch keinen Kühlschrank. Lebensmittel wie Fleisch wurde entweder als Wurst oder als Kochfleisch eingeweckt, oder gepökelt und luftgetrocknet, z.B. Schinken und Mettwurst. Auch Gemüse wurde z.T. eingeweckt, Obst sowieso. Das was wir nicht im Garten hatten, wurde Nachbarn getauscht, der etwas anderes angebaut hatte.
Jeden Abend bin ich zu einem Nachbarn rüber und hab mit einer Aluminiummilchkanne 2 L Milch geholt, Frisch gemolken, durch zwei Leinentücher gesiebt und dann abgefüllt.
So roh, fettreich und warm, wie sie aus dem Euter kam. Wenn sie am nächsten morgen erkaltet war, konnte man den Schmand abschöpfen und weiterverwenden.
Von dieser Rohmilch ist bei uns nie jemand krank geworden.
Ich glaub, alle in unserer Nachbarschaft hatten einen ,meistens, kleinen Keller, wie wir. Dieser Keller war nicht sehr tief angelegt, nur ein paar Stufen tief. Das Zimmer über dem Keller lag entsprechen höher gegenüber den anderen Zimmern, hatte eine niedrige Deckenhöhe und man konnte es nur über ein paar Stufen betreten. So ein Zimmer hieß `Upkammer `und so eine Upkammer war mein Kinderzimmer.
In dem Keller darunter wurden die Weckgläser, Kisten mit Äpfeln und gepökeltes Fleisch, und Kartoffeln gelagert. Und wir hatten einen Tonpott mit 30 Litern Inhalt, in dem selbstgestampftes Sauerkraut gelagert wurde. Der Tonpott hatte oben einen Rand in den man Wasser goss und dann den Deckel aufsetzte, so konnte beim Gärprozess Gas den Deckel hochdrücken und entweichen und der Deckel dann wieder für Luftabschluss sorgen. So einen , aber nur ca. 10 L fassenden Pott hatten wir auch als Rumpott.
Zur Be - und Entlüftung befand sich an der Außenwand des Kellers ein schmales etwa 15 x70 cm großes Kellerfenster, ohne Glasscheibe, nur mit einem Mäuseschutzgitter versehen.
Ach ja, und in dem Keller befand sich ein `Salteback `ein von meinem Opa aus Beton gegossener Betonbottich in dem Schinken und Speck eingesalzen wurden.
Das Raumklima in so einem Keller ist anscheinend optimal um gerade gepökeltes und lufttrockenes Fleisch, Wurst und auch Lagerobst wie Äpfel lange lagern zu können.
Ähnlich angelegte Keller weiß ich noch 2 St., bei Freuden in BRB.
Wenn wir etwas unternehmen wollten, mussten wir raus, nach draußen. Fernseher hatten wir nicht.
Den ersten schwarzweiß Fernseher bekam ein Nachbar 1958. Damals gab`s die Krimiserie `Stahlnetz ` und die halbe Nachbarschaft, die Erwachsenen, saßen dann Abends beim Nachbarn vor der Glotze. Wir bekamen in dem Jahr auch unser erstes Telefon, ein Diensttelefon des Arbeitgebers meines Vaters.
Wir haben erst 1963 einen Fernseher bekommen, aber Programme gab´s nur zwei und gucken durfte ich nur wenig. War keine Tragödie.
Ich bin durch dieses Thema angestoßen worden, mal wieder in meiner Kindheit zu wühlen, und nicht nur die Schicksalsschläge hoch zu holen, sondern auch die schönen und wunderbaren Seiten. All diese Erfahrungen und Erlebnisse, das was mein Opa und mein Vater mir draußen in der Natur und über die Natur beigebracht haben. Und meine Mutter und meine Oma über Garten, Einwecken, Beeren sammeln und entsaften ......
Meine eigenen Kinder hab ich, so oft es ging und ich sie motivieren konnte, mit raus in die Natur genommen. Wenn wir im Wald gearbeitet haben, wurde anschließend häufig Feuer gemacht und gegrillt.
Zelten war in den Sommermonaten auf unserem großen Grundstück ein muss. Zum 10. Geburtstag wünschte sich meine Tochter `zelten und angeln `mit ihren eingeladenen Freundinnen. Wir sind dann 25 km mit 8 Mädels und 3 Jungs mit Fahrrad und Fahrradkarre zu einem Freund gefahren, Landwirt mit einem riesigen Angelteich an der Wald / Feldgrenze. Hier haben wir das ganze Wochenende gezeltet geangelt, Spiele gespielt, gegrillt.......
In den letzten Tagen hab ich mal überlegt, was ich alles in Rucksack packen würde und hab dann auch in Outdoor und Jagdkatalogen gestöbert und bin im Internet auf `Bushcraft Deutschland `gestoßen.
Ich musste zunächst so schmunzeln, da mich die Berichte und Videos so an meine Kinderabenteuer erinnerten. Aber hier gibt es viele Tipps und Anregungen, gerade zwecks sehr preiswerter und praktischer Ausrüstung.
Was mir aufgefallen ist, wieviel Zeugs sich im Laufe der Zeit im Haus so angesammelt hat, dass man noch nie gebraucht hat und auch nie gebrauchen wird. Ich werde in nächster Zeit meinen Hausstand mächtig reduzieren und dennoch nicht unbedingt spartanisch leben.
Meine Kinder sind auf ihren langen Reisen als Backpacker mit einem Rucksack voll ausgekommen. Sie haben nicht gelebt wie die Waldschrate, haben in Hostels gewohnt, haben Flugzeuge, Autos und Schiffe genutzt, aber sie haben über Jahre ihren Lebensstandart so eingerichtet, auch mit sehr wenig auskommen zu können. Als meine Tochter mich kürzlich besuchte, haben wir uns über dieses Thema unterhalten, Was brauche ich für die nächsten 2 - 3 Wochen, was gebrauche ich, wenn ich möglichst schnell für einige Zeit das Haus verlassen muss und und .......
Meine Tochter meinte dann: Papa, ich hab in 15 min. meinen Rucksack gepackt, kann aus meiner WG weg und brauch nie zurück zu kommen. Einige Dinge würde ich ganz schweren Herzens zurücklassen, aber gebrauchen tu ich sie nicht. Das gleiche sagte mir auch mein Sohn.
Ihre Rucksäcke stehen in ihrem Zimmer und sind seit der Backpackerzeit immer halb voll. Reine Gewohnheit.
Mal sehen wohin mich das noch führt. Ich bin jetzt über 60. Was brauch ich tatsächlich noch? Hier zu Hause möchte ich auf ein wenig Luxus nicht verzichten, nur ein wenig. Aber so für alle Fälle, mal sehen.
Ich finde es spannend über dieses Thema nachzudenken, Listen anzufertigen, was gebrauche ich unbedingt, wenn ich 3 Wochen im Haus bleiben muss, was wenn ich für kurze Zeit hier raus muss, was, wenn für immer, welche Szenarien kommen hier an meinem Standort wohl als möglich , welche eher als unwahrscheinlich in Frage. Listen zu schreiben , zu ergänzen, Dinge wieder zu streichen, immer weiter zu reduzieren, auf das Notwendigste.
Ich bin gespannt wo ich da lande.
Auf das wir alle nie irgendwelche Horrorszenarien erleben müssen.
16.10.2016 17:08 •
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