Zitat von Jo29:@Angstmaschine Danke, das ist total hilfreich. Bei mir war in den ersten 6 Jahren so, dass Tante, Großeltern und Vater voller Angst waren. Meine Mutter kontrollierend. Alle unter einem Dach. Und ein solches Umfeld ist prägend. Zu höheren Anteilen sehe ich auch meine Eltern in mir. Es gibt nur die Entscheidung, es ...
Vielen Dank für deine Rückmeldung. Das freut mich sehr!
Mir war - als meine Angststörung so richtig ausgebrochen ist - auch gar nicht klar, was da eigentlich mit mir passiert und was los ist. Das war 2007, aber die Anlagen dazu haben seit meiner Kindheit in mir geschlummert. Das sehe ich auch an der unterschiedlichen Entwicklung die ich und meine Geschwister durchlaufen haben.
Bruder und Schwester sind ganz solide: Studium, Heirat, Beruf, Kinder, Haus, Karriere
Ich dagegen habe zwar seit 30 Jahren auch eine feste Partnerin, wir sind aber weder verheiratet, noch haben wir Kinder. Ich probiere mich mit 53 immer noch aus, bin seit 20 Jahren mal mehr mal weniger erfolgreich selbstständig, fange immer wieder was neues an, habe Träume und Pläne - aber kein durchgeplantes Leben wie mein Bruder und meine Schwester.
Natürlich hängt das alles nicht
nur mit meiner Kindheit zusammen. Meine Kindheit selbst war sehr schön und glücklich, grade daher war es ein Schock, als die Ängste eigentlich erst in der Mitte meines Lebens so richtig ausgebrochen sind.
Und zwar in dem Moment, wo ich tatsächlich an Heirat, Kinder, Haus ... gedacht habe.
Die Familiengeschichte und dass das alles irgendeinen Einfluss auf mich gehabt haben muss, wurde mir erst im Laufe der Therapie klar. Das ändert natürlich direkt nichts, hat mir aber sehr geholfen mich selbst zu verstehen und so zu akzeptieren wie ich bin. Um daraus eine gewisse Sicherheit und Selbstbewusstsein zu entwickeln.
Und mich von dem scheinbar zwingenden Schicksal bis ans Ende meines Lebens in Angst und Schrecken leben zu müssen zu lösen, und selbstbewusst mit meinen Ängsten umzugehen und was positives daraus zu machen.
Die eigentliche Prägung ist ja schon geschehen - die bekommt man so nicht mehr los, also in dem Sinne, dass man die Vergangenheit nicht ändern kann. Man kann sich aber mit der eigenen Entwicklung - die ja ganz stark auch mit der Familie verknüpft ist - beschäftigen. Warum hat man dies oder das getan, warum hat man sich an dem Punkt so oder so entschieden, wann hat einem die Angst einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Und dann auch die Gründe der anderen Familienmitglieder verstehen. Warum erzählt jemand schreckliche Geschichten? Warum das komische Verhalten und warum werden oder wurden mache Dinge verschwiegen, warum sind manche Themen tabu und warum sind andere wiederum sehr wichtig? Man muss das alles nicht gut finden, aber die Beweggründe der anderen können schon helfen, weil wir oft aus Unverständnis Angst haben bzw. sich unsere Ängste aus Unverständnis entwickeln.
Denn wie soll ich ohne Ängste und Vorurteile meinen Platz in der Welt finden, wenn ich die Beweggründe und Ursachen mit denen mein Umfeld mir diese Ängste - unbeabsichtigt - eingeimpft hat nicht verstehe?
Meine Großmutter und auch meine Mutter haben - wenn es ihnen schlecht ging - oft alleine in einem dunklen Zimmer gesessen, manchmal leise weinend. Ich habe das nie verstanden und es hat mich als Kind zutiefst verstört, und noch heute habe ich leichte Beklemmungen, wenn meine Freundin irgendwo im dunkeln sitzt - einfach weil sie keine Lust hat das Licht anzumachen oder eingedöst ist.
Aber wenn ich mir klar mache, dass die Beweggründe heute bei meiner Freundin und damals bei meiner Großmutter nichts miteinander zu tun haben und ich mittlerweile erwachsen bin und diesen Zustand nicht nur verstehen, sondern auch beenden kann (durch Licht anmachen) und ich nicht davon abhängig bin das auszuhalten, verschwindet die Beklemmung sofort.
Mir hat das Wühlen in der Familiengeschichte die Möglichkeit gegeben, meinen Platz in der Familie zu finden oder besser gesagt zu verorten, wo ich in der Familie stehe und welche Rolle ich spiele. Und auch manchen Groll gegen den einen oder anderen loszuwerden, weil mir klar wird dass Der- oder Diejenige zu seinem - mich eigentlich verstörenden Verhalten - keine Alternative hatte.