ich versuche mich kurz zu fassen. Ich verbringe sehr viel Zeit mit Kopfhörern im Ohr (Musik, Hörspiele). Allerdings gilt das vor allem für meine Zeit in der Wohnung. Ich habe auch öfter Ohropax drin. Ganz ohne Geräusch-Teppich in der Wohnung, erzeugt massiven Stress und Unwohlsein. Ich halte auch wenig davon, mich dem länger ungeschützt auszusetzen. Ich möchte mich dem gern stellen, habe bisher aber keine Strategie, wie ich die Geräusche und die Stille aushalte. Es ist schwer zu erklären, wie sich das anfühlt, zum Einen scanne ich quasi meine Umgebung und wenn es Geräusche gibt (poltern, krachen, etc.), dann reagiere ich darauf, wie auf Trigger. Dass mein Verstand mir sagt, dass diese Geräusche keine Gefahr sind, hilft nicht mehr, da diese Verstands-Intervention zu spät kommt. Die körperliche Reaktion erfolgt oft sofort und bleibt (nicht Stunden, aber zumindest Minuten).
Ich weiß, dass das mit der Dauerbeschallung nicht die Dauer-Lösung sein kann, ich finde es aber auch nicht angebracht, mich mit etwas zu konfrontieren, was mir (wissentlich) schadet. Wenn es Geschrei ist, triggert das gefährlich und treibt die nervliche Belastung in gefährliche Höhen. Das geht so schnell (und wird als Bedrohungs-Situation eingestuft), dass ich gar nicht überprüfen kann, ob das nicht ein Lacher, oder nur eine laute Unterhaltung war. Es wird sofort ein Horror-Szenario entworfen, oder es fühlt sich so an, als würde es gleich eskalieren. Der Verstand dämpft das dann oft wieder und sorgt dann irgendwann wieder für Ausgleich. Wer den Schrecken kennt, den man ab und an bei guten Horrorfilmen empfindet (bis ins Mark) und man sich dann vorstellt, dass dieser länger bleibt und bei jedem Geräusch wieder reaktiviert werden kann, der hat eine ungefähre Vorstellung davon, wie sich das anfühlt. Das ist zumindest das Beispiel anhand dessen ich Menschen versucht(e) meine Ängste zu erklären (denen solche Ängste fremd sind).
Ich dusche mit Ohropax, ich koche mit Ohropax oder Kopfhörern drin, oder eben dem TV an, oder Radio an, oder Musikuntermalung. Oft reicht es aber nicht, den Fernseher, das Radio oder was auch immer zu benutzen, um die Stille zu vertreiben. Ich überlege mir genau, wann ich Serien und Filme am TV gucke, ob ich ungeschützt zum Kühlschrank gehe, oder aufs Klo. Wenn ich mich dabei beobachte, was ich da tue, dann sorgt das bei mir schnell für Kopfschütteln. Aber: ich habe keine andere Strategie. Das Dilemma: Ich mache es durch das Nicht-Konfrontieren sehr wahrscheinlich noch schlimmer.
Es kommt auch vor, dass mich Bässe oder irgendwas in der Musik erschreckt. Ich kann mir zudem nicht erklären, warum ich es als bedrohlich empfinde, wenn ich Kopfhörer trage und es rumpelt was von oben oder von sonstwo. Oft sind also die Kopfhörer auch kein Schutz, dann kann dann so eine leichte Panik auslösen (keine Panikattacke), weil irgendwie gefühlt gar nichts schützt. Die Thera meint auch, dass Kopfhörer eher kontraproduktiv sind. Ich lasse mich aber auch nicht verprügeln, wenn ich es verhindern kann. Diese psychische Dauerbelastung hat auch psychosomatische Auswirkungen, wie Verspannungen und Schmerzen (habe eh schon Gelenkprobleme). Schlafen geht nur noch mit Beschallung (da geht auch nur Musik über Kopfhörer).
Wichtige Erkenntnis: Ich habe draußen weniger Angst als in der Wohnung, es ist oft sogar eine Befreiung. Selbst, wenn ich in der Straßenbahn sitze oder durch die Innenstadt laufe, ist es besser (oft sogar viel besser). Draußen lege ich auch öfter die Kopfhörer ab, wenn allerdings das Umfeld laut und stressbringend zu werden droht, setze ich sie wieder auf. Kannte ich früher auch so nicht, dass ich mir vom Umfeld (in der Wohnung, draußen) diktieren lasse, wie ich fühle und wie sicher ich mich vor allem fühle. In der freien Natur, gehen die Ängste dann auf Urlaub, es sei denn, man quält mich damit, dass es später ja wieder SO sein wird. Das kann ich aber oft ziemlich gut regulieren, es hängt aber auch von meiner Laune ab und wie zum Bsp. die Nacht war.
Im Moment ist um mich rum noch Krach, wegen Renovierungs-Arbeiten und da haben dann die Katastrophengedanken wieder Auslauf und nerven mich (was zahm ausgedrückt ist) mit Szenarien, wie es werden könnte. Es ist ziemlich hellhörig hier, da ist auch egal, ob ich meine Wohnung vollstelle (was nach oben eh nichts bringt). Im Moment habe ich Termine bei Psychiater und Therapeutin und auch die sind oft mit ihrem Latein am Ende. Ich habe bisher niemanden getroffen, der so lebt.
Die Betonung liebt aber auf bisher. Im Moment wohne ich allein, ich habe vorher in einer Chaos-WG gewohnt, wo auch massiv Ängste auftraten, aber irgendwie anders. Vor 2 Jahren war es auch umgekehrt: Da bin ich sehr ungern raus und drinnen war es auch nicht optimal, aber halt anders stressig. Ich kann nicht sagen, dass das besser war, es war halt anders. Ich hatte dann halt auch wen, mit dem ich mich austauschen konnte (Konflikte gab es natürlich auch).
Noch ein Rat der Thera war mehr Informationen einzuholen, wenn ich Geräusche höre. Ich verstehe, was es bringen soll, diese verhaltenstherapeutischen Varianten, taugen bei mir allerdings oft wenig, u.a. auch, weil sich die Situation immer wieder neu anfühlt. Ich bin einige Tage dauerhaft angespannt, lasse mich aber nicht in diese Emotion fallen und halte sie einfach nur aus, sondern versuche meine Laune zu verbessern. Ich finde es halt anstrengend, dass fast jeden Tag tun zu müssen, aber ein Rückfall in eine depressive Phase (die Depris haben viel Zeit in meinem Leben verdunkelt), versuche ich mit allen Mitteln zu verhindern. Ich lege mich auch nicht hin, wenn ich tagsüber erschöpft bin, es kann aber passieren, dass ich im Sessel einschlafe.
Ja, es schlaucht, so zu leben.
Vor 10 Jahren waren meine Ängste noch anders aufgestellt, da ging es vor allem um Scham und sowas, da habe ich aber die Nachbarn überhaupt nicht wahrgenommen. Selbst Krach in der Wohnung (verursacht durch Mitbewohner) hat nicht solche Reaktionen ausgelöst. Vor 10 Jahren war ich auch noch fast jedes Wochenende feiern. Seit 2008/2009 modifizierten sich die Ängste. Ich glaube, dass es unter anderem daran liegt, dass ich was Traumatisches von einem sehr intensiven Klinikaufenthalt mit nach Hause genommen habe. Das ist aber nur eine Erklärung. Wenn ich darauf noch im Detail eingehe, zieht sich das hier noch seitenweise.
Ich mache erst mal Schluss, es ist ja schon wieder etwas länger geworden.
Gruß
S.
13.12.2017 20:35 • • 30.06.2018 #1