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Hallo in die Runde,

ich mache mir seit einiger Zeit, aufgrund der aktuellen Krisen (Corona, Krieg etc) und auch aufgrund meiner Erfahrungen sehr viele Gedanken darum, ob es vielen von uns Psychos vielleicht einfach zu gut geht in Deutschland.

Aufgefallen ist es mir vermehrt in der Corona-Krise letztes Jahr, als ich von sehr vielen Bekannten mitbekommen hatte, dass diese psychisch eingeknickt sind. Fast alle hatten aber gute Jobs, standen finanziell teils extrem gut da und hatten auch Familien, waren also dem Anschein nach auf dem Papier sehr glücklich und eigentlich Musterfamilien.
Dies war dann auch der Punkt, der mir half, mich zu outen und meinem Freundeskreis zu gestehen, dass ich schon seit etlichen Jahren psychische Probleme habe.

Wenn ich so auf mich und meine Familie schaue (habe zwei Kids und bin glücklich verheiratet) und meinen Job betrachte (meine Frau und ich sind beide Beamte), dann kann ich das oben Beschriebene teils 1:1 auf mich übertragen. Auf dem Papier würde jeder sagen, dass wir die ideale Familie sind.
Das mag jetzt blöd rüberkommen (verzeiht es mir!), aber am meisten kotzt mich an, dass ich/wir finanziell mittlerweile extrem gut dastehen, aber auf der anderen Seite mir das null, absolut null bringt in meiner Erkrankung. Mir war noch nie so klar wie aktuell, dass Geld einen Dreck (sorry für die Ausdrucksweise) wert ist und man sich damit keine Heilung/Linderung, Freude oder Glück kaufen kann.
Meinen Job als Beamter bin ich gerade dabei, abzuschütteln (ja, ihr habt richtig gehört - ich bin mittlerweile echt soweit, dass ich meinen Beamtenstatus aufgeben würde), weil es mich noch mehr krank macht.
Ich weiß, dass man das nicht pauschal auf alle umwälzen kann, aber mir fällt eben aus meiner Erfahrung auf, dass die mit psychischen Problemen sehr oft die sind, die gute Jobs haben und finanziell nicht schlecht dastehen. Habt ihr da andere Erfahrungen?
Dass die Schere zwischen arm und reich bei uns in Deutschland mittlerweile so extrem auseinander geht, wie noch nie, ist auch ein riesen Problem finde ich.

Wenn ich die Bilder im TV sehe aktuell (Krieg etc), dann wird mir noch mehr klar, wie unfassbar gut es uns bzw. vielen hier in Deutschland geht. Auch die Corona-Krise war/ist ein schwieriges Thema für mich. Ich konnte es nicht ertragen, dass unsere Regierung die Wirtschaft so weit oben ansiedelt in Sachen Wichtigkeit, während andere Bereiche (Schulen, Krankenhäuser etc) hinten angestellt wurden. Ich will hier keine politische Debatte anstacheln, aber Sätze wie Wohlstand muss erhalten bleiben kotzen mich nur noch an. Auch Formulierungen wie Existenzen werden zerstört von irgendwelchen Promi-Köchen oder großen Hotels finde ich nur noch unverschämt, wenn man jetzt mal sieht, was die Ukrainer mitmachen (DAS sind wirklich Existenzen, die zerstört werden).

22.03.2022 15:18 • 17.04.2022 x 12 #1


192 Antworten ↓


Hallo,
ein interessantes Thema.
Mach dich auf sehr kontroverse Beitraege gefasst.

A


Führt zu viel Wohlstand zu psychischen Erkrankungen?

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Ja was du schreibst kann ich sehr gut nachvollziehen...ich denke du hast die Sache auf den Punkt gebracht.... uns geht es eigentlich viel zu gut.

So etwas nennt man Wohlstandsgesellschaft. Und ich kann sagen, auch mir ist es oft ein Rätsel wie manch einer auf hohem Niveau jammern kann, wo man doch sieht, dass es anderen (anderen Ländern) noch viel schlechter ergeht.

Zitat von Siebert:
dass die mit psychischen Problemen sehr oft die sind, die gute Jobs haben und finanziell nicht schlecht dastehen. Habt ihr da andere Erfahrungen?

Nein. Sehe ich nicht so und habe ich auch so nicht erfahren.

Wie es hinter verschlossenen Türen daher geht, weiß man nie. Meine Therapeutin hat mal aus dem Nähkästchen geplaudert und meinte, in fast jeder Familie läuft was schief. Bei den einen mehr, bei den anderen weniger.

Ich persönlich finde für mich wichtig, dass ich zufrieden bin, mit dem, was ich mache.

Wenn Du Deinen Job wechseln willst, nur zu. Du wirst schon wissen, was gut für Dich ist und wie Du es anstellst.

Bringt nichts, von Wochenende zu Wochenende zu leben.

Ich finde die Aussage tatsächlich sehr schwierig.
Ich kenne solche und solche. Die, die alles in ihrem Leben erreicht haben und psychisch krank sind und bspw. mich, die schon seit ihrer Kindheit krank ist und daher schon immer eingeschränkt war und nie das Leben leben konnte, was sie wollte, dementsprechend auch nicht finanziell abgesichert oder mit eigener Familie. Da kommt es einfach sehr auf den Menschen drauf an. Ich schätze es sehr, in Deutschland zu wohnen mit all den Möglichkeiten. Trotzdem bin auch ich nicht mit allen Gesetzen zufrieden und das ist auch mein Recht als mündiger Mensch.
Alles in allem geht es einem natürlich besser, als einem Kind, was irgendwo ohne Essen und Trinkwasser aufwächst. Allerdings kann man leider mit so einer Einstellung ganz schnell die Erkrankung bagatellisieren und es kommt zu so Aussagen wie: Du hast doch ein Wohlstandsproblem...wärest du da und da aufgewachsen, hättest du das alles nicht. Nein, ich LEIDE. Anders, aber ich leide trotzdem.
Vergleichbar ist es nur nicht.

@Siebert

Du hast das gut formuliert...ich denke ähnlich...

Zitat von life74:
Ja was du schreibst kann ich sehr gut nachvollziehen...ich denke du hast die Sache auf den Punkt gebracht.... uns geht es eigentlich viel zu gut.

So etwas nennt man Wohlstandsgesellschaft. Und ich kann sagen, auch mir ist es oft ein Rätsel wie manch einer auf hohem Niveau jammern kann, wo man doch sieht, dass es anderen (anderen Ländern) noch viel schlechter ergeht.


ich hoffe wirklich, dass noch mehr Menschen, so wie du bereit sind umzudenken...

Zitat von portugal:
Nein. Sehe ich nicht so und habe ich auch so nicht erfahren.

Danke für deinen Beitrag.
Sicherlich hat da wohl jeder individuelle Erfahrungen.
Das ist klar.

Ich werde halt das Gefühl nicht los, dass:
Je mehr Wohlstand ein Land hat, desto eher neigen Menschen zu psychischen Erkrankungen.
Ich hatte sogar mal eine Studie dazu gelesen.
Muss mal schauen, ob ich sie noch finde.

Ein interessanter Satz ist der folgende. Leid ist nicht vergleichbar. Auch wenn ich weiß, dass es den meisten Menschen momentan objektiv schlechter geht als mir, nutzt es mir nichts, wenn ich jeden Nachmittag in Depressionen versinke und es mir bescheiden geht.

Zitat von Siebert:
Ich hatte sogar mal eine Studie dazu gelesen.
Muss mal schauen, ob ich sie noch finde.

Den Artikel, den ich meinte, finde ich nicht mehr.
Jedenfalls wurde dort wissenschaftlich erklärt, dass wohlhabende Industrienationen häufiger psychische Erkrankungen haben.

Dieser, andere Artikel geht aber in die ähnliche Richtung und trifft vieles auch recht gut:
https://www.theintelligence.de/index.ph...krank.html

Mir ist völlig klar, dass es auch viele gibt, die seit ihrer Kindheit oder aufgrund der Prägung Ihrer Familie oder unglücklichen/schlimmen Umständen erkrankt sind. Das ist ganz klar.
Mir geht es eher um Leute, die aus einem normalen/fast idealen Leben in diese Krankheit gefallen sind.

Zitat von Islandfan:
Auch wenn ich weiß, dass es den meisten Menschen momentan objektiv schlechter geht als mir, nutzt es mir nichts, wenn ich jeden Nachmittag in Depressionen versinke und es mir bescheiden geht.

Ich verstehe dich, aber mir z.B. hilft es schon zumindest etwas, wenn ich sehe, dass immer mehr entsprechende Probleme haben. Das zeigt mir nämlich, dass es nicht nur zu 100% an mir liegt, sondern die Gesellschaft/Politik/Entwicklung auch dazu beiträgt.

Zitat von Islandfan:
Ein interessanter Satz ist der folgende. Leid ist nicht vergleichbar. Auch wenn ich weiß, dass es den meisten Menschen momentan objektiv schlechter geht als mir, nutzt es mir nichts, wenn ich jeden Nachmittag in Depressionen versinke und es mir bescheiden geht.


das mag sein....jeder ist halt anders belastbar. Im Gegensatz zu dir hilft es mir eben doch mal über den Tellerrand zu schauen, um zu erkennen, dass es auch schlimmer kommen könnte....

Dass du unter Depressionen leidest war mir gar nicht klar. Den Eindruck hattest du zumindest bisher nie vermittelt....

Zitat von Siebert:
wenn ich sehe, dass immer mehr entsprechende Probleme haben. Das zeigt mir nämlich, dass es nicht nur zu 100% an mir liegt, sondern die Gesellschaft/Politik/Entwicklung auch dazu beiträgt.


davon kannst du ausgehen... mittlerweile ist es ganz offensichtlich ein kollektives Problem, dass die Menscheit immer mehr psych erkrankt... gerade in den westlichen Ländern... und da darf man sich gerne fragen, woran das wohl liegt....

Zitat von life74:
davon kannst du ausgehen... mittlerweile ist es ganz offensichtlich ein kollektives Problem, dass die Menscheit immer mehr psych erkrankt... gerade ...

Traurig ist es halt, diese Entwicklung.
Ich hoffe, dass meine Kinder diese Welt aushalten werden und zumindest nicht von dieser Gier- und Leistungsgesellschaft verführt werden.

Zitat von life74:
das mag sein....jeder ist halt anders belastbar. Im Gegensatz zu dir hilft es mir eben doch mal über den Tellerrand zu schauen, um zu erkennen, dass es auch schlimmer kommen könnte....


Was soll das denn heißen, das ist ja eine Verurteilung. Natürlich schaue ich auch über den Tellerrand. Ich sitze nicht auf einer rosafarbenen Wolke, sondern bin mir dem Leid der Welt durchaus bewusst.

Zitat von life74:

Dass du unter Depressionen leidest war mir gar nicht klar. Den Eindruck hattest du zumindest bisher nie vermittelt...

Welchen Eindruck vermittelt man denn als Depressiver? Ich habe agitierte Depressionen, die sich ein bisschen anders zeigen als normale und eine Angststörung.

Ich denke nicht, dass es eine positive Korrelation zwischen Wohlstand und psychischen Erkrankungen gibt, aber eine zwischen ungesundem Lifestyle und psychischen Erkrankungen. Stress, Hektik, Mediensucht, Effizienzwut, Schönheitswahn, u.v.m. lässt die allermeisten sich immer weiter von sich selbst entfernen und das ist m.E.n. des Pudels Kern. Man ist nicht mehr mit sich verbunden, hat sich verloren, führt ein Leben, das man nicht will.

Das waren meine Gründe für meine Krise. Jetzt geht es mir wieder gut und dabei sind wir zwischenzeitlich noch etwas wohlhabender geworden als zur Zeit meiner Krise

Hallo @Siebert
Zitat von Siebert:
Ich werde halt das Gefühl nicht los, dass:
Je mehr Wohlstand ein Land hat, desto eher neigen Menschen zu psychischen Erkrankungen.

Es gibt ja diesen Spruch: Geld allein macht auch nicht glücklich.
Ich denke, dass wohlhabende Leute der Gesellschaft eventuell anders gegenübertreten. Sicher nicht alle, aber vielleicht die Mehrheit? Der Status wohlhabend baut vielleicht
einen gewissen Druck auf, sich so zu geben. Einige wachsen mit einer Scheinwelt auf, etwas sein zu müssen, sich so zu verhalten, dass es für die Gesellschaft ansehnlich ist oder/und nach der Erziehung: Haste was biste was... Ich selbst erlebe es oft. Da wird über teure Autos gesprochen, über den Familienstand, Haus und Hof, Urlaube in der Karibik, Australien usw. Ich höre da sehr selten raus, dass die Gefühle dieser Menschen größeren Stellenwert hätten. Dieser Druck kann schon depressiv machen. Da hat man doch eigentlich alles, ist aber dennoch unzufrieden. Eine gewisse Einsamkeit baut sich auf, weil kein Zugang zu der Gefühlslage besteht (war ja nie wichtig).
Ich bin ebenfalls ausgestiegen aus diesem Dilemma und möchte nicht dazugehören. Ich möchte lieber echte Freunde, echten Spaß ohne Benimmregeln, ich will kein Status haben, ich will wertvoll sein und so anerkannt werden. Ich will echte Liebe spüren ohne Oberflächlichkeit, tiefgründige Gespräche (nicht über mein Auto, mein Haus, mein Beruf,...). Gut genug sein, ohne etwas leisten zu müssen.
Da passt das Lied: Ich wünsch dir noch ein gei les Leben...
Was denkst du, könnte das so sein?
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Zitat von Siebert:
Je mehr Wohlstand ein Land hat, desto eher neigen Menschen zu psychischen Erkrankungen.
Ich hatte sogar mal eine Studie dazu gelesen.
Muss mal schauen, ob ich sie noch finde.

Ich habe es doch noch gefunden!
Sehr empfehlenswert zu lesen!
https://www.zeit.de/wissen/2012-05/geld...logie-kast

Zitat von Gaulin:
Hallo @Siebert Es gibt ja diesen Spruch: Geld allein macht auch nicht glücklich. Ich denke, dass wohlhabende Leute der Gesellschaft ...

Perfekt formuliert!

Puh, zu dem T kann ich nur sagen dass ist ja wohl jammern auf sehr hohem Niveau. Ist für mich fast gar nicht zu gl.

A


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Mira Weyer
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