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Hallo allerseits!

Ich weiß nicht mehr weiter. Deshalb habe ich mich hier neu angemeldet und hoffe auf ein paar Meinungen, Erfahrungsberichte, Ratschläge, was auch immer. Hoffe ich bin im richtigen Forumsteil! Und ich hoffe auch, der Beitrag wird nicht zu lang.

Kurz zu mir: Fast 22, seit Grundschulalter eine Angststörung. Noch nie richtig in Therapie, weshalb ich quasi nur Atemübungen aus dem Internet kenne und ansonsten nur die Strategien qualvoll aushalten flüchten. Was meine Auslöser alles sind, weiß ich nicht. Alles was einem Emetophoben Angst macht, weit (= länger als eine Stunde Fahrt) von Zuhause weg sein, lange Strecken Öffis fahren, keine Fluchtmöglichkeit haben bereiten mir besonders oft Angst. Aber auch nur in einem Wartezimmer oder in meinem eigenen Zimmer habe ich schon oft genug Panik gehabt. Manchmal schaffe ich diese Situationen ganz ohne Angst zu überwältigen, manchmal stehe ich sie durch obwohl ich Todesangst habe, und oft genug vermeide ich einfach, mich so etwas auszusetzen. Das ist sehr einschränkend. Ich lebe eigentlich gar nicht richtig.

Warum mich mein Weg heute hierher führt: Gestern war mein Ausbildungsstart. Peinlich es zu sagen, aber das ist seit meinem Abi 20 meine erste richtige Tätigkeit. Corona und Orientierungslosigkeit haben dazu beigetragen, dass es so kam, aber vorallem auch meine Angst. Ein paar Bewerbungen für FSJs und Teilzeitstellen zum Überbrücken habe ich zwar hinbekommen, aber entweder ich wurde abgelehnt oder ich habe nach dem Probearbeiten gemerkt, dass ich doch zu viel Angst hatte. Und nun ja. die Ausbildungsstelle habe ich im November bereits bekommen und seit dem war mir klar, dass der Weg zum Betrieb 1 Stunde pro Fahrt sein wird. Die Berufsschule ist 2 Stunden entfernt. Das wird schon irgendwie! habe ich mir ständig gesagt, weil ich diesen Job wirklich gerne machen will. Die Realität: Gestern musste ich mich mehrmals fast übergeben, höchstwahrscheinlich wegen meiner Angst (und das war für meine Verhältnisse körperlich eine krasse Reaktion, normalerweise ist mir nur übel), und heute Morgen habe ich den größten Azubifehler gemacht und mich am zweiten Tag schon krankgemeldet, weil ich so Panik hatte, heute so lange fahren zu müssen. Mir graut es auch schon vor Montag. Ich bin so frustriert und sauer auf mich selbst, wieso kann ich so etwas Einfaches nicht schaffen, wenn Millionen von Menschen jeden Tag ohne Probleme zur Arbeit pendeln?

Nachdem ich mich heute wirklich so krank verzweifelt wie noch nie gefühlt habe, habe ich aber wenigstens eines beschlossen: Das Fass ist lange übergelaufen, ich MUSS endlich in Therapie. Ich bin mental am Ende. Ich kann das alles nicht mehr und halte es nicht mehr so aus. Doch mit dieser Entscheidung habe ich jetzt auch ernsthaft angefangen nachzudenken, es mit der Ausbildung sein zu lassen. Ich will noch nächste Woche irgendwie durchziehen, um nicht so voreilig Schluss zu machen, aber mein Gefühl sagt mir relativ klar: Ich habe mich mit dem Arbeitsweg maßlos überschätzt und solange meine Angststörung so ausgeprägt ist, schaffe ich das nicht jeden Tag. ich bin dem nicht gewachsen

Nach diesem langen Text wende ich mich jetzt an jeden, der das hier alles gelesen hat mit direkt mehreren Fragen - ich würde einfach gerne wissen, ob ich alleine mit so etwas bin oder ob jemand vielleicht Rat hat.

1. Wart ihr schonmal in so einer Situation wie ich? Dass ihr euch überschätzt habt und aufgrund eurer Angstzustände dann doch nicht machen konntet was ihr wolltet? Was habt ihr dann gemacht?
2. Anschließend dazu, hat eure Angststörung euer Berufsleben schonmal beeinflusst? Musstet ihr eine Stelle deswegen aufgeben oder habt Lücken? Habt ihr euch wieder davon erholt und seit jetzt normal arbeiten? Ich weiß, wie schei. mein Lebenslauf aussieht und wie viel schlimmer er wird falls ich wirklich abbreche. Gibt es noch Hoffnung danach, wenn ich mich jetzt ernsthaft auf Genesung fokusiere und währenddessen in der Gegend im Supermarkt oder so jobbe? Und dann nochmal eine Ausbildung versuche?
3. Habt ihr Therapieerfahrungen? Hilft sie wirklich? Und was hilft euch da oder wie, also welche Behandlungen, Medikamente? Auch wenn ich Hilfe suchen will, meine Mutter ist der Meinung, dass Therapeuten einem nicht helfen können und ich meine Zeit verschwenden würde, das gibt mir so Zweifel. Ich glaube, es wäre gut für mich jemanden zu haben, der mir Beruhigungsmethoden und so zeigt. oder nicht?
4. Wie bekommt man überhaupt einen Therapieplatz? Habe schon recherchiert, aber das ist alles ganz schön kompliziert. Hatte vor, nachdem mein Hausarzt aus dem Urlaub ist, mit ihm zu sprechen. Vielleicht kennt er Therapeuten in der Nähe oder kann mich überweisen. Was gibt es da so für Wege?

So. nach dem langen Text reicht es jetzt. Ich bin wirklich komplett verzweifelt und habe das Gefühl, egal was ich jetzt tue, mein Leben wird ruiniert sein. Meine Angst erdrückt mich mehr als je zuvor und ich halte es echt nicht mehr aus, also falls mir jemand Ratschlag geben mag, so würde ich mich sehr darüber freuen.

Viele Grüße einen wunderschönen Abend

02.09.2022 20:26 • 05.09.2022 x 2 #1


14 Antworten ↓


Beruflich habe ich mich schon mehr als 1x überschätzt. In meiner Familie galt immer, man ist nur was wert mit Arbeit. Habe auch schon seit meiner Kindheit Angst und habe meine erste Therapie mit 21 gemacht.
Insgesamt habe ich schon 4 Jobs aufgegeben wegen meiner Angst. Seit 2020 bin ich auch zuhause, weil ich einfach gemerkt habe , es geht so nicht mehr weiter. Habe lange versucht, mich mit Medikamenten, Naturheilkunde und Therapie im Berufsleben zu halten. Aber jeden Tag wurden auch die körperlichen Symptome mehr. Ich habe mich damit abgefunden, erstmal auf einen therapeutischen Erfolg zu warten, bevor ich mich wieder irgendwo bewerbe und wie du auch bemerke, das funktioniert nicht. Mittlerweile weiß ich auch, dass es keine Schande mehr ist. Lieber einmal richtig reparieren und dann durchstarten, als alle 3 Monate was neues zu machen.
Aber das ist nur meine Einstellung, die ich mir lange erarbeitet habe.

A


Beruf mit Angst und Therapie Erfahrungen

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Zitat von Fatuu:
Mittlerweile weiß ich auch, dass es keine Schande mehr ist. Lieber einmal richtig reparieren und dann durchstarten, als alle 3 Monate was neues zu machen.
Aber das ist nur meine Einstellung, die ich mir lange erarbeitet habe.


Zitat von hanriver:
Was gibt es da so für Wege?

Das Thema ist so komplex, jede Biografie und Konstellation ist verschieden. Es würde etliche Stunden benötigen dir Jahre der Therapie zu vermitteln.

Was ich dir sagen kann ist, das bei deinen ausgeprägten Symptomatiken eine Therapie wirklich anzuraten ist.
Jeder Landkreis hat zwei Anlaufstellen. Einen SpDi (sozialpsychiatrischen Dienst) und eine PIA (psychiatrische Institutionsambulanz). Hier kannst Du dich beraten lassen.

Durch meine langjährige Erfahrung im Umgang mit psychologischen Handicaps habe ich eine ganz andere Sicht über die Dinge, als jemand er noch keinerlei Therapieerfahrung hat.
Mit angepasster Therapie, der Einsicht über die eigenen Befindlichkeiten, Wille zur Veränderung und Motivation das so lange durchzuziehen, das eine grundlegende Stabilität und Resilienz (psychische Widerstandskraft) erlernt wurde, kann man sehr sehr vieles Überwinden.

Du kennst das halt alles noch nicht und somit kann es dir vllt. schwer fallen Licht am Ende desTunnels zu sehen.
Versuche mir da zu vertrauen - da ist Licht am Ende.

Ich kann dir leider nicht viel an Tipps und Rat geben - - - aber mir fällt auf, wie mutig und klar du von dir schreibst. Nichts ist ruiniert, du bist gerade mal ein paar Jahre erwachsen, du hast die ganze Zukunft noch vor dir, auch wenn du es aus deiner Perspektive anders siehst. Mindestens dein Hausarzt sollte dir Hinweise und Hilfe geben können, ob und welche Therapie für dich hilfreich sein kann. Suche dir jemand, der dich unterstützt, und bewahre dir, auch wenn es schwer fällt, etwas Geduld. Hetze dich niemals.
Sieh es mal so: Wenn jemand verletzt oder krank ist, erwartest du von ihm/ihr ja auch keine Höchstleistungen, oder dass er/sie dieses Jahr noch ein Ausbildung hinbekommt oder eine Magisterarbeit schreibt! Habe Geduld mit dir. Gönne dir Hilfe und Therapie. - - - Ach so, ganz wichtig. Auch die vermeintlich selbstsichersten Menschen kennen Ängste bei der Arbeit und auch beim Weg zur Arbeit. Ist nur eine Frage der Intensität. Mal stärker, mal weniger stark. Ich bin auch schon mal aus Angst ausgefallen, das kennen die meisten. Doch es kann auch förderlich sein, durch das eine oder andere Tal zu gehen. Täler sind dazu da, dass wir die danach kommenden Höhen umso mehr wertschätzen.

Wow, direkt so tolle Antworten auf meine Fragen, das freut mich sehr. Vielen lieben Dank euch allen! So zu hören, dass es anderen ähnlich ging oder geht macht schon einiges aus. Gerade eben hatte ich noch ein tiefgreifenderes Gespräch mit meiner Mutter - auch wenn sie was Therapien angeht mir da einen Floh ins Ohr gesetzt hat, ich habe da Glück, dass sie sehr akzeptierend ist, da sie selbst Erfahrung mit Panikattacken hat. Jetzt mit ihrem Zuspruch außenstehenden Meinungen fällt es mir etwas besser, zu meiner langsam sichereren Entscheidung zum Abbrechen zu stehen, wenn es um die Ausbildung geht...innerlich sage ich mir noch, dass ich es doch irgendwie durchziehen will, aber realistisch weiß ich, jetzt in meinem Zustand ist nicht der richtige Zeitpunkt. Das hat mir den ganzen Tag so ein schlechtes Gewissen und Schuldgefühle gegeben, weil man sich irgendwie denkt, dass das wieder ein Fluchtversuch ist und ein zeichen von Schwäche, aber ich glaube, ich kann es jetzt langsam als akzeptable Lösung für mein Wohlbefinden sehen.

Hallo hanriver,

willkommen hier im Forum! Es tut mir sehr leid, dass es Dir gerade so schlecht geht!

Was nun Deine Fragen und Deine Situation angeht:

Zunächst vorweg, bevor ich genauer auf einzelne Punkte eingehe, würde ich Dir raten, einmal in Ruhe zu sortieren, welche Entscheidungen und Schritte ....
1.) ...jetzt kurzfristig in Deiner ganz aktuellen Situation wichtig sind und welche ganz konkreten Schritte dafür jetzt notwendig sind und
2.) ...dann in Ruhe zu überlegen, was langfristig für Dich wichtig und richtig ist.

Dadurch bekommst Du vielleicht ein bisschen Struktur in Deine Gedanken.

Zu 1.):
Zum ersten Punkt würde ich sagen, dass erstmal wichtig ist, wie Du jetzt ganz konkret Montag mit Deinem Arbeitgeber/ Deiner Ausbildungsstätte umgehst. Dazu würde ich sagen: Gleich Montag zum Hausarzt gehen, die Situation besprechen, ggf. Krankmeldung holen. Deinem Arbeitgeber musst Du erstmal keine Details mitteilen, der muss nur wissen, dass Du krankgeschrieben bist und der braucht die Krankmeldung. Das verschafft Dir erstmal Zeit. In Deiner Situation könnte ich mir durchaus vorstellen, dass der Hausarzt Dich gleich für eine, zwei oder mehrere Wochen krankschreibt. In der Zeit kannst Du Dir überlegen, wie es da weitergehen soll.

Des Weiteren würde ich mit dem Hausarzt die Therapiefrage besprechen. Der Hausarzt kann Dir eine Überweisung mit Dringlichkeitsvermerk geben. Auch hier gilt: Es kann sein, dass es erstmal nur kurzfristige Lösungen geben wird: Über die Terminservicestelle der Krankenkassen wird Dir ein Platz für ein paar Gespräche mit einem Therapeuten vermittelt, der Dir erstmal hilft, Dich zu stabilisieren und Dir zu helfen. Trotzdem ist hierbei wichtig zu wissen: Es geht hier um eine kurzfristige Stabilisierung, das sind oftmals keine richtigen Therapieplätze, es geht erstmal nur um eine Krisenhilfe, die oftmals nur über wenige Stunden geht. Aber wenn man Glück hat, bekommt man diese Termine bei einem Therapeuten, der auch einen richtigen Therapieplatz anbieten kann oder der einen zumindest auf die Warteliste nimmt, es kann aber auch sein, dass der ganz klar sagt, dass er keinen richtigen Platz für Dich hat. Aber Du bist zumindest kurzfristig erstmal versorgt, und das ist ja das, worum es mir in diesem Punkt erstmal geht: Das, was jetzt aktuell ansteht und vielleicht helfen könnte.

Zu 2.)

Die meisten Deiner Fragen bezogen sich ja auf eine langfristige Perspektive.

Dazu Folgendes:
Ganz grundsätzlich würde ich Dir auf jeden Fall raten, eine Therapie anzustreben, ich persönlich bin der Meinung, dass Therapie sehr viel helfen kann. Wie genau, ist schwer in wenigen Worten zusammenzufassen, wie @cube_melon schon schrieb: das Thema ist sehr komplex.

Einen richtigen ambulanten Therapieplatz bekommt man selten von jetzt auf gleich, da braucht man Geduld und Durchhaltevermögen. Man sollte dafür möglichst viele Therapeuten abtelefonieren und sich auf Wartelisten setzen lassen. Nicht abschrecken lassen von langen Wartezeiten! Denn zum einen vergeht die Zeit manchmal schneller als man denkt und zum anderen fallen auch Therapeuten manchmal Patienten früher weg als gedacht und dann kann es auch mal schneller gehen.
Wenn möglich, probatorische Sitzungen vereinbaren, das sind Sitzungen zum Kennenlernen, in denen Therapeut und Klient ausloten, ob sie miteinander arbeiten können und ob der Therapeut eine Therapie bei der Krankenkasse beantragt.

Damit Du Dir ein Bild davon machen kannst, aus welcher Perspektive ich Dir schreibe/ was meine Meinung beeinflusst:
Ich habe inzwischen bereits jahrelange Therapieerfahrung, ambulant und in Kliniken, und ich habe auch verschiedene Lebensphasen mit und ohne Therapie erlebt. Stand voll im Berufsleben, mir und ohne Therapie, und kenne auch längere Auszeiten ohne zu arbeiten. Ich war auch im Personalmanagement, habe also auch schon über Einstellungen von Menschen entschieden. Ich habe lange junge Erwachsene auf ihrem Weg in die Berufswelt unterstützt (als ich noch gearbeitet habe), die letzten Jahre habe ich viel Zeit mit jungen Erwachsenen verbracht, nur völlig anders als früher: Ich habe mit ihnen zusammen in Gruppentherapien gesessen und mit ihnen zusammen Zeit in psychosomatischen Kliniken verbracht (auf der Station, auf der ich meine letzten Aufenthalte verbracht habe, waren viele junge Erwachsene, was an dem diagnostischen Schwerpunkt der Station lag).
Das sind die Erfahrungen, die meine Einstellungen maßgeblich geprägt haben.

Also aus dieser Perspektive zu Deinen weiteren Fragen:

Gesundheit ist wichtig. Auch schon in Deinem Alter. Bei vielen Erkrankungen ist es so, dass eine frühe Behandlung verhindert, dass die Erkrankung ggf. sehr viel schlimmer wird. In frühen Stadien sind auch psychische Erkrankungen oftmals sehr gut zu behandeln.
Ich persönlich habe grundsätzlich positive Erfahrungen mit Therapien gemacht, ambulant und stationär. Natürlich gab es auch mal schwere Phasen oder auch mal Therapeuten, mit denen es nicht so lief, aber insgesamt habe ich bereits deutliche Fortschritte machen können.
Ich kann cubes Worten nur voll und ganz zustimmen:
Zitat von cube_melon:
Mit angepasster Therapie, der Einsicht über die eigenen Befindlichkeiten, Wille zur Veränderung und Motivation das so lange durchzuziehen, das eine grundlegende Stabilität und Resilienz (psychische Widerstandskraft) erlernt wurde, kann man sehr sehr vieles Überwinden.

Das ist auch meine Erfahrung.

Und was Deine Ausbildung angeht: Da stehen Dir noch alle Möglichkeiten offen. Du musst nicht diese Ausbildung durchziehen.
Du bist noch sehr jung, Du hast noch Zeit. Womit ich jetzt nicht sagen möchte, dass Du die jetzige Ausbildung abbrechen sollst, das solltest Du mit Deinem Arzt besprechen (manchmal ist das der einzig mögliche Weg, manchmal ist es möglich, nach einer Erholungspause die Ausbildung weiterzuführen und auch begleitend eine Therapie zu machen).

Ich habe auch junge Erwachsne kennengelernt, die ihre Ausbildung unterbrechen konnten und erstmal einen Klinikaufenthalt gemacht haben, es gibt viele Möglichkeiten.

Ich persönlich habe zu lange gewartet, eine Therapie zu beginnen. Wäre ich schon in Deinem Alter in Therapie gegangen, hätte mir das bestimmt so einiges erspart.

Als ich meine erste Therapie angefangen habe, war ich bereits schon mehrere Jahren voll berufstätig (in einem zusätzlich auch noch sehr anstrengenden und fordernden Beruf), ich habe die Therapie parallel zum Job gemacht (also abends nach Feierabend). das ging tatsächlich eine ganze zeitlang gut, wobei ich auch sagen muss, dass ich in der Therapie zu der Zeit nicht sehr in die Tiefe meiner Probleme gegangen bin, es war mehr eine Hilfe zur Alltagsbewältigung, aber für ein paar Jahre hat es funktioniert.

Aufgrund einiger persönlicher Schicksalsschläge bin ich dann irgendwann komplett ausgefallen, meine Psyche ist total eingebrochen, zusätzlich wurde ich schwer köperlich krank und konnte nicht mehr arbeiten. Ab dem Zeitpunkt habe ich dann meine Therapien abwechselnd in Kliniken und ambulant gemacht.
Und seitdem arbeite ich auch verstärkt an den Ursachen meiner Probleme.

Aktuell ist es noch immer so, dass ich weiterhin arbeitsunfähig bin und es nach Meinung meiner Ärzte und Behandler wahrscheinlich wohl auch nicht mehr werden werde.
Ich gehöre also zu den Menschen, die niemals sagen würden, dass man arbeiten muss. Es ist ok, wenn man es aus gesundheitlichen Gründen nicht kann. Völlig ok. Gesundheit geht vor.
Dadurch, dass ich jetzt aber auch viele Gruppentherapien mit jungen Erwachsenen hatte, weiß ich auch, dass Ausbildung und Arbeit gerade in diesem Alter auch eine sehr positive Ressource sein können. Wenn man es möchte, nicht, wenn man dazu gezwungen ist. Wenn man Freude daran finden kann. Wenn man ein Ziel hat, auf das man hinarbeiten kann. Wenn sie einem das Gefühl gibt, etwas zu erreichen, einem auch Erfolgserlebnisse beschert.
Eine Ausbildung/ein Arbeitsplatz können sich unter den richtigen Umständen also auch positiv auf die psychische Gesundheit auswirken.
Darum denke ich, dass Du gemeinsam mit Deinem Arzt besprechen solltest, welcher Schritt aktuell für Dich der richtige sein könnte.

Und ich wiederhole auch nochmal: Gesundheit geht immer vor! Und für mich klingt es so, als ob Du zumindest eine kleine Atempause brauchst, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Was ich auch wichtig zu berücksichtigen finde: Wir reden ja bei Dir von einer Angsterkrankung, und Angst ist in der Therapie ein schwieriges Stück Arbeit. Denn leider ist es so, dass Angst ein Symptom ist, dass sich sehr raumgreifend verhält und das sich gerne ausbreitet/verschlimmert, wenn man sich ihm nicht entgegenstellt. Die Angst wird sich jeden Raum nehmen, den Du ihr zugestehst. Sie kann hinterhältig sein und sie wird versuchen, Dir noch weitere Räume Deines Lebens zu nehmen. Da sollte man auch immer ein Auge drauf haben. Du schreibst ja bereits, dass Du jetzt schon gar nicht mehr richtig lebst. Der Angst nachzugeben wird langfristig aber bedeuten, noch weniger zu leben, denn Angst breitet sich aus und nimmt Dir langfristig immer mehr Lebensbereiche weg, wenn Du Dich ihr nicht entgegenstellst.
Das muss jetzt nicht heißen, deswegen die Ausbildung fortzusetzen, das meine ich damit nicht, ich meine nur, dass Du der Angst nicht zu sehr das Feld überlassen solltest. Damit meine ich: sich in einem akzeptablen Rahmen der Angst entgegenstellen und sich bei Entscheidungen immer fragen: Möchte ich das jetzt wirklich oder ist das meine Angst, die mir etwas einreden möchte?

Zusammenfassend möchte ich sagen:
Gesundheit geht immer vor und sollte immer Priorität haben. Therapie hilft sehr vielen Menschen, wieder Lebensqualität zu erlangen. Du solltest mit Deinem Arzt über eine Krankschreibung sprechen und mit ihm klären, wie er Dich dabei unterstützen kann, therapeutische Hilfe zu bekommen. Ob die Ausbildung aktuell (nach einer kurzen Atempause und mit begleitender therapeutische Hilfe) für Dich zu einer positive Ressource werden kann oder eine zu große Belastung ist und welche anderen Möglichkeiten es vielleicht gibt (Unterbrechung statt Abbruch o.ä.) solltest Du ebenfalls mit ihm besprechen.
Überfordere Dich nicht weiter, schütze Deine Gesundheit, sie ist kostbar, achte aber auch darauf, dass die Angst Dich nicht überlistet und Dir nicht zu viel vom Leben raubt, stell' Dich ihr entgegen, damit sie sich nicht immer weiter ausbreiten kann.

Alles Gute!

LG Silver

P.S.:
Zitat von hanriver:
Ich bin wirklich komplett verzweifelt und habe das Gefühl, egal was ich jetzt tue, mein Leben wird ruiniert sein. Meine Angst erdrückt mich mehr als je zuvor und ich halte es echt nicht mehr aus,

Dein Leben wird nicht ruiniert sein!
Du hast ein Problembewusstsein, und das ist schonmal die halbe Miete. Du ignorierst die Zeichen Deiner Psyche nicht, und das ist gut! Und Du bist bereit, an Deinen Problemen zu arbeiten, auch das ist gut! Du hast erkannt, dass Du Hilfe brauchst, und damit hast Du meiner Meinung nach genau das Gegenteil von dem getan, was Du befürchtest: Du hast eine drohende Katastrophe abgewendet und Dein Leben nicht ruiniert, sondern ihm eine eher positive Richtung gegeben.

Wenn die Verzweiflung zu groß wird, denk' bitte auch darüber nach, vielleicht in eine Klinik zu gehen und Dir dort Hilfe zu holen.
Das Warten auf einen ambulanten Therapieplatz kann manchmal dauern, und falls es zu schlimm wird, kann eine Klinik da eine hilfreiche Möglichkeit sein. Und ich kann Dir aus Erfahrung berichten: Ich war schon mit vielen jungen Erwachsenen in Deinem Alter und in einer Situation, die Deiner sehr ähnelt, zusammen auf Station. Vielleicht würde Dir die Gemeinschaft mit Menschen in ähnlichen Problemlagen zusätzlich helfen, auch der Austausch in Gruppentherapien kann für genau solche Problemlagen sehr hilfreich sein.


Zitat von hanriver:
nachdem mein Hausarzt aus dem Urlaub ist

Verstehe ich das richtig, dass Dein Hausarzt aktuell im Urlaub ist? Sorry, das hatte ich eben überlesen, in diesem Fall würde ich mich eventuell Montag mit seiner Urlaubsvertretung in Verbindung setzen. Nicht, um Deine Lage detailliert zu besprechen, sondern um eine Krankschreibung zu bekommen.

LG Silver

Zitat von silverleaf:
Du hast ein Problembewusstsein, und das ist schonmal die halbe Miete. Du ignorierst die Zeichen Deiner Psyche nicht, und das ist gut! Und Du bist bereit, an Deinen Problemen zu arbeiten, auch das ist gut! Du hast erkannt, dass Du Hilfe brauchst, und damit hast Du meiner Meinung nach genau das Gegenteil von dem getan, was Du befürchtest: Du hast eine drohende Katastrophe abgewendet und Dein Leben nicht ruiniert, sondern ihm eine eher positive Richtung gegeben.


Wäre eine Tagesklinik machbar für dich?

Die geht in der Regel 6 Wochen und insbesondere kannst du dort mit Therapeuten und dem Sozialdienst deinen weiteren Weg besprechen bzgl. Ausbildung.

Danke Silver für diese ausführliche Antwort, wie lieb von dir! Du hast mir da sehr viele gute Informationen und Erfahrungen mitgeteilt.

Ehrlicherweise habe ich meiner Ausbilderin gestern schon geschrieben, dass ich Montag wieder kommen werde, weil sie mich gefragt hat wie lang ich krank sein werde. Da war ich in Gedanken nur bei der jetzigen Situation des einen Tages, und habe noch nicht darüber nachgedacht wie es weiter gehen soll bzw. mir ernsthaft Gedanken um einen Abbruch gemacht. Ich glaube, jetzt zu ihr zu sagen dass ich doch nicht komme, wäre mir auch sehr unangenehm...

Deinen Ansatz mit der Krankmeldung finde ich gut (und ja, du hast richtig verstanden - bis zum 9.09. ist mein Hausarzt weg), aber hm, wie soll ich sagen? Nach meinem langen Gespräch mit meiner Mutter gestern und auch der fast durchgehenden Nervosität/Angst gestern, bin ich sehr ins Zweifeln gekommen, ob das genug wäre, also eine Krankmeldung auf längere Zeit. Vielleicht habe ich da ein zu schwaches Mindset, ich weiß es nicht genau, und natürlich habe ich auch momentan in meinem Loch kaum eine klare Sicht auf was alles möglich wäre. Aber mein Gefühl sagt mir immer mehr, dass ich sogar abbrechen will. Auch wenn die Stelle toll ist und es quasi mein Traumjob ist, und es ja mutig wäre trotz allem weiter zu machen, ganz ehrlich gesagt, ich habe diesen Mut Willenskraft nicht in mir. Wenn ich weiß, ich muss da jeden Tag hinpendeln, dann noch Berufsschule, da komme ich gar nicht dazu die netten Kollegen und das Gelernte wertzuschätzen weil ich Angst vor dem nächsten Tag habe, falls das Sinn macht.

Meine Kurzzeitlösung, wie ich sie gestern mit meiner Mutter aufgeführt habe - das ist natürlich noch nicht in Stein gemeißelt, sondern nur Überlegungen - wäre, dass ich nach einem Abbruch hier direkt in der Nähe Teilzeit anfange, und währenddessen mich um einen Therapieplatz kümmere. Ein Klinikaufhalt wäre auch denkbar, wenn mir das empfohlen wird, deine Punkte vonwegen Gesellschaft, Gruppentherapien finde ich da überzeugend. Wenn es dann besser wird, kann ich mich hocharbeiten was Beruf angeht, also Vollzeit oder eben etwas weiter weg. Vor dem Abbruch würde ich zumindest nächste Woche noch ein-, zweimal hin. Alleine schon, weil ich noch Arbeitskleidung zu Hause habe, die ich wieder hinbringen sollte. Falls es wirklich dazu kommt, weiß ich aber noch gar nicht, wie ich das denen da beichten könnte, wenn es schon am 3. oder 4. Tag so ist. Habe das Gefühl, dem Arbeitgeber von seiner Angststörung zu erzählen ist nicht die Beste Idee und würde auch eventuell wenig Verständnis bekommen, aber gleichzeitig möchte ich die dort nicht anlügen und gerade dafür stehen, dass ich durch so etwas eingeschränkt bin und deshalb nicht weitermachen kann oder will.

Zitat von Grace_99:
Wäre eine Tagesklinik machbar für dich? Die geht in der Regel 6 Wochen und insbesondere kannst du dort mit Therapeuten und dem Sozialdienst deinen weiteren Weg besprechen bzgl. Ausbildung.


Das ist eine gute Frage. Habe ja gerade Silver schon geantwortet, dass eine Klinik denkbar wäre, also ja, ich denke schon? Wenn es mir hilft, würde ich es versuchen. Allerdings kenne ich mich da so wenig aus - ich weiß gar nicht, wie das geht, muss man da eine Überweisung bekommen, oder geht das freiwillig, wird das von den Krankenkassen übernommen, etc. etc.

Zitat von hanriver:
Das ist eine gute Frage. Habe ja gerade Silver schon geantwortet, dass eine Klinik denkbar wäre, also ja, ich denke schon? Wenn es mir hilft, würde ...

Kontaktier dazu am besten deine Krankenkasse.

Hallo hanriver,

Zitat von hanriver:
ich weiß gar nicht, wie das geht, muss man da eine Überweisung bekommen, oder geht das freiwillig, wird das von den Krankenkassen übernommen


Tagesklinik und Vollzeit-Klinik funktionieren da gleich:

Du bekommst von Deinem Arzt eine Einweisung/Überweisung in eine psychosomatische Klinik. Die wird entweder für einen teilstationären Aufenthalt (psychosomatische Tagesklinik) oder einen vollstationären Aufenthalt (psychosomatische Akut-Klinik) ausgestellt.
Diese Einweisung schickst Du dann an die Krankenkasse und beantragst die Kostenübernahme.
Die Krankenkasse hat dann 2 Wochen Zeit, über den Antrag zu entscheiden. Manchmal genehmigen die gleich im ersten Anlauf, manchmal schicken die nochmal weitere Fragebögen, die der Arzt ausfüllen muss.
Da geht es zumeist darum, zu überprüfen, ob ein (teil)stationärer Aufenthalt notwendig ist, welche ambulanten Maßnahmen schon ergriffen wurden usw., aber da wird Dein Arzt argumentieren können. Manchmal geht das noch ein bisschen hin und her zwischen Arzt und Krankenkasse, aber da muss man einfach nur durchhalten und oftmals gibt es bei der ersten Einweisung auch keine allzu großen Probleme.

Im Idealfall hat Dein Arzt schon eine Vorstellung, welche Klinik er für Dich passend findet und schreibt die Einweisung gleich direkt für eine spezifische Klinik und begründet seine Entscheidung.

Dann meldest Du Dich in der Klinik an. Die Anmeldung kannst Du auch schon parallel zum Antrag bei der Krankenkasse machen.
Und viele Kliniken helfen ihren Patienten auch bei dem Kostenübernahmeverfahren und der Anmeldung.
Es kann also nicht schaden, schonmal im Vorfeld mit einer Klinik Kontakt aufzunehmen, die sind meistens sehr nett und beraten Dich gut. Auf den Homepages findest Du auch schon viele Informationen über die jeweilige Klinik, Telefonnummern und oftmals auch schon die Anmeldeunterlagen.

Und wenn Du dann die Zusage der Krankenkasse hast, kommst Du auf die Warteliste und dann hängt es von der Klinik ab, wie lange die Wartezeit ist. Diese ist von Klinik zu Klinik so dermaßen unterschiedlich, da kann man keine Prognosen abgeben, von einer Woche bis hin zu mehreren Monaten ist alles möglich und hängt einfach sehr von der individuellen Klinik ab.

LG Silver

Guten Abend hanriver,

eine Therapie zu machen ist auf keinen Fall Zeitverschwendung. Lass dich dahingehend nicht negativ beeinflussen. Die Erfahrung muss jeder für sich selber machen. Solche Behauptungen kommen meist von Menschen, die mit solchen Problemen nicht umgehen müssen...

Ja, die Angststörung und das Berufsleben. Das ist / war bei mir auch nicht so einfach. Dahingehend kann ich dich zumindest beruhigen. Du bist damit nicht allein.

Vielleicht kann ich dich motivieren. Meine Angststörung begann mit ca. 20 Jahren mitten in meiner Ausbildung zum Industrieelektroniker. Auch ich hatte das Problem, dass ich nicht wusste, wie ich das alles schaffen soll...
Aber: Mit Hilfe meiner Familie und einer Verhaltenstherapie hatte ich erste Fortschritte gemacht. Die Ausbildung habe ich daraufhin abgeschlossen.

Nach der Ausbildung musste ich viel mit dem Dienstwagen rund um mein Arbeitsort fahren, was für mich eine absolute Belastung war. Aber durch diese Konfrontation hat das ganze mit der Zeit etwas an Intensität verloren. Leider hat es bei dem Job nicht gereicht, was eventuell daran lag, dass ich nicht voll leistungsfähig war. Aber rückblickend bin ich froh, dass es so gekommen war, weil sich daraus was viel besseres ergeben hat. Dort hatte man für mein Befinden kein Verständnis.

Autofahren, Einkaufen, ins Kino gehen, im Café sitzen...Alles Dinge, die damals unmöglich erschienen. Auch der Freundeskreis hat stark darunter gelitten.

Das hat mich dann zur zweiten Verhaltenstherapie gebracht. Parallel dazu war ich bei einem neuen Arbeitgeber. Meinem damaligen Chef war aufgefallen, dass etwas nicht mit mir stimmt. Er hat mich dann in einem Vier-Augen-Gespräch zu sich genommen und da brach dann alles aus mir raus. Er hat gemerkt, dass ich da wirklich mit etwas zu kämpfen habe und hat mich aufgefangen. Er persönlich war von Depressionen betroffen und konnte sich daher in meine Lage versetzen. Damals hatte er mir Medikamente empfohlen und das habe ich dann auch ausprobiert.

Und ab dann ging es wirklich bergauf.

Ich habe eine Weiterbildung zum Industriemeister in Elektrotechnik abgeschlossen, einen Motorradführerschein gemacht, mit meiner Partnerin zusammengezogen, geheiratet wird nächstes Jahr und das Autofahren klappt auch schon wieder ganz gut.

Heute mache ich eine weitere Weiterbildung zum technischen Betriebswirt.

Klar, ich habe auch Tage, wo nicht immer alles so leicht von der Hand geht, aber die hat ganz ehrlich jeder.

Ich wünsche dir auf jeden fall alles erdenklich gute. Das wird schon wieder!

A


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Mira Weyer
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