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Zitat von Hypochonder-Man:
Deine Zeilen zum Sekundären Krankheitsgewinn sind top und eigentlich sooo wichtig.

'Krankheit als Weg' ist ja ein ganzes Buch dazu, wenn auch esoterisch angehaucht.
Die Verhaltenstherapei hat das umbekannt, da heißt das Baby 'Zielkonflikt'.
Ansonsten alles ebenso.

Es stimmt, dass es eine gewisse Ähnlichkeit zwischen sekundärem Krankheitsgewinn und Zielkonflikt gibt, da beide Konzepte mit inneren Widersprüchen und der Frage zu tun haben, wie eine Person durch ihre Krankheit unbewusste Vorteile ziehen kann. Aber sie unterscheiden sich in ihrer zugrunde liegenden Dynamik und ihrem Fokus.

Der sekundäre Krankheitsgewinn konzentriert sich stärker auf die Vorteile, die eine Person durch das Kranksein erhält. Es geht darum, dass die Krankheit eine Art Belohnung für bestimmte Verhaltensweisen oder Rollen mit sich bringt, etwa Aufmerksamkeit oder das Entkommen aus stressigen Verpflichtungen. Der Fokus liegt hier auf der Gewinnseite der Krankheit.
Das meiste läuft hier völlig unterbewusst ab...der Patient merkt es also oft gar nicht richtig.

Der Zielkonflikt beschreibt die inneren Widersprüche zwischen verschiedenen Zielen oder Bedürfnissen, die eine Person gleichzeitig verfolgt. Das ist zB., wenn der Patient gleichzeitig gesunde und krankheitsbedingte Ziele verfolgt, die sich widersprechen. Z.B. möchte jemand einerseits gesund werden, andererseits aber nicht die Vorteile aufgeben, die mit der Krankheit verbunden sind (z.B. weniger Verantwortung).

Der Unterschied ist also, dass der sekundäre Krankheitsgewinn primär den (unterbewussten) Nutzen der Krankheit für den Patient beschreibt, während der Zielkonflikt die unterschiedlichen, oft widersprüchlichen Ziele und Wünsche beschreibt, die ein Patient in Bezug auf seine Krankheit hat. Beide Konzepte können sich gegenseitig verstärken, aber der Zielkonflikt umfasst mehr die inneren Spannungen zwischen den Zielen, während der sekundäre Krankheitsgewinn eher auf den äußeren Nutzen der Erkrankung fokussiert.

Oft dauert es sehr lange (Jahre), bis die Elemente des sekundären Krankheitsgewinns herausgefunden werden bei Patienten. Das ist auch kein Wunder, denn der Patient spricht diese selbst oft nicht an. Erst der Therapeut bringt sie (hoffentlich) ans Licht. Einigen Patienten gefällt dies dann nicht, denn es ist eine Art Offenlegung, dass sie wie gesagt zum Teil selbst verantwortlich sind für ihre Lage. Nicht selten wird der Therapeut dann aggressiv angegangen, als zu hart oder vorwurfsvoll betrachtet und man sucht sich einen anderen, der einem dann möglichst nur gut zuredet und Mitleid hat / nichts sagt, was man nicht hören will.

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Angst vor Ukraine und Russland Krieg

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Zitat von Hypochonder-Man:
Der Zielkonflikt beschreibt die inneren Widersprüche zwischen verschiedenen Zielen oder Bedürfnissen, die eine Person gleichzeitig verfolgt. Das ist zB., wenn der Patient gleichzeitig gesunde und krankheitsbedingte Ziele verfolgt, die sich widersprechen. Z.B. möchte jemand einerseits gesund werden, andererseits aber nicht die Vorteile aufgeben, die mit der Krankheit verbunden sind (z.B. weniger Verantwortung).

Das ist ja der sekundäre Krankheitsgewinn.
Man will einerseits gesund werden, andererseits auch nicht, weil sonst Gratifikationen wegfallen, die man ohne Krankheit nciht (mehr) erhält.
Bei 'Krankheit als Weg' schießt man schon relativ genau.
Voin Dahlke gibt es ja dann auch noch diverse Nachfolger, aber dass das Prinzip noch immer nicht integriert ist, wie bspw. auch eine bewusste Einbindung des Placeboeffektes und so manches mehr, zeigt, wie sehr man auch da auf der Stelle tritt. Alles bekannt.

Zitat von Hypochonder-Man:
Der Unterschied ist also, dass der sekundäre Krankheitsgewinn primär den (unterbewussten) Nutzen der Krankheit für den Patient beschreibt, während der Zielkonflikt die unterschiedlichen, oft widersprüchlichen Ziele und Wünsche beschreibt, die ein Patient in Bezug auf seine Krankheit hat. Beide Konzepte können sich gegenseitig verstärken, aber der Zielkonflikt umfasst mehr die inneren Spannungen zwischen den Zielen, während der sekundäre Krankheitsgewinn eher auf den äußeren Nutzen der Erkrankung fokussiert.

Es sind eher marginale Unterschiede, aber es ist gut, wenn sie bekannter würden.
Wie so vieles andere, was (auch der psychologischen Ebene) nciht konsequent umgesetzt wird.
Finde es erfreulich, dass Du Dich da gut auskennst.

Zitat von Cbrastreifen:
Es sind eher marginale Unterschiede

Stimmt schon. Ist alles ziemlich ähnlicher Brei

Gibt ja insgesamt vier Krankheitsgewinn-Stufen.
Der primäre Krankheitsgewinn wäre dann dem Zielkonflikt fast noch näher.

Wie du aber richtig sagst:
Für uns hier oder allgemein die Patienten ist es eben wichtig, dass man solche Themen unbedingt aufarbeitet und in Therapien tief durchdringt.
Umso schockierter bin ich eben manchmal, wenn ich dann vom Patienten oder Leidensgenossen höre, dass sie seit Jahren in Behandlung sind und diesen Begriff Krankheitsgewinn noch nie gehört haben oder nach Erklärung nicht genau verstehen, was damit gemeint ist.

Zitat von Hypochonder-Man:
Umso schockierter bin ich eben manchmal, wenn ich dann vom Patienten oder Leidensgenossen höre, dass sie seit Jahren in Behandlung sind und diesen Begriff Krankheitsgewinn noch nie gehört haben.

In einer Therapie würde der ja auch nicht explizit erwähnt, aber dennoch klopft man jemanden (hoffentlich) darauf ab. Ziel ist ja stets, sich selbst auf die Schliche zu kommen, was schwer genug ist.
Macht, Kontrolle, Rechthaberei, das ist ja alles nicht schön, wenn man in den Spiegel schaut, man kann es auch nicht einfach so abstellen und fühlt sich zunächst noch mieser.

Man hat nicht nur die Symptome, sondern ist jetzt auch noch ein schlechter Mensch, zumindest steht das thematisch vor einem, was man ja in die Körperlichkeit verdrängt oder verschoben hat.
Ich habe auf während meiner knackigen Herzangst gemerkt, ich nun die Aufmerksamkeit bekam, die ich früher wohl gewollt hätte, aber dann auch den Triumpf gespürt, Recht über alle Experten zu behalten, wenn ich dann tot bin.
Es gibt einen genialen Grabstein mit der Aufschrift: 'I told you I was sick'.
Ich konnte es zwar nicht abstellen, hatte aber immerhin eine Ahnung vom Thema.
Naja, das sind ja dicke Bretter, die gebohrt werden müssen.

Ja, diese Erfahrungen sind bei meinen Ängsten als langjähriger und treuer Begleiter auch schon begegnet, eng verbunden damit, wenn das eine grade wieder etwas weniger ängstigt, dann kommt die andere Angst aus der Ecke und frohlockt. Bei der Angst vorm Atomkrieg war Herzrasen auf jeden Fall mal kein Problem. Auch ohne Therapeut habe ich mir die Frage schon gestellt, was wäre, wenn die Angst plötzlich weg wäre. Dann hätte ich keine Ausrede für unliebsame Aufgaben oder Verpflichtungen außer der Wahrheit....mehr oder weniger akzeptierte Ängste im Umfeld sind da sicherlich schon manchmal ein Stück weit hilfreich. Nicht immer so, denn sicherlich ging es mir oder geht es auch tatsächlich schlecht oder zu schlecht, um irgendetwas zu machen, aber die Möglichkeit des sich Versteckens hinter der Angst ist wohl nicht zu leugnen.

Zitat von Cbrastreifen:
aber dann auch den Triumpf gespürt, Recht über alle Experten zu behalten, wenn ich dann tot bin.
Es gibt einen genialen Grabstein mit der Aufschrift: 'I told you I was sick'

Ja, so ist das manchmal.
Ich hatte auch so Phasen.

In Extremfällen ist das dann eine Geschichte, die manche eben bis in den Suizid treibt. Sie haben dann ein so extremes Gefühl, nicht genug ernst genommen zu werden und wollen dann sozusagen beweisen, dass sie Recht haben...deshalb dann der Suizid (ergo dann deine Grabinschrift) .

Zitat von schrader96:
Dann hätte ich keine Ausrede für unliebsame Aufgaben oder Verpflichtungen außer der Wahrheit.


Die Erkenntnis war auch bei mir grausam und schwer zu verdauen (ich kämpfe immer noch damit).

Das vielleicht Schlechteste, was ein Patient mit psychischen Erkrankungen tun kann, ist ausnahmslos und pauschalisiert immer zu denken, dass er zu 100% keinerlei Schuld und Einfluss auf seine Erkrankung hat und einzig und allein die Außenwelt, die Eltern, die Gesellschaft, die Arbeit, usw. Schuld sind.
Selbst, wenn das nämlich zu 99,9% so sein sollte (und oftmals auch der Fall ist), verhindert diese extreme Einstellung leider fast jede Chance auf Heilung.

Zitat von Hypochonder-Man:
Ja, so ist das manchmal. Ich hatte auch so Phasen. In Extremfällen ist das dann eine Geschichte, die manche eben bis in den Suizid treibt. Sie haben dann ein so extremes Gefühl, nicht genug ernst genommen zu werden und wollen dann sozusagen beweisen, dass sie Recht haben...deshalb dann der Suizid (ergo ...

Das war mir dann zu doof, zum Glück.
Antosoziale Persönlichkeiten ziehen die Nummer durch.

Es generell „verwerflich“ zu sehen, wenn man sich eines „Vorteils“ durch seine Erkrankung bewusst ist, sollte nicht so sein. Gesunden wirft man ja eher auch nicht vor, wenn es ihnen gut geht, so wie es ihnen gerade geht. Die Frage, die man sich aber stellen kann ist, gehts anderen dadurch schlecht und ob es sich nicht auch mal wirklich total umkehren könnte. Denn nichts ist unabänderlich von Bestand. Kontinuierlich an der eigenen Genesung zu arbeiten, kann sicher nicht verkehrt sein, im eigenen Interesse. Da darf und sollte man meiner Meinung nach aber auch zumindest ehrlich zu sich selbst sein, bezüglich eines mindestens gefühlten, aber auch eines realen sekundären Krankeitgewinns. Ob man den kommunizieren will, ist ja was anderes, denn das ist ja dann eine Ehrlichkeit anderen gegenüber, die man an den Tag legen will, oder eben nicht. Weil aber jede Lebenssituation individuell zu betrachten ist, lässt sich eigentlich keine allgemeine Beurteilung oder Bewertung treffen, weil Gefühle und auch subjektive Werte oder Moral, die jeder für sich als Maßstab nimmt, eben so unterschiedlich sind.

Zitat von Hypochonder-Man:
Das vielleicht Schlechteste, was ein Patient mit psychischen Erkrankungen tun kann, ist ausnahmslos und pauschalisiert immer zu denken, dass er zu 100% keinerlei Schuld und Einfluss auf seine Erkrankung hat und einzig und allein die Außenwelt, die Eltern, die Gesellschaft, die Arbeit, usw. Schuld sind.

Ja, und wenn man wirklich in der Tiefe verstanden hat, warum, dann wird einem das nie wieder passieren.
Aber ist schon ne harte Nuss, weil man die Psychologie hahinter recht gut verstehen muss.
Mich hat damals beeindruckt, dass Dethlefsen (Esoteriker, Mythendeuter, Psychotherapeut, Wissenschaftskritiker) und Kernberg (Psychoanalytiker, der aber zugleich als Psychiater und vielleicht größter Experte für schwere Persönlichkeitsstörungen und Mann der Wissenschaft ist), hier von völlig verschiedenen Hintergründen starten und bei der gleiche Konklusion landen, dass es fatal ist, sich nur als Opfer zu sein.

Zitat von Disturbed:
Es generell „verwerflich“ zu sehen, wenn man sich eines „Vorteils“ durch seine Erkrankung bewusst ist, sollte nicht so sein.

Solange einem das bewusst ist, ist das kein Problem.
Es wird zu einem, wenn man sich dessen nicht bewusst ist.

Im Threadthema gibt es auch interessante Bewegungen:
https://www.n-tv.de/mediathek/videos/po...94593.html

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Mira Weyer
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