Ich stelle immer wieder fest, dass ich in meinem Leben eigentlich alles gemacht habe, was ich wollte. Ich habe nie auf einen Zeitpunkt in der Zukunft hingearbeitet. Als ich mit 18 in den Höhlen in Matala leben wollte, habe ich das ebenso gemacht, wie mir den Wunsch zu erfüllen, mit 23 ein Kind zu kriegen.
Ich bin viel gereist, habe zwei Mal studiert, war selbstständig und angestellt beschäftigt, habe in wilden Kommunen gelebt und geliebt und lebe seit nun 25 Jahren in einer wundervollen monogamen Ehe. Ich habe Häuser besetzt, wurde in Wackersdorf mit Wasserwerfern von der Straße gespült und war in Mittelamerika wegen Ignorierens der Ausgangssperre 5 Tage im Gefängnis.
Ich bin durch alle möglichen Höhen und Tiefen gegangen, auf die Schnauze gefallen und wieder aufgestanden und hatte immer auch in entscheidenden Momenten einfach Glück im Leben.
Und ja: Ich habe noch ganz viel Lust auf ganz viel Leben. Ich würde gern meine Enkelkinder aufwachsen sehen und vielleicht auch meine Urenkel kennenlernen, aber allein das Wissen, sie zu haben und in meinem leiblichen Enkelkind ein bisschen weiterzuleben, beglückt mich, auch wenn mein Leben früher enden sollte, als ich es gerne hätte.
Überhaupt: Das Weiterleben. Die Vorstellung, dass meine Bücher noch gelesen, meine Theaterstücke noch gespielt werden, wenn es mich nicht mehr gibt, empfinde ich angesichts der Endlichkeit meines eigenen Lebens als tröstlich und befreiend. Die Frage danach, was bleibt, findet hier für mich eine Antwort, die über die Erinnerung meiner Familienmitglieder hinaus geht.
Auch mich ängstigst die Vorstellung von Leid und Siechtum und der Gedanke daran, anderen eine Last zu werden. Irgendwie vertraue ich aber darauf, dass sich alles schon irgendwie richten wird. Ob ich mein Leben beenden würde, wenn das Leid sehr groß wäre, weiß ich nicht. Aktuell würde ich für den Fall der Fälle ein paar gut funktionierende Substanzen bevorzugen wollen - aber man weiß nie, was passiert.
Ich weiß auf jeden Fall, was ich nicht tun würde, obwohl mir das Bild immer gefallen hat: In einem Boot allein aufs Meer hinausfahren. Definitiv zu viel Wasser und zu viele Haie . Dann schon eher auf einen Berg steigen oder in die Wüste wandern. Obwohl: Verdursten ist auch doof, irgendwie. Bleibt vielleicht doch der Berg und die Kälte - vorausgesetzt, ich komme ihn noch hoch.
Wird aber sicher in Wirklichkeit sowieso alles ganz anders. So war es immer in meinem Leben. Nie so, wie gedacht, aber unterm Strich immer gut. Darauf hoffe ich auch für die Zeit, die noch bleibt.
03.03.2021 19:15 •
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