Ich habe es früher nicht als Angst erkannt. Ich wurde halt sehr schnell nervös, sauer, gereizt oder gar aggressiv.
Innerhalb meiner Ausbildung äusserte sich das über starkes Schwitzen.
Dann als ich meine erste Arbeitsstelle antrat, war es das Schwitzen, jahrelang! mit Herzklopfen das Büro betreten.
Im Büro lief es 7 Jahre mit Höhen und Tiefen, immer wieder diese Angst zu versagen, etwas falsch zu sagen oder gekündigt zu werden. Ich war nicht in der Lage, mich den Kollegen gegenüber locker und offen zu zeigen. Firmenfeiern waren ein Graus, weil ich in Anwesendheit der Kollegen kaum einen Bissen runter bekommen habe, selbst nach Jahren der Betriebszugehörigkeit. Irgendwann kamen Magen-/Darm Beschwerden dazu. Ständig Verkrampfungen im Bauch. Es wurde so schlimm, dass ich davon depressiv wurde. Irgendwann konnte ich nicht mehr und wollte einfach nur noch dieses Gefühl los werden, alles los lassen. Ich habe um Kündigung gebeten. Danach lag ich 3 Monate fast nur im Bett oder bin im Schlafanzug durch die Wohnung geschlurft. Nichts machte mehr Sinn, ich sah keine Zukunftsperspektive. Das war das erste mal, dass ich ganz bewusst eine Depression bei mir begriffen habe.
Dann verbrachte ich 3 Jahre damit, kleine Gelegenheitsjobs hier und da zu machen. Das brachte etwas Geld und ich wechselte sehr oft die Jobs, weil sich relativ schnell wieder Druck aufbaute. Irgendwie gefiel mir kein Job dauerhaft und ich war sehr schnell von kleinsten Anstrengungen fertig, müde, ausgelaugt, nervös, zittrig.
Irgendwann dachte ich mir, dass ich wieder Stabilität brauche. Ich erkannte, dass meine kaufmännische Qualifikation durch die Tingeljahre verloren gegangen ist und so kriegte ich keinen Job mehr im Büro. Ich absolvierte eine Weiterbildung im sozialen Sektor. Es gelang mir ein klein wenig, Lockerheit zu erlernen. Die Bauchbeschwerden wurden weniger, ich konnte ein klein wenig entspannter alles betrachten. Ich bekam relativ schnell einen Job, der mir gefiel. Ich war hoch motiviert und glücklich. Trotzdem wieder von Anfang an heftiges Herzklopfen beim Betreten der Arbeitsstelle, Angst, was falsch zu machen. Schnell fand sich eine Arbeitskollegin, die mir das Leben zur Hölle machte. Sie mobbte mich, wo sie nur konnte. Sie gab mir das Gefühl, dass ich alles falsch mache. Ich konnte ihr kaum was recht machen. 1,5 Jahre versuchte ich mir ihr zu kommunizieren, mal auf die direkte harte Art, dann wieder mit Engelszungen. Es half nichts. Ich verlor die Lust an der Arbeit. Alles erschien mir wieder sinnlos, ich hatte kaum noch Kraft, morgens aus dem Bett zu steigen. Nach der Arbeit (Teilzeit sogar!!) sah ich jedesmal aus, als hätte ich 24 h ohne Pause durchgearbeitet. Augenringe, fahle Haut, an Gewicht verloren.
Diesen Sommer hatte ich genug. Ich ließ mich krank schreiben. Das zog sich dann über Wochen. Ich fand auch eine gute Neurologin, die mit Verständnis auf mich zukam und mich unterstützte. Ich war insgesamt 3 Monate krank geschrieben wegen Depressionen. Ich entspannte mich wieder, genoss das Leben, blühte auf.
Dann dachte ich, es geht wieder bergauf, ich muss mich einfach neu orientieren. Ich suchte mir einen neuen Job in der Pflege. Ich bekam ein Angebot für einen Probearbeitstag. Zunächst freute ich mich darüber. An dem Tag der Probearbeit fuhr ich schon wieder mit Herzrasen, Tränen in den Augen, dahin. Mitten auf der Strecke wollte ich sogar noch umkehren, mich einfach ins Bett legen und die Decke über den Kopf ziehen. Ich schaffte es, dort anzukommen und der Probearbeitstag war sehr schön. Dann fing der neue Job an. Genau am 7. Arbeitstag kam es zum Knall. Eine Kollegin begrüsste mich damit, dass sie mich mit tausend Sachen kritisierte. Sie warf mir sogar Sachen vor, die ich gar nicht gemacht habe. Sie stellte mich so dar, als würde ich gar nichts machen und wenn ich schon was mache, dann alles verkehrt. Ich war total geschockt, dachte ich falle vom Stuhl. Mein Herz raste wieder wie verrückt, eine tiefe Traurigkeit stellte sich ein, denn ich hatte das Gefühl, dass ich viel gebe und mache. Hatte sogar in meiner Freizeit für die Arbeit Sachen ehrenamtlich vorbereitet. Und dann das?? Ich war wie geplättet an diesem Tag. Nichts machte mehr Spaß. Ich ging mit hängenden Schultern nach Hause und habe die gesamte Nacht nur geheult. Dann am Folgetag habe ich mich krank gemeldet, wieder das alte Spiel. Nun ist es eine Frage der Zeit, bis ich gekündigt werde, bin ja noch in der Probezeit. Ich fühle mich schlecht, dass ich auch ständig mein Handy ausgeschaltet lasse, weil ich Angst habe, die Leute von der Firma wollen mit mir darüber reden. Aber ich habe nur Fluchtgedanken, möchte mich gar nicht mehr damit konfrontieren. Es ist in meinen Gedanken ausgeschlossen, dort weiter arbeiten zu gehen. Es ist in meinem Kopf eingebrannt, dass diese Konflikte sich ständig wiederholen werden und ich dann wieder verkrampft und unsicher werde, was sich dann auch auf mein körperliches Befinden ausübt.
Nun bin ich wieder dort, wo ich schon war. Ich überlege ernsthaft, mich berenten zu lassen. Kleinste Konflikte mit Kollegen und Vorgesetzten bringen mich so aus dem Gleichgewicht, dass es mich in den Keller zieht. Ich kann nichts dagegen machen. Ich hatte auch schon 2 Therapien, hat alles nichts gebracht. Antidepressiva hab ich auch schon verschrieben bekommen, die Nebenwirkungen waren so fatal, dass ich sie abgesetzt habe. Nehme nur noch Opipram zum Entspannen, wenn ich sehr aufgelöst bin.
Ich weiß echt nicht, wie es weiter gehen soll. Ich bin Anfang 30. Meine Freunde und Bekannte wundern sich, warum ich ständig diese Probleme habe. Die bestätigen mir ohne Ende, dass ich sogar noch überqualifiziert sei für die Arbeit, die ich da verrichte. Warum ich mir nichts besseres suche, ich sei schlau, schnell und kreativ etc. Das ist alles schön zu hören, nur löst jede Arbeit in mir solche Ängste und Beklemmungen aus, dass ich gar nichts mehr machen möchte. Ich habe die Hoffnung aufgegeben, eine Stelle zu finden, wo ich endlich glücklich werden kann.
23.09.2012 17:16 • • 06.07.2021 x 2 #1