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Hallo zusammen!
Hat jemand Erfahrungen mit generalisierter Angststörung und Familienleben mit drei Kindern (9,7,3)?
Kurz zu meiner Situation: Ich lebe mit meiner Partnerin zusammen und unseren drei Kindern in einem kleinen Ort. Seit etwa 2 Monaten ist meine Angst wieder richtig aufgeplatzt, vorher war sie immer mal wieder mehr oder weniger da, durch bewussteren Umgang und Stressredutierung war es aber erträglich. Nun bin ich seit 6 Monaten krank geschrieben, in der Zeit scheiterte die Stufenweise Wiedereingliederung auf der Arbeit, was, so glaube ich, die Dämme aufriss.
Nun hatte ich bereits zwei Therapien bezüglich meiner Ängste, die seit der Kindheit bestehen. Ich merke, dass ich mehr Ruhe brauche und dass mich zur Zeit alles stresst, was an familiären Anforderungen auf mich wartet und ich bin meiner Partnerin so unendlich dankbar, dass sie das kompensiert. Ich schaffe es kaum noch, meinen Kindern zuzuhören oder mich länger mit ihnen zu beschäftigen, weil ich dann wieder Angst bekomme, wohl aufgrund Schuldgefühlen und der eingeschränkten Vaterrolle. Auch fürchte ich mich davor, Ängste auf meine Kinder zu übertragen, selbst habe ich immer zwei sehr ängstliche und vermeidende Eltern vor mir gehabt, die mit meinen Ängsten nicht umgehen konnten.
Ich möchte wieder eine ambulante Psychotherapie machen, um mich zu ordnen, denn momentan fehlen mir klare Ansatzpunkte, um aus dem Schlamassel herauszukommen. Ich denke sehr viel nach, weiß über Angst auch sehr viel, wie sie entsteht und was sie füttert, habe aber echt viel Unruhe in mir und schlafe nur noch sehr schlecht. Auch habe ich probiert, mich jeden Tag zu exponieren, was wohl zu viel war.

Jetzt gibt es das Problem, dass hier keine Therapieplätze zu finden sind. Ich habe Ende Juli zum Glück einen Termin, wo eine nachfolgende Therapie möglich wäre. Tagesklinik ist schwierig, weil ich da weit fahren muss und gerade Angst vorm Fahren habe. Im August steht der Familienjahresurlaub an und ich habe keine Ahnung, wie ich den mit meiner derzeitigen Situation schaffen soll.

Hat jemand vielleicht eigene oder anderweitige Erfahrungen mit so einer Lebenslage?
Vielen Dank!

29.05.2024 17:06 • 30.05.2024 #1


9 Antworten ↓


Ich habe Erfahrung mit Krisen (siehe Profil), die ich aber schnell überwinden konnte, also das Schlimmste, durch massiven Einsatz aller mir zur Verfügung stehenden Mitteln. Allen Voran:
1) komplettes Runterfahren durch kurzfristigen Ausstieg aus sämtlichen Verantwortungssituation, sprich Klinik, und
2) Medikamente.

Für mittel- bis langfristig war dann ambulante Therapie, Selbststudium durch Bücher, Blogs und Videos zum Thema und Arbeit an Mindset und Lebensführung.

Du bist schon länger raus, hast mit 3 Kindern sehr anstrengenden Umstände und solltest effizient vorgehen. Deine Familie braucht dich. Wie sieht es mit Medikamenten und ggf stationärer Therapie aus?
Schlafprobleme verstärken psychische Probleme stark, hier könntest du mit Vivinox Nervenruhe und/oder Promethazin versuchen, diesen Aspekt zu verbessern.

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Angst und Familienleben

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@Pauline333 vielen Dank für Deine Erfahrungen, habe mir die Schilderungen auf Deinem Profil durchgelesen und bin beeindruckt.
Medikamente hatte ich bei meiner letzten Angstphase probiert, Opipramol, drei mal täglich, Dosis weiß ich nicht mehr. Habe mich aber schrecklich damit gefühlt. Wurde nach 2 Monaten wieder abgesetzt. Damals war das Versorgungsnetz in einer Großstadt viel besser, sofort ambulante Therapie bekommen und es lief gut.
Hier ist alles komplizierter, wie schon beschrieben. Ich beschäftige mich auch theoretisch viel mit Angststörungen und das hilft, es besser zu durchschauen und ich komme in kleinen Schritten auch voran. Vielleicht mache ich mir aber zuviel Druck? Und vielleicht sollte ich meine Kinder angemessen einbeziehen und es ihnen altersgerecht erklären.
Stationäre Klinik ist hier komplett voll, da muss eine Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegen wenn es schnell gehen soll und das heißt 3 Tage geschlossene Psychiatrie, hat mir meine Hausärztin erzählt. Darauf habe ich, bestimmt nachvollziehbar, keine Lust und es wäre auch nicht besonders zielführend, auf einer falschen Station behandelt zu werden.
Ich denke Mindest und Tempoanpassung und Umfeld einbeziehen in das Tempo wären Ansätze.

Zitat von Lerdes:
@Pauline333 vielen Dank für Deine Erfahrungen, habe mir die Schilderungen auf Deinem Profil durchgelesen und bin beeindruckt. ...


Wenn Klinik für dich ansatzweise in Frage kommt, lass dich auf die Warteliste setzen. Manchmal hilft Aktionismus, dann merkst du, du bist dem nicht hilflos ausgeliefert. Opipramol mag verlockend sein, weil es beruhigend wirkt, gegen Angststörungen wirken aber vor allem SSRI, denn sie bringen einen, wenn es wirkt, wieder in Balance, sodass man mithilfe seiner ureigenen Ressourcen sich selbst aus dem Sumpf ziehen kann. Würde ich nach 6 Monaten krank auf jeden Fall zumindesr mal ausprobieren.

Ich würde das maximal aggressiv angehen, du bleibst da sonst drin hängen bzw ist es zumindest immer schwerer da raus zu kommen je länger man drin ist.

@Pauline333 Das lustige ist, dass ich selbst mit Menschen mit Angststörungen arbeite, als Sozialberater in einer Rehaeinrichtung. Ich finde Deinen Weg sehr straight und sehr gut gemanaged. Und ich weiß aus meiner Tätigkeit, dass es immer unterschiedliches Tempo der Heilung gibt, weil Angst immer individuelle Faktoren als Ursache hat. Unruhe ist oft selbstgemacht durch gedankliche Verstärkung und durch Unwissenheit über die Funktion von Angst. Medikamente können sehr gut funktionieren, wenn sie wirken, auch da gibt es große Unterschiede. Ich glaube, Dein Einsatz von Medikation nehme ich als Impuls auf, in mir gibt es da trotzdem Widerstände, weil ich auch mitbekomme, wie oft rumprobiert wird und dass manches Absetzen nicht gut funktioniert.

Zitat von Lerdes:
Ich glaube, Dein Einsatz von Medikation nehme ich als Impuls auf, in mir gibt es da trotzdem Widerstände, weil ich auch mitbekomme, wie oft rumprobiert wird und dass manches Absetzen nicht gut funktioniert.


Gut, dass du skeptisch bist. Medikamente sind absolut keine langfristige Lösung. Ich selbst habe sie immer nur wenige Monate genommen. Aber deine Situation ist schon eine nicht gute mit so langer Krankschreibung und den Einflüssen aufs Privatleben. Deine Frau muss viel abfedern, deine Kinder stecken sicher auch zurück.

Mit sanften Methoden ist dem nicht beizukommen, zumindest nicht in absehbarer Zeit.

Aber klar, die Einnahme von AD muss wohl überlegt sein und ist nur zu empfehlen, wenn man dahinter steht.
Ich habe sie stets als Beschleuniger gesehen, um schneller aus dem Tal und in meine Kraft zu kommen, 6 Monate nach Abklingen der Beschwerden angefangen, langsam abzusetzen. Für mich ein gutes Regime.

@Lerdes Es gibt in Deutschland unzählige psychosomatische Kliniken auch bei Angst Störungen. Für eine Psychiatrie bist du natürlich zu gesund. Lass dich mal beraten von deiner Krankenkasse da gibt es online auch Klinik Finder.
https://klinikradar.de/kliniken/

Zitat von Rosenzauber:
Für eine Psychiatrie bist du natürlich zu gesund


Ich war 2x in der Psychiatrie und beim letzten Mal nur 5 Wochen Krank geschrieben. Ich war auf Stationen mit Menschen wie mir: die Depression und/oder Angst hatten und alleine da nicht raus kamen bzw schnell und effizient raus wollten.

Mir hat die Zeit dort geholfen, aber ich wollte auch Medikamente nehmen.

Ich würde Psychiatrien nicht kategorisch ablehnen. Oft kommt man da schneller rein als in die Psychosomatik und bei so langem Arbeitsausfall und mit Kindern im Haus ist immer schnelle Hilfe anzuraten.

Hallo und noch ein nachträgliches Willkommen @Lerdes,

Du bist spät aber dann nachhaltig Vater geworden, wenn ich das richtig verstehe. Wie stark beeinflusst die Vaterrolle Deine Angst- bzw. Unruheproblematik?
Zitat von Lerdes:
Ich schaffe es kaum noch, meinen Kindern zuzuhören oder mich länger mit ihnen zu beschäftigen, weil ich dann wieder Angst bekomme, wohl aufgrund Schuldgefühlen und der eingeschränkten Vaterrolle. Auch fürchte ich mich davor, Ängste auf meine Kinder zu übertragen, selbst habe ich immer zwei sehr ängstliche und vermeidende Eltern vor mir gehabt, die mit meinen Ängsten nicht umgehen konnten.

Angst ist also bei Dir, wenn man es mal so sagen darf, ein familiäres Thema. Umgekehrt, also wechselwirkend, könnte Familie deshalb grundsätzlich zumindest potenziell für Dich ein Angstthema sein.

Auffällig ist in der Tat, wie oft sozial Berufstätige exakt vom Problem ihrer Klienten betroffen sind. Das sogenannte Wissen über die Angst schützt ergo nicht davor. Ich glaube sogar, manch veranlagter Charakter erkrankt am Wissen über die Angst. Der Experte wandelt auf beiden Ufern des Flusses - und verliert dabei den Fluss(= das Leben) aus dem Blick.
Zitat von Lerdes:
Ich beschäftige mich auch theoretisch viel mit Angststörungen und das hilft, es besser zu durchschauen und ich komme in kleinen Schritten auch voran. Vielleicht mache ich mir aber zuviel Druck?

Druck ist definitiv ein Thema. Deine Schilderung lässt auf erhöhte Nebennierenbelastung schließen und da ist chronischer Druck Gift für.
Zitat von Lerdes:
Und vielleicht sollte ich meine Kinder angemessen einbeziehen und es ihnen altersgerecht erklären.

Du meinst, Du solltest es besser machen als Deine Eltern damals?
Gehe mal testhalber in Dich und schau, inwieweit Du Deine Eltern für ihre damalige Handlungsunfähgkeit eventuell verurteilst. Dieses Urteil könntest Du ggfs. nämlich auch über Dich brechen, ohne dass Du es mitbekommst.

Zudem wäre prüfenslohnend, weshalb Du exakt Deinen Beruf ergriffen hast.
Zitat von Lerdes:
Und ich weiß aus meiner Tätigkeit, dass es immer unterschiedliches Tempo der Heilung gibt, weil Angst immer individuelle Faktoren als Ursache hat.

Angst ist nicht immer nur Antwort (Wirkung) auf gewisse Umstände (Ursache). Sie ist oft auch eine akute Schaffung von Ursachen. Der ängstliche Geist ist nicht nur Opfer (der Vergangenheit) sondern auch Täter (der Zukunft).

Der Geist selbst jedoch ist eigentlich die Gegenwart, das erlebende Jetzt. Sämtliche Gedanken und Emotionen sind lediglich Vergangenheits- und Zukunftsrahmen, einem Bilderrahmen vergleichbar. Um Deine, wie man so schön sagt, innere Mitte zu finden solltest Du den Blick nach innen richten, Richtung Bild.
Zitat von Lerdes:
Unruhe ist oft selbstgemacht durch gedankliche Verstärkung und durch Unwissenheit über die Funktion von Angst.

Ich habe gelernt, dass Ernährung, Verdauung und Vitalstoffe auch eine erhebliche Rolle spielen können. Vor allem, wenn die Nebenniere bereits in die Knie geht.

@moo Danke für Deine Antwort. Da sind in der Tat viele nachdenkenswerte Aussagen enthalten, die ich in Ruhe reflektieren werde.

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Mira Weyer