Pilongo
Mein Freund hat die Erfahrung gemacht dass das Arbeitsamt bei der Jobvermittlung von Akademikern nicht so gut ist. Der hat sich selbst dahinter geklemmt, als Akademiker muss man auch viel Initiativbewerbungen verschicken, das wird heutzutage von einem so erwartet. Richtig ausgeschrieben werden die freien Stellen da oft gar nicht mehr
Dann sollte man auch noch sehr flexibel sein, also bereitwillig für einen Job auch mal ein paar hundert Kilometer umziehen, oder wenn keine Stelle frei ist einfach mal anfragen wegen Praktikum und so. Das war mein Freund, also flexibel meine ich, der hat sich Deutschlandweit beworben mit einem Diplom von 1,1 in Informatik und Maschinenbau. Trotzdem hat er 6 Monate suchen müssen bis er was hatte und ich weiß noch genau wie hart das für ihn war. Fertig studiert zu haben, auch noch mit Diplom und in einem Studiengang der immer als gefragt präsentiert wird, und dann trotzdem so lange ohne Arbeit zu sein. Ist also nicht selten dass man als fertiger Akademiker erst mal zum Amt gehen muss.
ABER inzwischen hat er eine Stelle mit super Gehalt die ihn richtig glücklich macht. Er mag seinen betreuenden Prof, er mag seine Kollegen, er mag die Studenten, er ist wirklich zufrieden. Am Meisten hat ihm bei der Suche geholfen auch mal mit Profs aus dem eigenen Fach zu sprechen und sie zu fragen was sie direkt nach der Uni gemacht haben, was man da versuchen kann. Die Profs oder auch die jüngeren Doktoranden, die haben da meist bessere Tips für dich als z.B. das Arbeitsamt. Hast du mal versucht dich mit Leuten zu unterhalten denen es evtl. ähnlich ging wie dir nach dem Abschluss?
Dann gibt's doch noch die Studienberatung und Career Managment an jeder Uni. Manch einer findet das ja nichtssagend, ich geh da gern hin. Die Berater konnten mir z.B. obwohl ich Lehramt studiere (ist ja eigentlich das One-Way-Studium pur) auf Anhieb fünf andere Jobrichtungen nennen in die ich mich nach dem Abschluss auch noch orientieren kann. Das fand ich echt beeindruckend, und auch echt beruhigend diese Alternativen zu kennen. Ich kenne ein Paar, die haben beide Sozialwissenschaften studiert und nach dem Studium auch nochmal mit ihren alten Profs geredet. Eine davon geht jetzt nach Kanada und hat angeboten sie als ihr Team mitzunehmen - da haben Beide zugestimmt, und jetzt haben sie ihren Job. Durch Zufall, aber eben auch durch Beziehungen. Es werden immer noch sehr viele Jobs rein über Beziehungen und Bekannte vermittelt, deshalb mein Rat: Geh doch nochmal an die Uni und rede dort mit den Profs.
Vielleicht fehlt dir auch ein klares Berufsfeld, die Grenzen sind zu diffus? Dann würde es Sinn machen auch mal Praktika in Erwähung zu ziehen. Da bekommst du zwar meist kein Geld dafür, aber immerhin hast du so die Chance auf Kontakte und Erfahrungen. Und im Zweifelsfall verkauft sich das besser im Lebenslauf als eine zu große Lücke! Ganz davon abgesehen wird es dir sicherlich auch persönlich weiter helfen in der Entscheidung.
Wäre auch denkbar sich über Deutschlands Grenzen hinweg ins Ausland zu bewerben. Das will zwar meistens keiner hören, aber inzwischen wird diese Art der Flexibilität verlangt. Ich hab mich letzte Woche mit einem Informationstechniker unterhalten der deutschlandweit nichts fand und jetzt auf Beamten umsattelt damit er hier bleiben kann. Seine Firme hatte ihn vor die Wahl gestellt: Shanghai oder gehen. Und bei allen neuen Mitarbeitern ist bereits im Arbeitsvertrag fest gelegt dass sie bereit sein müssen ihrer Firma auch ins Ausland zu folgen oder alternativ ohne Abfindung ihre Koffer packen dürfen. Da lässt sich jetzt drüber streiten, aber ich glaub unsere junge Generation muss sich mit dem Gedanken anfreunden dass sesshaft bleiben nicht mehr geht oder nur noch schwer realisierbar ist
Mir gefällt das auch nicht, aber ich beginne schon jetzt mich anzupassen. Da z.B. absehbar ist dass mein Freund in 5 Jahren mit seinem Doktortitel ins Ausland geht studier ich jetzt noch zusätzlich Deutsch als Fremdsprache um meine Qualifikationen im Ausland zu erhöhen, damit ich mitziehen kann. (Und in Deutschland hält mich eh nicht viel, außer meine Familie.) Als Muttersprachler ist man da jederzeit gern gesehen wenn man noch dazu Erwachsene oder Kinder unterrichten kann, immerhin kann man das besser als Jeder der dort wohnt. Das wäre z.B. auch ne Ecke in die du als Geisteswissenschaftler ohne großartige Zusatzqualifikation einsteigen kannst, wenn dich sowas interessiert.
Hast du mal fernab von Tageszeitung die Job-Vermittlung von Unis durchgeschaut? Ich seh auf meiner z.B. sehr viele Angebote für Geisteswissenschaftler im Bereich PR, Journalistik, Messe, etc. pp. Auch Nebenjobs. Wenn Arbeitgeber schon speziell was für die Berufsgruppe anbieten, dann meistens eher auf Uni-internen Seiten als öffentlich. Evtl. lohnt sich das auch für dich mal zu gucken.
Ich hab schon oft solche Studenten getroffen, Leute die eigentlich super fertig studiert hatten und dann nichts gefunden haben. Und ich finde die haben immer zwei Dinge gemein: Zum Einen haben sie kein klar definiertes Berufsbild, keine Vorstellung davon wie es nach der Uni weiter gehen soll. Zum Anderen haben sie meist neben der Uni nichts Sinnvolles gemacht. Keine Jobs, keine Praktika, nichts. Das ist natürlich schlecht, weil sowas fehlt in der Bewerbung aber auch für einen selbst. Man muss ja Diverses kennen lernen um sich dann entscheiden zu können wenn man fertig ist!
Ach so, was Drittes hatten sie auch noch fällt mir gerade ein. Nämlich viel zu hohe Erwartungen und die Vorstellung dass die Arbeitswelt sie jetzt mit offenen Armen empfängt. Das ist aber leider nicht so. Lehrjahre sind keine Herrenjahre, auch nicht mit Diplom/Master.
Ich hab selber richtig Schiss irgendwann so zu enden nach der Uni. Ohne Job UND ohne Orientierung. Wenn man nach der Uni erst anfängt zu schauen Och, was könnt mir denn gefallen dann ist man viel zu spät dran. Deswegen mach ich das jetzt schon. Und hoffe dass mir dann das Schicksal vieler Anderer erspart bleibt
Geld zum Leben brauchst du natürlich trotzdem. Wie wär's mit Supermarktkasse oder so? Nachhilfe kannst du doch sicher auch geben, vielleicht im Institut. Das wird meistens Beides recht gur bezahlt und wirft so 350-400€/Monat ab, wenn man will und kann auch mehr. Ich hab an der Kasse auch schon 11€/Stunde bekommen und damit fast so viel verdient wie meine Mom im Monat bekommt.
Wobei natürlich 400€/Monat zu wenig sind zum Wohnen UND Leben. Als Dauerlösung würde ich das an deiner Stelle auch nicht sehen.
Auch mir macht die Situation am Arbeitsmarkt Angst, und ich weiß nicht wie das aussieht wenn ich fertig studiert hab. Vielleicht werd ich dann auch Supermarktregalsortierer weil ich einfach nichts Anderes finde oder muss noch mal neu umsatteln. Keine Ahnung.
Ich denke aber auch dass es sich lohnt sich gegen die Angst zu stellen und einfach mal auszuprobieren, Praktika zu machen, Jobs zu probieren. Gerade wenn man Angst hat vor zu viel wäre es z.B. eine Überlegung wert erstmal mit Minijobs oder Nebenjobs einzusteigen. Zwei 400€-Jobs im Monat sind auch schon 800€. Davon könnte ich im Moment z.B. recht gut leben. Und solche Jobs verlangen meist keine besonderen Anforderungen. Ich mein, es gibt keinen Job der perfekt auf einen Menschen zugeschnitten ist, erst mal recht einfach, und dann auch noch in greifbarer Nähe. Sowas findet glaube ich kein Mensch, den gibt es einfach nicht.
Wenn man sich mal in der Familie so umhört dann merkt man auch dass es das noch nie gab. Ich weiß nicht wieso so viele Studenten heutzutage danach suchen. Mein Papa z.B. hat die Schule geschmissen und dann die erstbeste Ausbildung genommen die er kriegen konnte, zum Einzelhandelskaufmann im Modegeschäft gehobener Klasse. Er wurde ein guter Berater, dann Abteilungsleiter, dann kam das Internet in Mode. HTML hat ihn interessiert, er hat ne Fortbildung gemacht, und bis zu seinem Tod war er dann Mediendesigner für Plakate, Zeitungswerbung, und Internet-Auftritte. Also was ganz Anderes als das was er am Anfang gemacht hat. Meine Mom hat ne Bäckerlehre gemacht und ist inzwischen in der Elektroabteilung im Supermarkt. Mein Opa hat Schreiner gelernt, dann Bierkutschen gefahren, und am Ende fuhr er LKW für ne Spedition mit Möbeln und Kleidung. Auch was ganz Anderes.
Ich glaube wichtig ist dass man sich mal traut ins kalte Wasser zu springen und irgendwo irgendwie anzufangen. Und dann sucht und weiter macht, sich meinetwegen umentscheidet und so weiter. So haben's die Anderen auch gemacht, die Meisten geben es nur nicht zu! Aber ich glaub am Teichufer stehen und überlegen wo man jetzt am Besten rein springt und wie tief das Wasser da ist und das dann zu kalt ist oder zu warm an der Stelle - ich glaube das nutzt rein gar nichts.
Und wenn ich mir jetzt überleg was ich so geschrieben hab, dann werd ich mir noch irgend ein sozial repräsentatives Hobby suchen für den Lebenslauf, glaube ich. Man muss inzwischen wirklich unglaublich flexibel sein und interessant wirken um zu gefallen. Ein BMW-Chef meinte mal zu mir: Ich stell lieber den ein der 1 Jahr im Ausland war und in Mathe nur ne 4 hatte als den der stur durch studiert hat und dann im Diplom ne 1 vorweisen kann aber nie was Nebenher geleistet hat.
Und sich ohne Hemmungen verkaufen natürlich. Als ich mich letztens beworben hatte für nen Nebenjob am Empfang ging es im Gespräch um Kundenorientierung, da hab ich mal dezent meine 6 Wochen Ferienarbeit im Call-Center ausgedehnt zu massiver Erfahrung im Umgang mit Kunden und in Sachen Problemlösung und so Aber leider hat's dann doch eine bekommen die ne Ausbildung im Hotel gemacht hatte. Aber dieses Verkaufen, auch im Lebenslauf, das können wiederum die in der Career-Beratung gut mit einem üben, und die im Arbeitsamt können das auch. Die schauen auch den Lebenslauf gern nochmal an für dich.
Es hilft auch enorm (mir jedenfalls) mir klar zu machen dass beim Ausschreiben das Nonplusultra ausgeschrieben wird, also das was die im Idealfall haben wollen. Dass das kaum einer erfüllen kann wissen die selber. Und wenn man das auch weiß dann sinken die Hemmungen sich mehr zu bewerben, jedenfalls bei mir.
(Aber ich such auch Aushilfsjob, keine feste Stelle.)
Ich selber brauch Arbeit um leben zu können. Wenn ich nichts habe und nur Zuhause sitze verfalle ich ins Grübeln, und dann kommt auch die Angst. Es ist sogar statistisch bewiesen dass Arbeitslose eher zu psychischen Problemen neigen als arbeitende Menschen. Einfach weil ihnen etwas grundlegendes fehlt: Das Gefühl gebraucht zu werden und sich beweisen zu können.
Liebe Grüße,
Bianca
03.03.2011 15:28 • #41