Ach Spatz, da haben wir wohl wirklich ähnliche Gedanken. Das mit dem Messer und dem Bahnhof hätten auch meine Worte sein können. Ich finde es irgendwie faszinierend das solche Gedanken bei sovielen Menschen gleich ablaufen.
Ich kann dir ja mal ein wenig von meiner Klinikzeit erzählen.
Angefangen hat es bei mir mit Panikattacken ohne irgendwelche Zwangsgedanken. Sie wurden immer massiver und häufiger. Dann gesellten sich in meinem Fall extreme Schlafstörungen dazu. Ich konnte einfach nicht mehr einschlafen, weil ich wirklich jedes einzelne Mal, wenn ich mich in die Horizontale brachte eine neue Panikattacke bekam. Durch die Panik und den Schlafmangel war ich vollkommen durch den Wind und bin ständig in die Notaufnahme gerannt und jedes Mal ohne Befund nach Hause geschickt worden. Ich hatte dann, weil es mir so mies ging einen Termin beim Psychiater bekommen, der mir Antidepressiva und vorübergehend Beruhigungsmittel verschrieb.
Da ich aber eine total krasse Phobie vor Medis habe und erst recht vor Psychopharmaka, habe ich die Einnahme verweigert. Nach 8 Tagen und Nächten, die ich gefühlt dauerwach war, schlief ich dann endlich mal für 3 Stunden tief und fest. Ich war super glücklich und dachte, dass es jetzt wieder bergauf geht. Leider hielt diese Freude nicht lange an, denn meine Schwester gestand mir, dass sie mir am Vorabend eine Tablette ins Trinken getan hatte. Sie wollte nur, dass ich endlich zur mal zur Ruhe komme ohne Angst vor den Tabletten zu haben. Natürlich war ich aber total entsetzt und auch enttäuscht, weil ich anscheinend nur durch das Medi geschlafen habe und nicht aus eigener Kraft zur Ruhe gekommen war.
Ich ging dann duschen, und dort unter Dusche tauchte der erste Zwangsgedanke auf. Es war nur ein Wort: Selbstmord, nur dieses eine Wort, nicht mehr und nicht weniger. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dieses Wort bewusst zu denken. Es schoss mir urplötzlich ins Hirn. Ja, und da bin ich dann völlig ausgeflippt. Ein paar Tage hielt ich noch durch, dann rief ich in der Klinik an und erzählte im Detail was los ist. Ich durfte noch am selben Tag mit meinem Koffer kommen.
Die erste Zeit war sehr schwer für mich. Es wurde auch zunächst nicht wirklich besser. Ich dachte ich sei nun vollends durchgeknallt und wie das in einer Psychatrie nun mal so ist: Man bekommt dort Tabletten... Ich habe die dann auch genommen. Irgendwie war es beruhigend Ärzte und Pflegekräfte um mich herum zu wissen und schlimmer als es eh schon war, konnte es mit den Medis auch nicht mehr werden.
In den ersten zwei Wochen befand ich mich auf der Krisenstation. Da war nicht wirklich viel los. Kaum Therapien und viele schwer depressive Menschen um mich herum. Die Tabletten halfen mir auch nicht. Auch nicht nach 5 Wochen. Die Zwangsgedanken wurden auch noch schlimmer. Zu den selbstgefährdenden Gedanken gesellten sich die fremdgefährdenden. Das fand ich noch viel schlimmer. Mein Medikament wurde dann auch nochmal umgestellt. Dieses neue Zeug half mir dann wirklich. Ich kam immer mehr zur Ruhe.
Danach wechselte ich auf eine andere Station. Da waren die Leute mental um einiges besser drauf. Ich kmüpfte Kontakte und bekam einen Therapieplan.
Mein Wochenplan bestand aus Gesprächstherapien, Ergotherapie, Musik-, Entspannungs- und Bewegungstherapie. Zusätzlich machte ich viel Sport. Auf dem Crosstrainer strampelte ich mir jeden Tag meine miesen Gedanken und Gefühle weg. Was aber am meisten half war der Kontakt zu meinen Mitpatienten. Wir waren eine bunte Truppe, die viel miteinander lachte, weinte, Spaß hatte, sich zuhörte und tröstete. So intensiv habe ich das noch nie erlebt. Es war einfach schön. Ich fühlte mich wie ein kleines Mädchen, dass die Welt neu entdeckt. Wir haben zusammen soviel Mist gemacht. Sind in den FLuss gesprungen zum Schwimmen, haben den Spielplatz gestürmt und uns ausgetobt, haben bei Singstar in die Mikros gebrüllt und vieles vieles tolles mehr. Es war wie ein zweiter Frühling =)
Die Zwangsgedanken kamen immer seltener auf. Wie ich aber mit ihnen umgehe, habe ich erst in der Tagesklinik und danach bei meinem jetzigen Therapeuten gelernt. Ich wende genau das an, was ich oben beschrieben habe. Inzwischen bekomme ich durch diese Gedanken keine Panikattacken mehr. Ich kann mir selbst wieder besser vertrauen, auch weil ich in den Therapien in der Klinik viele Talente entdeckt habe und immer wieder Zuspruch und Lob für meine Werke bekam. Ich hab ein Lied geschrieben, Körbe geflochten, Tücher bemalt, Schals und Mützen gestrickt usw. Das machte nicht nur Spaß, sondern gab mir auch Selbstbewusstsein und Vertrauen in mich selbst.
Wenn ich heute solche Gedanken habe, fühle ich mich dabei nicht wirklich wohl. Ich habe auch immer mal wieder Anflüge von Unsicherheit und halte mich dann für etwas durchgeknallt. Aber das geht schnell vorrüber. Wenn mir mal wieder der Gedanke kommt, ich könnte vom Balkon springen, dann mache ich mich einfach über mich selbst lustig oder ich sage mir den Gedanken einfach absichtlich mehrmals im Kopf auf. Danach vergeht mir dann die Lust mich darauf zu konzentrieren und ich denke an etwas anderes...
Ich wünsche dir, dass du dich ganz bald wieder besser fühlst. Ich glaube ganz fest, dass es dein erstes Ziel sein sollte, diese Gedanken zu akzeptieren und Vertrauen in deine eigene Person aufzubauen.
Wenn dir das gelungen ist, werden sich die dunklen Gedanken auch verziehen. Es ist im Leben eben alles Konfrontation, ob es nun um Panikattacken, Twangsgedanken oder andere Probleme geht.
Ganz liebe Grüße