Ich hatte bereits als kleines Kind Angst vor dem Älterwerden, zweifelte immer daran, ob ich den nächsten Geburtstag noch erleben werde oder Weihnachten. Ich sagte oft wenn ich dann noch lebe und meinte das ernst, die Erwachsenen waren belustigt bis verwirrt darüber.
Dabei ist das eine weise und wahre Erkenntnis gewesen.
Als ich 30 wurde machte mich das traurig, es bedrückte mich.
40 war Weltuntergang. Ich erinnere mich daran, dass ich mit 20 40 Jährige als Greise betrachtete, völlig uncool und ganz weit von mir entfernt.
Ich sehe es so, nicht das Alter wäre das Problem, sondern die Bewertung und Diskriminierung, die damit einhergeht und die macht mich teilweise böse.
Ich fühle mich doch überhaupt nicht anders, als mit 16, als verrückte Teenie mit wilden Träumen.
Ich bin weder ruhiger geworden, geschweige denn vernünftig.
Gäbe es nicht die Geburtsurkunde und die kommenden Falten, würde kein Mensch sich daran stoßen, aber die diskriminierende Bewertung kommt von außen, das ist für mich eindeutig.
Es beginnt damit, dass man gesiezt wird, obwohl man es gar nicht möchte. Ich beobachte, dass andere in der selben Situation noch geduzt werden. Oder man wird anders eingeschätzt und kategorisiert, wenn man sich gerade ein Mountainbike kaufen möchte oder eine Jeans.
Es gibt Sachen, da werden ältere Leute sogar ausgeschlossen, bei bestimmten Angeboten in Ferienclubs zum Beispiel. Mit dem Argument, sie sind nicht fit genug. Dabei kenne ich 70 Jährige, die den meisten Jugendlichen davonlaufen. Nein, ich mache keinen Cluburlaub, aber ich habe öfter von Bekannten gehört, dass so verfahren wird.
Wenn man darauf achtet, hört man überall so dumme Bemerkungen über das eigene Alter heraus, unbedacht von jungen Leuten gesprochen, taktlos.
Ich könnte da jetzt ganz viele Situationen aufzählen.
Das ärgert mich, denn ich fühle mich fit und attraktiv.
Ich erwische mich aber auch selbst dabei, dass ich andere diskriminieren könnte und stoppe das sofort. Etwa bei Bewerbungen. Wenn sich bei mir jemand bewirbt, über fünfzig, erwische ich mich selbst dabei, dass ich ein gewisses Bild vor Augen habe. Das ist falsch und deswegen korrigiere ich diese Gedanken sofort.
Leider höre ich aber auch umgekehrt von Menschen, die teilweise jünger sind als ich oh, das kann ich mir in meinem Alter nicht mehr zumuten.
Ich habe die Situation jetzt so für mich akzeptiert, ich bin wie ich bin und wenn junge Leute mich deswegen in eine Kategorie stecken, ist mir das jetzt gleichgültig. Das war nicht immer so.
Traurig macht mich nur, dass ich nicht mehr so viele Frühlinge erleben werde.
Bei den Lockdowns war mir das noch einmal deutlicher bewusst.
Wer 30 ist kann vermutlich noch 50 mal im Frühjahr eine schöne Reise machen.
Mit 50 darf man, mit Glück, noch 30 mal das Aufblühen der Natur genießen.
Aber mit 70?
Ich kenne über 80 Jährige, die bei den zwei Jahren Reiseverbot sehr sehr traurig waren.
Den Jungen blieb ja noch genug Zeit, das alles einmal nachzuholen.
Aber die alten Herrschaften wollten so gerne noch einmal ihr geliebtes Reiseziel sehen.
25.08.2022 10:53 •
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