Dadurch, dass ich das gestern hier konkret aufgeschrieben habe, ist mir das Ganze noch einmal richtig bewusst geworden.
Ich habe Zusammenhänge erkannt, Ursachen dafür, dass ich noch heute komisch bin.
Mir liegt es absolut fern, wenn immer alles und jedes Fehlverhalten mit der schlechten Kindheit in Verbindung gebracht wird. Das ist ein Klischee geworden und wird gerne als Rechtfertigung benutzt. Das lehne ich eher ab, denn man hat als Mensch zum Glück noch Willen, auch wenn es nicht immer leicht ist, sich da selbst herauszuziehen.
Ich wollte als Kind nie Mitleid. Wenn ich einmal wieder mit dem Peterwagen weggebracht wurde, dann haben Erwachsene natürlich geredet. Das arme Kind….das hat mich eher wütend gemacht. Die zweite Frau meines Vaters, die an der Entwicklung nicht ganz unbeteiligt war, fragte mich Jahrzehnte später, meine Eltern waren lange tot, ob ich als Kind in psychiatrischer Behandlung war. Ich reagierte entrüstet. Nicht ich war schließlich bekloppt, sondern die Eltern.
Natürlich hat sie die Frage anders gemeint, aber mir war es damals, als Kind wichtig, stark zu sein und von Niemandem Hilfe anzunehmen. Die konnten mich alle mal.
Gestern wurde mir zum ersten Mal klar, weil wir hier darüber schreiben, dass mein Anderssein daher kommt.
Ich fühle mich mitunter schuldig für meine merkwürdige,Art, aber jetzt dämmert mir, dass ich nicht wirklich schuldig bin.
Mein Problem ist, dass ich bemerkenswert reagiere.
Wenn mich jemand verletzt oder unfair behandelt, dann kann ich sehr böse werden, ich reagiere dann sehr offensiv mit Gegenangriff und bin dann auch extrem nachtragend. Offensiv meine ich jetzt mit verbalen Mitteln, ich werde natürlich nicht handgreiflich, aber ich kann dann sehr krass austeilen. Wenn ich dann alleine bin, fühle ich mich traurig und weine vielleicht.
Über die ungerechte Behandlung, aber auch über die Situation.
Andere Menschen stecken Unrecht eher weg, Zucken vielleicht mit den Schultern und gehen zur Tagesordnung über, weil sie es nicht so extrem persönlich nehmen. Ich hingegen leide richtig unter dem Unrecht.
Oft wünsche ich mir auch ganz tief im Inneren das Gegenteil von dem, was ich nach außen signalisiere. Ich wünsche mir insgeheim eher Verständigung und Zuneigung, zeige mich aber sehr kalt und abweisend, etwa nach Differenzen. Ich würde mir eher Wärme wünschen, sogar auf eine sehr naive Weise, verberge das aber total, weil ich mich schützen will.
Tut mir leid, dass ich das hier so ausweite.
Aber das ist mir erst durch unseren Austausch hier noch einmal klar geworden.
Ich erwische mich oft dabei, dass ich zu Tränen gerührt bin, wenn jemand freundlich zu mir ist, mich vielleicht lobt, besonders wenn fremde Menschen sind, die mir liebevoll begegnen.
Ich erwarte ja eher, abgelehnt zu werden, weil ich komisch bin.
Ich wünsche mir im Grunde Zuneigung, verhalte mich aber bei einer relativ geringen unfairen Behandlung schon sehr offensiv und kämpferisch.
Auf das Alter bezogen denke ich, bei einem jungen Menschen toleriert man so ein Verhalten eher, von älteren Leuten erwartet man eine gewisse Reife, es wirkt unpassend, wenn jemand mit Mitte 50 sehr emotional reagiert. Dabei fühlt man doch nicht anders, wenn man zwanzig Jahre älter geworden ist….
02.09.2022 09:08 •
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