Ich habe meinen Eltern verziehen.
Das ist ganz wichtig.
Nun sind beide schon lange tot und es ist mir früher schwer gefallen, ihnen nicht böse zu sein.
Dann ist es mir, bereits vor einigen Jahren, gelungen ihnen absolut zu verzeihen, sie ehrlich zu lieben und das ist mir zu ihren Lebzeiten sehr schwer gefallen.
Sie haben tatsächlich "Schuld" daran, dass ich so geworden bin.
Sie haben exzessive körperliche Gewalt gegen mich kleines Kind eingesetzt.
Deswegen konnte ich kein Vertrauen in das Leben aufbauen.
Sie haben mich, aus meiner Sicht völlig grundlos, geschlagen, ja ausgepeitscht.
Dafür stand immer eine frischgeschnittene Rute bereit.
Oder es tat auch mal Vaters Gürtel.
Meine Mutter nutzte gerne und regelmäßig die Rute.
Ich habe natürlich vor Schmerzen geschrien.
Dann sagten sie: "Jetzt heult sie vor Wut", ich finde das unfassbar, sie sagten, sie würden mich solange schlagen, bis ich endlich still bin.
Ich erinnere mich, dass ich irgendwann die Idee hatte, dass Liebe den Hass überwindet, also versuchte ich meine Mutter zu küssen, während ich über ihr Knie gelegt war und gepeitscht wurde. Es nützte aber nichts. Es war eigentlich das typische Verhalten eines Welpen, der seinen Peiniger die Schnauze leckt, um sie zu beschwichtigen.
Das Krasse ist, dass ich ehrlich nie, wirklich nie verstand, warum ich "bestraft" werden sollte, ich war mir keines Fehlers bewusst.
Erlernte Hilflosigkeit….
Dann kamen dazu die subtilen psychischen Gewaltanwendungen, gezielte Erzeugung tiefer Ängste, sehr viel in Verbindung mit esoterischem Gedankengut und natürlich immer wieder Krankheit und Tod.
Nicht viel später durfte ich ansehen, wie sie sich gegenseitig angingen, mein Vater meine Mutter fast totschlug, bis sie aus dem Fenster sprang, die Polizei musste öfter anrücken.
Wohlgemerkt kein unterprivilegiertes Klientel sondern ein Akademikerpaar in einem relativ guten Villenviertel.
Meine Mutter zog mich später alleine auf und hat mich krankhaft, so meine ich zumindest, festgehalten, umklammert. Ich hatte noch lange nach ihrem Ableben furchtbare Albträume von ihr. Ich empfand unterschwellig immer die Drohung, wenn ich sie verlasse, stirbt sie oder bringt sich sogar um.
Ich erinnere mich noch an einen Vorfall, als ich klein war, wollte sie sich mit mir an der Hand vor das Auto meines Vaters werfen, damit er seines Lebens nicht mehr froh wird. Er hatte eine andere Frau….
Wenn ich jetzt gerade das alles so rückblickend betrachte, bin ich noch ganz schön gut geraten.
Ich konnte meinen Eltern zum Glück völlig verzeihen.
Ich habe das öfter, wie in einem Ritual zu ihnen gesagt.
Ich verstehe, dass mit ihnen sehr viel nicht gestimmt hat, wenn sie in der Lage sind, ihr einziges Kind derart zu quälen. Ich stelle mir vor, dass Menschen sehr verzweifelt sein müssen, um so zu handeln.
Inzwischen denke ich oft in Liebe an sie, ich spreche mitunter in Gedanken mit ihnen und habe das gute Verhältnis zu ihnen, wie es Kinder im guten Fall haben sollten.
Ich habe auch noch nie mit anderen Menschen über dieses Thema gesprochen, ich spreche immer liebevoll über meine Eltern, die auch tatsächlich sehr gute Seiten hatten.
Die Wahrheit kennen nur mein Partner, einige enge Freundinnen, allerdings nicht alle, und mein Hausarzt.
Man sollte diese Dinge auch nicht anderen erzählen, weil man dann leider schnell eingeordnet wird. Es reicht dann von Mitleid, was ich nicht brauche bis zu einer Abwertung, wenn es zu Differenzen kommt. Dann ist man schnell geneigt zu sagen, ach, kein Wunder bei der Vorgeschichte…man würde dann, gerade im Berufsleben, dann in wichtigen Situationen leicht abgewertet.
Ich hoffe, das war jetzt nicht zu sehr off - topic.
Aber es zeigt, welchen Einfluss die Eltern auf das eigene Altern haben und dass man tatsächlich selbst entscheiden kann um nicht diesen Vorbelastungen hilflos ausgeliefert zu sein.
Verstehen und Verzeihen hat mir geholfen.
01.09.2022 09:18 •
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